Duisburg-Marxloh. In einer Marxloher Kindertagesstätte stammen fast alle Kinder aus armen Familien. Was dort anders läuft als in den meisten anderen Kindergärten.
Den ganzen Tag können die Kinder springen, tanzen und toben. Das gehört ganz bewusst zum Konzept der Weltkinder-Kita „Rudolfstraße“ in Duisburg-Marxloh. „Unsere Kinder sind immer in Bewegung“, erzählt Kathrin Hölters, die Leiterin der Einrichtung. Die Turnhalle ist von morgens 9 Uhr bis in den späten Nachmittag um 17.30 Uhr geöffnet. „Dort ist immer viel los“, freut sich die Chefin. Für ihr besonderes Sportkonzept ist die Kita jetzt vom Landessportbund NRW als „anerkannter Bewegungskindergarten“ zertifiziert worden.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Um dieses Zertifikat verliehen zu bekommen, sind Kathrin Hölters und ihr Team einen langen Weg gegangen. „Wir haben uns gefragt, was die Kinder hier am meisten brauchen“, erinnert sie sich. Dabei sei man auf die Idee gekommen, gezielt den Bewegungsdrang der Zwei- bis Sechsjährigen zu fördern. Zunächst wurden dafür Bänke, Matten und weitere Sportgeräte angeschafft. Für das Kita-Personal stand außerdem eine Fortbildung auf dem Programm: Alle haben beim Stadtsportbund einen Übungsleiterschein für Fachkräfte gemacht.
Auch interessant
Abgerundet wird das Angebot des neuen Bewegungskindergartens durch die Kooperation mit dem Verein Schwarz-Weiß Westende Hamborn, der bald regelmäßig Sportkurse für die Mädchen und Jungen anbieten wird. Die Zusammenarbeit mit einem Sportverein ist für die Kinder in Marxloh besonders wichtig, denn viele von ihnen können in der Freizeit keinen solchen Club besuchen. „Etwa 96 Prozent der Kinder hier sind von Armut betroffen“, erklärt Kathrin Hölters. Vielen Familien fehle daher das Geld, um die Vereinsmitgliedschaft zu bezahlen.
Kinderarmut bedeutet besondere Herausforderungen für Kita in Duisburg-Marxloh
Den Kindergarten sieht die Leiterin daher als Möglichkeit, einen Ausgleich zu schaffen und möglichst allen Kindern soziale Teilhabe zu ermöglichen. „Armut betrifft Kinder immer direkt“, sagt die Kita-Leiterin. Aus welchen Verhältnissen die Kinder in Marxloh stammen, erkenne man oft auch im Alltag: „Man merkt, dass viele Kinder ihre Zeit fast nur im elterlichen Umfeld verbringen.“ Die Familien haben demnach häufig keine Chance, am Wochenende einen Ausflug zu unternehmen oder teure Freizeitangebote wahrzunehmen.
Vor diesem Hintergrund hat sich das Team vorgenommen, in Marxloh armutssensible Arbeit zu leisten. Dazu gehören natürlich die kostenlosen Sportangebote des Kindergartens. Doch auch bewusste Kommunikation mit den Kindern spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle: „Wir fragen die Kinder montags eben nicht, was sie am Wochenende Schönes gemacht haben, weil wir die Hintergründe kennen“, erläutert Hölters. Auch wenn ein Kind ein neues Kleidungsstück trägt, wird dies von den Erziehern meist nicht thematisiert. „Die anderen Kinder sollen sich dann nicht fragen, wann sie das letzte Mal etwas Neues bekommen haben.“
Beratungsangebote für Eltern sollen Bildungschancen fördern
Ein weiterer Bestandteil der armutssensiblen Arbeit sind umfassende Beratungsangebote für Eltern. Viele dieser regelmäßigen Angebote werden laut Kathrin Hölters sehr gut genutzt. „Es ist den Eltern wichtig, ihren Kindern gute Bildungschancen zu ermöglichen“, beobachtet sie. Die Zusammenarbeit mit den Eltern funktioniere in den meisten Fällen sehr gut. Auf diese Weise kann die Belegschaft gemeinsam mit den Eltern an ihrem großen Ziel arbeiten: „Wir versuchen, das Ungleichgewicht, das durch die Armut entsteht, ein bisschen auszugleichen und für mehr Chancengleichheit zu sorgen.“
>> JUNGEN UND MÄDCHEN AUS 18 HERKUNFTSLÄNDERN
● Die Weltkinder-Kita „Rudolfstraße“ (Gillhausenstraße 21) in Duisburg-Marxloh gehört zum ISS-Netzwerk, das in ganz NRW Kindertagesstätten betreibt. ISS legt nach eigenen Angaben besonderen Wert auf Interkulturalität und die Förderung von Mehrsprachigkeit bei Kindern.
● Aktuell besuchen 57 Kinder aus 18 Herkunftsländern die Weltkinder-Kita in Marxloh. Die Erzieherinnen und Erzieher sprechen neben Deutsch auch Französisch und Italienisch mit den Kindern.