Wattenscheid.. Mitarbeiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Martin-Luther-Krankenhauses in Wattenscheid haben die Beratungslehrer des Klaus-Steilmann-Berufskollegs in Sachen Mobbing-Prävention und -Intervention fit gemacht.
Kleine Ursache, große Wirkung: Was mit Banalitäten beginnt, kann schnell außer Kontrolle geraten. Und zu Mobbing werden. Kathleen Lüttmann hat das bei ihren Schülern oft erlebt. Wo einfaches Necken aufhört und Mobbing beginnt, weiß die Beratungslehrerin am Klaus-Steilmann-Berufskolleg auch dank der Zusammenarbeit mit der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Martin-Luther-Krankenhauses.
„Die Schule hat uns gefragt, ob wir Beratung zu unterschiedlichen psychischen Krankheiten und Problemen geben können“, erläutert deren Chefarzt Dr. Jürgen Höffler die Hintergründe der bereits seit zwei Jahren andauernden Zusammenarbeit. Eine Anfrage, der Dr. Höffler gerne nachgekommen ist – schließlich lautet sein Credo: „Psychische Krankheiten sollen nicht mehr stigmatisiert werden.“
Infoveranstaltung am Berufskolleg
Nicht nur um Krankheiten wie Depressionen ging es bei den Informationsveranstaltungen für die Beratungslehrer, sondern auch um Themen wie Sucht, Wut und Aggression oder eben Mobbing. „Beim Thema Mobbing in Schulen geht es erst einmal darum zu definieren, wo so etwas anfängt“, erklärt Psychologe Dr. Andres Buchenau, der die Infoveranstaltung am Berufskolleg durchgeführt hat. „Tobspiele und Neckereien sind normal, aber wenn so etwas systematisch über einen längeren Zeitraum läuft, dann kann es Mobbing werden.“
Kathleen Lüttmann hat das erlebt: bei einer Klasse, die letztlich in zwei Lager gespalten war und mit der Situation irgendwann selbst nicht mehr umgehen konnte. „Für uns Lehrer hat sich das durch eine gewisse Unruhe im Unterricht und einen deutlich giftigen Umgangston gezeigt.“ Auch auf privater Ebene und im Internet seien entsprechende Kommentare losgelassen worden: „Es wurde auf allen Ebenen gekämpft.“
"Formen des Mobbing haben sich verändert"
Das passt zu der Erfahrung von Dr. Buchenau, dass an Schulen zwar nicht mehr gemobbt werde als früher, „aber die Formen des Mobbing haben sich verändert“. Cyber-Mobbing sei eine ganz neue Qualität. Die Folgen kann der Psychologe benennen: „Mobbing kann zu Angsterkrankungen, zu Depressionen oder zu psychosomatischen Erkrankungen führen.“
Damit es gar nicht erst so weit kommt, haben sich die Beratungslehrer genau informiert, wie sie Mobbing erkennen — und am besten intervenieren können. Wie im Fall der zerstrittenen Klasse von Kathleen Lüttmann. „Alle konnten mit der Situation nicht mehr umgehen, da ist dann die Klassensprecherin zu uns gekommen.“ Zu dem Zeitpunkt sei schon nicht mehr zu erkennen gewesen, wer Täter, wer Opfer war.
Fallbeispiele werden besprochen
Apropos: Gibt es „das“ typische Mobbing-Opfer? „Eine kitzelige Frage“, sagt Dr. Buchenau, „weil man Gefahr läuft, dem Opfer selbst die Verantwortung zuzuweisen.“ Ein Abweichen von der Norm könne ein Risikofaktor sein: „Dadurch kann man Spott auf sich ziehen, aber wenn man locker damit umgeht, verstärkt es sich oft nicht.“ Hinzu komme eine spezielle Gruppenkonstellation. „Es kann sein, dass die Gruppe wechselt und alles ist anders“, hat Kathleen Lüttmann festgestellt. „Deshalb ist es heute noch wichtiger als früher, dass Kinder mehrere Bereiche und Gruppen haben, in denen sie sich wohl fühlen.“
Mit einer Kurzintervention habe die Situation in der betroffenen Klasse entschärft werden können: „Die Verantwortlichen haben sich zusammen gerauft und die Mitläufer haben festgestellt, dass sie das gar nicht mehr wollten“, fasst Kathleen Lüttmann zusammen. Das habe seine Zeit gedauert: „Man kann so ein Problem nicht von hundert auf null wegwischen.“ Für Lehrer ginge es darum, erst einmal zu erkennen: Was läuft ab? Gibt es Redebedarf? Deshalb habe die Zusammenarbeit mit dem MLK zuallererst etwas von Prävention. Man bespreche Fallbeispiele und suche exemplarische Lösungsstrategien. Die mitunter auch helfen wie im Fall besagter Klasse. Kathleen Lüttmann weiß aber auch: „Solche Erfolge hat man nicht immer. Die Schüler müssen wollen und mitmachen.“