Duisburg-Nord. . “Elefantenstarke Kids prügeln nicht!“ - Das haben die Schüler der Fahrner Grundschule Breite Straße gelernt. Die ehemalige Judo-Nationalkämpferin Sibylle Wanders schult die Kinder in gewaltfreier Konfliktlösung - die Schüler finden's “cool“.

Der Angreifer hält Sibylle Wanders an beiden Handgelenken fest, zerrt sie zu sich heran. Zeit für die Technik, die Sibylle Wanders "Gorilla" getauft hat: Plötzlich reißt sie ihre Arme auseinander, um dann in einer fließenden Bewegung die Arme geschlossen nach oben zu recken.

Der Griff des Angreifers, der eigentlich ein Schüler ist, lockert sich, muss sich lösen: "Fass mich nicht an!", sagt die Frau, steht selbstbewusst und stark, und lässt den Angreifer stehen: "Fass mich nicht an, ich muss jetzt weg!". In der Turnhalle ist Stille, einige Kinder – gerade die Jungs – raunen "Booh, cool ..."

Was die Wahl-Kölnerin Sibylle Wanders und US-Filmschauspielerin Cameron Diaz unterscheidet? Optisch, ganz ehrlich, nicht wirklich viel. Beide sind bildhübsch, blond. Außerdem sehr sportlich. Der Unterschied ist wohl, dass sich Sibylle Wanders, wenn es nötig wäre, ganz doll selbst verteidigen könnte und Cameron Diaz in ihren Filmen vermutlich nur so tut.

Streng defensiv ausgerichteter Kampfsport

Gewaltfrei lernen: Schüler der Grundschule Breite Straße in Duisburg wurden von der ehemaligen Judomeisterin Sibylle Wanders geschult.
Gewaltfrei lernen: Schüler der Grundschule Breite Straße in Duisburg wurden von der ehemaligen Judomeisterin Sibylle Wanders geschult. © WAZ-Fotopool

Wir treffen Sibylle Wanders beim Ortstermin in der Fahrner Grundschule Breite Straße. Hier werden Kinder von der ehemaligen Judo-Nationalkämpferin in gewaltfreier Konfliktlösung geschult. "Ja, ich habe den schwarzen Gürtel", sagt Wanders, deren zweite Leidenschaft der Tanz ist, „genaugenommen den dritten Dan.“ Außerdem, sagt sie weiter, sei ihre Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungsphilosophie geprägt vom eleganten, streng defensiv ausgerichteten Kampfsport Jiu Jitsu.

Sinn und Zweck ihrer Arbeit in Fahrn ist in diesen Tagen aber nicht der Kampf – ganz im Gegenteil. Im Rahmen des Vereins "Gewaltfrei Lernen – damit Bildung ankommt" bieten Sibylle Wanders und ihre Trainer-Kolleginnen und Kollegen bundesweit Deeskalations- und Persönlichkeitsbildungs-Seminare für Schülerinnen, Schüler, Lehrer und Eltern an. "Tatsächlich ist es dann so", sagt die ehemalige deutsche Judomeisterin, "dass nach den Elternabenden Eltern auf mich zukommen, und sagen: ,Wir haben dem Kind immer gesagt: Lass dir nichts gefallen, schlag so fest du kannst zurück!’ Jetzt sehen wir, wie falsch das war."

"Die Flut an Wrestling-Sendungen ist ein Riesenproblem"

Natürlich seien die Jungen in erster Linie ein Problem, aber auch ein zünftiger Zickenkrieg im Klassenzimmer sei überhaupt nicht zu unterschätzen: "Das amerikanische Catchen, das sogenannte Wrestling, hat direkte Auswirkungen auf das Verhalten der Jungs", sagt die Kampfsportlerin, "die Flut an Wrestling-Sendungen ist ein Riesenproblem, weil die Kinder die Qualität der Gewalt gar nicht einschätzen können." Weil es sich um eine Riesengeschäft handelt, sagt die Wahl-Kölnerin, würden die Wrestling-Veranstalter ihre Formate mit allen Mitteln schützen: "Das geht bis zu Drohungen und Einschüchterungsversuchen."

Die Arbeit mit den Kindern beginnt mit einem Lied zu Trommelklängen. Die Kleinen mögen Sibylle Wanders. Auch, weil sie klare Regeln formuliert: derjeneige, der andere Kinder beleidigt, hat immer ein hässliches Gesicht. Derjenige, der andere schlimm beleidigt, bringt Schande über seine Eltern. "Und wenn du beleidigt wirst", sagt die durchtrainierte Frau zu den Kindern, macht sich gerade und drückt das Brustbein nach vorn, "dann perlt das an dir ab, wie der Regen an einem Elefanten abperlt. Dann seid ihr elefantenstarke Kids!"