Duisburg-Ruhrort. . Der Spieler, der mit starrem Blick im bequemen Chefsessel vor dem Spielautomaten sitzt, glaubt fest, ganz fest, dass dieses kleine Stück Las Vegas eine Zwischenstation auf dem Weg zum großen Glamour, zu Glück und Geld ist: Spielsucht ist perfide.
Bunter Schein, glänzende Lichter, laute, eingängige Jahrmarktmusik. Fantasievoll gezeichnete Comicfiguren rotieren auf den Walzen, erzählen eine spannende, fesselnde Geschichte vom Glück.
Der Spieler, der mit starrem Blick im bequemen Chefsessel vor dem Spielautomaten sitzt, glaubt fest, ganz fest, dass dieses kleine Stück Las Vegas, diese bunte Spaßmaschine eine Zwischenstation auf dem Weg zum Happy End, zum ganz großen Glamour, zu Glück und Geld ist. Da sitzt die Kohle locker wie bei James Bond, das Limit steigt und steigt. Bis die Existenz buchstäblich auf dem Spiel steht.
Mindestens 1500 Spielsüchtige in Duisburg
Mehr als 33 Millionen Euro wurden 2010 allein in Duisburg im Automatenspiel verzockt. Gewinner sind nur die Unternehmen, die das Glücksspiel kontrollieren, die Spielerverluste pro Kopf im Duisburger Norden liegen Deutschlandweit ebenso wie die Spielhallendichte klar im oberen Drittel.
Auf 238 Einwohner im Norden ein Spielautomat. Im vergleichsweise reichen Düsseldorf kommt ein Automat auf 521 Einwohner. Bezeichnend, dass die Anzahl der Spielsüchtigen Bürgerinnen und Bürger in etwa der Anzahl der Spielautomaten entspricht: 2000 Automaten gibt es in Duisburg, mindestens 1500 Spielsüchtige.
"Noch glimpflich davon gekommen"
Nicht selten ergeht es denen wie Johannes K. (Name geändert), auf dessen Schicksal das Suchthilfezentrum Nikolausburg in Ruhrort aufmerksam machen will: Der Duisburger hat drei, vier Jahre gespielt, gezockt, gewettet – und verloren, viel Geld verloren. 50.000 Euro an Schulden hatte der gelernte Koch aus Duisburg am Ende angehäuft, bevor der 34jährige und seine damalige Frau die Reißleine zogen.
Bei den Suchthelfern in der Nikolausburg des Caritas-Zentrums Meiderich in Duisburg-Ruhrort fand er Rat, Tat und Hilfe - und kam mehr oder weniger los von seiner Spielerei. Gezeichnet ist er dennoch: Seine Schulden muss er noch auf Jahre zurückzahlen, seine damalige Frau ist heute seine Ex, bei der auch die beiden gemeinsamen Kinder leben. Immerhin: Seine Arbeit hat der Koch behalten und verdient gutes Geld. „Andere haben Haus und Hof verspielt, da bin ich noch glimpflich davon gekommen.“
"Mir fehlte der Kick in meinem Leben"
Franz-Josef Werner von der Nikolausburg befürchtet, dass auch die jüngste Initiative der Bundesländer, die künftig unter anderem den skandalträchtigen freien Sportwetten markt legalisiert, daran wohl nichts ändern wird, im Gegenteil. Bundesweit geben die Deutschen für Internetwetten auf Fußball, Eishockey oder Autorennen jährlich rund 2,5 Milliarden Euro aus, weitere Steigerungen nicht ausgeschlossen.
Das Internet war auch bei Johannes der Beginn seines spielenden Verhängnisses. Der Alltag war langweilig geworden, immer dasselbe: Arbeit, Abendessen, Schlafen. Routine. „Mir fehlte der Kick in meinem Leben“, blickt der Ex-Zocker zurück. Den fand er dann bei Wettspielen im weltweiten Netz. Erst Poker, dann Wetten.
"Im Internet ist keine Wette unmöglich"
Zur WM 2006 ging’s richtig los, „da konnte man auf alles und jedes wetten, etwa darauf, wie viele rote Karten die Italiener bekommen. Überhaupt ist im Internet eigentlich keine Wette unmöglich“, sagt er. Nächtelang hat er gespielt: Gewonnen, verloren, gewonnen, verloren , verloren, immer mehr verloren. Ein Teufelskreis.
Durchbrochen wurde der in Johannes Fall erst durch die Therapie in der Nikolausburg.
Neben der Ruhrorter Einrichtung ( 8 09 360) kann auch die Ambulanz der Fachklinik St. Camillus in Walsum ( 479070) Spielsucht-Betroffenen helfen.