Duisburg-Rahm. Die Bürgerinitiative Rahmerbuschfeld greift die Gutachten der Stadt Duisburg an: Sie seien voreingenommen. Jetzt soll der Konflikt zur EU gehen.

83 Häuser und Wohnungen oder 17 bedrohte Vogelarten – auf diesen Konflikt lässt sich die Planung des Bauprojekts Rahmerbuschfeld herunterbrechen. Während Verwaltung und die Mehrheit der Politik das Vorhaben weiter voranbringen wollen, wird der Widerstand aus der Bürgerinitiative „Naturerhalt Rahmerbuschfeld“ massiver. Aktueller Schritt: das Gespräch mit einer EU-Parlamentarierin, die das Thema in die EU-Kommission einbringen will – das Rahmerbuschfeld ist ein Paradebeispiel dafür, warum die EU Deutschland aktuell verklagt.

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FFH lauten die Buchstaben, an denen sich der Streit entzündet: Flora-Fauna-Habitat. Ein solches grenzt unmittelbar an das Bauvorhaben Rahmerbuschfeld an, nämlich das Naturschutzgebiet Überanger Mark. FFH-Gebiete dürfen keinen Schaden nehmen, es gilt ein sogenanntes Verschlechterungsverbot. Zu ihrem Schutz ist ein Abstand von 300 Metern für Bebauung vorgeschrieben, die Pufferzone.

Neubaugebiet Rahmerbuschfeld: Bebauung kommt zu nah an Naturschutzgebiet

Am Rahmerbuschfeld reicht diese Pufferzone vom Wald bis etwa zur Angermunder Straße. Genau hier aber, wo auf offener Wiese bislang die Pferde des angrenzenden Ventenhofs grasen, sollen den Plänen zufolge bald Häuser und ein Supermarkt stehen: „Jegliche Bebauung kommt in die Schutzzone“, sagt Thomas Anthonj.

Auf dem denkmalgeschützten Ventenhof in Duisburg-Rahm werden Pferde gezüchtet. Kommt das Neubaugebiet Rahmerbuschfeld, verliert die Pferdezucht einen Teil ihrer Weideflächen.
Auf dem denkmalgeschützten Ventenhof in Duisburg-Rahm werden Pferde gezüchtet. Kommt das Neubaugebiet Rahmerbuschfeld, verliert die Pferdezucht einen Teil ihrer Weideflächen. © FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Anthonj ist Mitbegründer der Bürgerinitiative „Naturerhalt Rahmerbuschfeld“. 500 aktive Mitglieder hat die Initiative nach seinen Angaben, rund 6000 Einwohner leben im Stadtteil. „Rahm ist komplett dagegen, dass das gebaut wird.“ Die Initiative will notfalls gegen die Bebauung klagen. Vorher aber will sie den politischen Druck erhöhen.

61 Vogelarten leben im Rahmerbuschfeld – 17 davon stehen auf der Roten Liste

Dafür war am Freitag Özlem Demirel vor Ort, EU-Parlamentarierin der Linken. „Es ist unverständlich. Alle reden über Artenschutz und Klimawandel“, sagt sie. 61 Vogelarten leben im Rahmerbuschfeld, darunter 17, die in der Roten Liste NRW als gefährdet eingeordnet sind. Das Bauvorhaben will die Linken-Frau stoppen, dazu als ersten Schritt einen Brief an die EU-Kommission schreiben.

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Sie erwartet parteiübergreifende Unterstützung; in der EU sei das einfacher als im Duisburger Rat. Auch in der Lokalpolitik ist Zusammenarbeit geplant: Die Linken arbeiten gegen die Bebauung am Rahmerbuschfeld mit den Grünen zusammen; sie wollen ebenfalls einen EU-Politiker darauf ansetzen.

Gutachten der Stadt Duisburg von Investor beauftragt und bezahlt

Die Gutachten der Stadt Duisburg stufen das Bauvorhaben als unbedenklich ein, trotz des FFH-Gebietes. Die Bürgerinitiative kontert mit Kritik und eigenen Gutachten: „Der Investor hat die Gutachten der Stadt in Auftrag gegeben und bezahlt. Da kann man sich vorstellen, was dabei rauskommt“, sagt Thomas Anthonj.

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Das Gutachten der BI „Naturerhalt Rahmerbuschfeld“ kommt zu einem anderen Ergebnis: Eine vertiefende FFH-Prüfung – statt der bisherigen Vorprüfung – sei zwingend erforderlich. Das Ergebnis einer solchen Prüfung entscheidet darüber, ob der Mindestabstand zum Schutzgebiet unterschritten werden darf; etwas, das die städtischen Gutachten bestätigen. Zudem habe es zahlreiche Formfehler gegeben. Anthonj ist überzeugt: „Würde der OB sich unsere Gutachten dazu durchlesen, er würde die Finger vom Rahmerbuschfeld lassen.“

80 Einwände von Bürgern sind nach Anthonjs Angaben während der Offenlage der Pläne eingegangen, sie müssen jetzt eingearbeitet werden. Anschließend geht der politische Entscheidungsprozess weiter. Für die Linken-EU-Parlamentarierin Özlem Demirel steht nach ihrem Besuch am Rahmerbuschfeld fest: „Rahm hat noch mehr Schönes – aber das darf man nicht kaputtmachen.“

>> BAUPROJEKT RAHMERBUSCHFELD: EINNAHMEN, KOSTEN, KLAGEN

  • Das Grundstück, auf dem das Neubaugebiet Rahmerbuschfeld entstehen soll, gehört privaten Eigentümern und der Stadt Duisburg. Für das viermal so große Neubaugebiet Am Alten Angerbach kalkulierte die Stadt mit Einnahmen in Höhe von 42 Millionen Euro aus Grundstücksverkäufen, abzüglich 24,5 Millionen Euro Erschließungskosten.
  • Die Bürgerinitiative selber hat zwar kein Klagerecht, aber zum Beispiel der BUND-Landesverband. Mit der Naturschutzorganisation steht die BI im Austausch.
  • Ein Gerichtsverfahren würde nach Auskunft von Norbert Broda, Mitglied der Bezirksvertretung Süd für die Linke, „mindestens 40-, 50.000 Euro kosten“.