Duisburg. Die Stadt Duisburg sperrt das Gelände einer Kita, weil vom Kirchturm nebenan Dachschindeln herabfallen. Gibt es nun für die Kinder eine Lösung?

Plötzlich steht ein großer Bauzaun vorm Kindergarten, und die Kinder können und dürfen nicht mehr auf die Schaukeln, auf die Rutsche oder in den Sandkasten. Das städtische Bauordnungsamt hat das Außengelände der Kita Zaubersterne in Untermeiderich gesperrt und damit auf „eine konkrete Gefährdungslage“ reagiert, wie Stadtsprecherin Gabi Priem erläutert. „Vom benachbarten Kirchturm waren „Schieferschindeln herabgefallen und hätten Kinder treffen können.“

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Diese Gefahr sehen die meisten Kinder noch nicht, sie vermissen ihre Spielgeräte an der frischen Luft. Dagegen bangt die Kita jetzt um ihre Existenz, wie die beiden Leiterinnen Sabine Cornelius und Pia Lange gegenüber der Redaktion einräumen. Zumal es sich bei der Einrichtung an der Waterloostraße um einen anerkannten Bewegungskindergarten handelt. „Wir brauchen das Außengelände, das gehört zu unserer Betriebserlaubnis“, sagt Sabine Cornelius.

„Ich möchte schaukeln“ – Bauordnungsamt sperrt Kita-Außengelände mit Bauzaun ab

Hinzu kommt, dass beim Tag der offenen Tür in knapp zwei Wochen interessierte Eltern erwartet werden, damit sie ihren Nachwuchs in der Kita anmelden. Sollte dann das Gelände bis auf einen gepflasterten Streifen am Gebäude weiterhin unzugänglich sein, befürchten Cornelius und Lange, werde sich kaum jemand für ihre Einrichtung entscheiden.

Der Bauzaun lässt den Jungen und Mädchen nur noch einen gepflasterten Streifen an der Kita zum Spielen an der frischen Luft.
Der Bauzaun lässt den Jungen und Mädchen nur noch einen gepflasterten Streifen an der Kita zum Spielen an der frischen Luft. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Doch die Leidtragenden seien vor allem die Kindergartenkinder. Denn der Großteil der pädagogischen Arbeit finde eigentlich draußen statt. Insbesondere die 20 behinderten Jungen und Mädchen, die Inklusionskinder in der Kita, hätten einen „großen Bewegungsdrang“.

Seit mehr als zwei Wochen steht bereits der Bauzaun. „Ich möchte schaukeln“, sagt die dreijährige Marie und schaut traurig auf das eingezäunte Grundstück. Protestplakate haben sie und ihre Spielkameraden gebastelt. „Unser Spielplatz soll gerettet werden“, steht auf einem Plakat. Es hängt mit den Übrigen am Zaun ebenso wie Zitate, die die Erwachsenen für sie aufgeschrieben haben. Sie machen klar: Die Kleinen vermissen ihre Spielgeräte und den Platz. Manche zeigen aber auch Verständnis, weil die Maßnahme sie vor Gefahr und vor Verletzungen schützt.

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Die Erzieherinnen bemerken jedoch bereits, dass sich ohne das Gelände das Verhalten ihrer Schützlinge verändert hat. „Es gibt mehr Streit und Schubsen“, erläutert Pia Lange. Demnach zanken sich die Kinder mehr um Spielzeug oder konkurrieren stärker um die Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen und Freunde. Zusätzlich kommen sie noch mit viel Energie nach Hause, sagt Vater Yasin Magat. Er gehe mit seinem vierjährigen Sohn Kerem Ali jetzt nachmittags immer noch mal raus, damit er sich auspowern kann.

Eltern zeigen sich bestürzt und erhoffen sich von der Stadt Duisburg eine Lösung

„Wir sind bestürzt, wir wissen nicht, wie es weitergehen kann, wenn die Kinder nicht nach draußen können“, sagt der Vorsitzende des Fördervereins, André Hahn, und spricht damit vielen Eltern aus der Seele. Dazu gehört auch Carolina Morgenstern, die die Situation für ihren Matteo als „furchtbar“ und „ganz schlimm“ empfindet. Einige betroffene Familien haben zu Hause große Gärten oder den Rhein vor der Haustür, aber eben längst nicht alle.

Die Kita Zaubersterne und das Gotteshaus teilen sich das Gelände in Duisburg-Untermeiderich. Früher gehörte alles der Evangelischen Kirche.
Die Kita Zaubersterne und das Gotteshaus teilen sich das Gelände in Duisburg-Untermeiderich. Früher gehörte alles der Evangelischen Kirche. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Deshalb helfen viele Mütter und Väter jetzt mit und begleiten die Kindergartengruppen und ihre Erzieherinnen tagsüber auf die Spielplätze in der Nachbarschaft oder sind bei kurzen Ausflügen dabei. In den Herbstferien darf die Kita außerdem den Pausenhof der benachbarten Grundschule benutzen. Die Eltern werden gebraucht, weil der Einrichtung für solche Ausflüge sieben Mitarbeiter fehlen, einer pro Gruppe.

Inzwischen hat sich auch die Politik eingeschaltet. „Wir hoffen darauf, dass wir eine schnelle Lösung bekommen“, sagt der Untermeidericher Bezirksvertreter Christof Eickhoff (CDU) nach Gesprächen mit der Verwaltung. „In dem Fall kann man die Stadt nicht kritisieren“, betont er. Oberbürgermeister Sören Link (SPD) habe durch die Eltern ebenfalls von dem Problem erfahren und habe sich dessen angenommen, ergänzt Carolina Morgenstern: „Das gibt uns Hoffnung.“

Tatsächlich hat die Stadt aber nicht mehr viel Handlungsspielraum. „Durch die Nutzungsuntersagung des Außengeländes ist die Gefahr beseitigt“, ordnet Stadtsprecherin Gabi Priem ein. Durch die städtische Bauaufsicht „kann zu diesem Zeitpunkt nichts weiter veranlasst werden“, zumal diese jetzt festgestellt habe, dass der Eigentümer „augenscheinlich schon Arbeiten am Kirchturm“ ausführen lasse.

Vom Kirchturm sind Schieferschindeln auf das Außengelände des benachbarten Kindergartens gestürzt.
Vom Kirchturm sind Schieferschindeln auf das Außengelände des benachbarten Kindergartens gestürzt. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Kirchengemeinde äußert sich zu der Situation

Diese Bauarbeiten bestätigt die Kirchengemeinde „Faith Christian Church“, der das Gotteshaus gehört. „Die Reparatur ist komplett fertig, der Turm ist repariert“, sagt Vorstandssekretär Andrew Mensah dieser Redaktion. Er warte nur noch auf die entsprechende Bescheinigung der beauftragten Fachfirma und reiche diese dann bei der Stadtverwaltung ein.

Anschließend kann das Bauordnungsamt den Bauzaun abbauen und das Gelände freigeben – vielleicht verschwindet dann auch das rot-weiße Flatterband rund um die beliebte Nestschaukel. Seit April sperrt das Flatterband laut Kita-Leiterin Pia Lange den kleinen Bereich um die Nestschaukel ab, weil damals bereits erste Dachschindeln der Kirche aufs Kita-Gelände gestützt seien.

Zahlreiche Spielgeräte sind jetzt hinter dem Bauzaun eingeschlossen und dürfen derzeit nicht benutzt werden.
Zahlreiche Spielgeräte sind jetzt hinter dem Bauzaun eingeschlossen und dürfen derzeit nicht benutzt werden. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

LVR-Landesjugendamt entscheidet über die Betriebserlaubnis der Kita Zaubersterne

Sollte wider Erwarten das Außengelände nicht zügig wieder zum Spielen geöffnet werden, braucht die Kindertagesstätte trotzdem nicht länger um ihre Existenz bangen. „Die Sorge, dass der Kita Zaubersterne die Betriebserlaubnis entzogen wird, ist aktuell nicht berechtigt“, sagt Anna Hieb vom zuständigen LVR-Landesjugendamt Rheinland auf Anfrage und erläutert: „Die Aufhebung der Betriebserlaubnis ist das letzte Mittel der Wahl, wenn strukturelle Mängel dauerhaft und nicht in absehbarer Zukunft behoben werden können.“ Im Duisburger Fall reicht dem LVR also aus, dass die Kita die nahen Spielplätze nutzt und sich grundsätzlich kooperativ zeigt.

Noch ahnen die Kita-Kinder nichts davon, dass sie vielleicht schon bald wieder im Sandkasten, auf der Rutsche und mit den Schaukeln spielen und auf dem Gelände toben dürfen. Sobald es so weit ist, wird bestimmt fröhliches Kinderlachen durch das Wohnviertel schallen.

>> Weitere mögliche Maßnahmen der Stadt Duisburg

● Hätte die Kirchengemeinde nicht reagiert und ihren beschädigten Kirchturm nicht repariert, nachdem das Bauordnungsamt eingeschritten war, hätten der Stadt Duisburg noch andere Maßnahmen zur Verfügung gestanden. Darunter Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern.

● In Extremfällen kann sich die Stadt auch einer sogenannten Ersatzvornahme bedienen. Dann lässt die Stadt auf Privatgrundstücken Gefahren beseitigen und stellt dies dem Eigentümer in Rechnung. Dies ist der Fall gewesen, als die Verwaltung einen neuen Zaun am ehemaligen St. Barabara-Hospital in Neumühl errichtet hatte.

● Eine Ersatzvornahme wäre im Fall der Kita Zaubersterne aber „unverhältnismäßig“ gewesen, so Stadtsprecherin Gabi Priem. Denn die Gefahr für die Kinder war ja bereits durch den Bauzaun beseitigt. Außerdem kümmerte sich der Eigentümer der Kirche um notwendige Reparaturen.