Duisburg-Beeckerwerth. Als Rollstuhlfahrerin einen 400 Quadratmeter großen Garten pflegen? Ein Kleingartenverein in Duisburg und Beate Hoven machen vor, wie das geht.
Im Rollstuhl zu sitzen und einen 400 Quadratmeter großen Garten zu pflegen – ist das möglich? Beate Hoven (61) ist der Beweis dafür, dass man diesen Traum leben kann. Die Duisburgerin hat sich 2022 um eine Parzelle beim Kleingartenverein Am Wasserturm in Beeckerwerth beworben. Nach einigen Gesprächen stand für Vereinschef Dennis Holdschlag fest: „Geht nicht, gibt’s nicht!“
Alle Beteiligten hatten sofort Ideen, wie ein behindertengerechter Garten aussehen sollte. Doch nicht alles, was sinnvoll erscheint, ist auch erlaubt. Die Vorgaben der Gartenbauordnung der Stadt Duisburg wollen schließlich eingehalten werden. „Wir haben mit unserem Verband gecheckt, was möglich ist“, sagt Dennis Holdschlag, „und das ist eine Menge.“
KGV Am Wasserturm hat den ersten behindertengerechten Garten in Duisburg eingerichtet
Als Erstes wurde der gepflasterte Weg, der vom Gartentor bis zur Laube führt, verbreitert. Normal ist so ein Weg 80 cm breit, der in Beate Hovens Garten misst jetzt 1,20 Meter. So kann sie ihn bequem mit ihrem elektrischen Rollstuhl passieren. Die Terrasse am Häuschen ist größer als sonst üblich. „Damit ich mit meinem Rollstuhl wenden kann und einen sicheren Parkplatz für ihn habe. Er wiegt immerhin 250 Kilogramm“, sagt Beate Hoven. Wenn sie gärtnert, steigt sie in den deutlich kleineren und wendigeren Aktivrollstuhl um.
Hochbeete sorgen dafür, dass die Hobbygärtnerin bequemer pflanzen und pflegen kann. Damit sie in den Ackerbereich fahren kann, wurden ein Meter breite Gummimatten ausgelegt. „Ich werde im Herbst versuchen, sie zu begrünen. Das sieht schöner aus“, plant Beate Hoven. Und damit sie besser an ihre Gerätschaften kommt, stehen die auf einer kleinen provisorischen Mauer.
Chihuahua-Mix Candy hebt für Frauchen heruntergefallene Dinge auf
Hilfe bekommt die Duisburgerin von Freundinnen und ihrer Schwester. „Meistens haben wir hier Frauenpower“, lacht sie. Nicht von ihrer Seite weicht Chihuahua-Mix Candy. Man könnte meinen, der kleine, quirlige Vierbeiner wäre ein ausgebildeter Begleithund. Denn fällt Frauchen etwas herunter, hebt Candy das Teil mit der Schnauze auf, schüttelt es ein paarmal hin und her, bevor er es zurückgibt. Vor allem praktisch, wenn die Handschuhe in der Erde landen. „Das hat er sich selbst beigebracht. Er schüttelt alles, weil er mir sagen will: ,Spiel mit mir!’“
In den Garten hat sich Beate Hoven sofort verliebt, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hat. „Nur die Laube war ein Überraschungsei. Die konnte ich nicht besichtigen, weil ich mit meinem Rollstuhl nicht bis dahin gekommen bin. Ich wäre in der Erde versackt“, berichtet sie. Also mussten Fotos reichen. Die Laube ist der 61-Jährigen momentan auch nicht so wichtig. „Ich möchte mein Leben nach draußen verlegen und die Natur genießen. Die Laube wird mein Herbst-Projekt.“
Der KGV Am Wasserturm hat neue Maßstäbe gesetzt. Ein Garten, speziell auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern ausgerichtet, das gab es in Duisburg bisher nicht. „Aber einer muss mal damit anfangen“, sagt Dennis Holdschlag. Und Beate Hoven ergänzt: „Es geht ja nicht nur um Behinderte, sondern auch um alte Menschen. Ich denke an Senioren, deren Knie beim Bücken nicht mehr mitspielen oder die nicht mehr ohne Rollator laufen können.“
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Doch mit dem Umbau des Gartens ist es nicht getan. Vereinsheim und Toilette sind alles andere als behindertengerecht. „Da hat man sich 1961 noch keine Gedanken drüber gemacht“, sagt Dennis Holdschlag. Die Situation zu verbessern, ist eine Frage des Geldes. Allein die Toilette würde 40.000 Euro kosten. Der Verein versucht gerade, einen Fördertopf des Landes NRW anzuzapfen, und auch der Verband guckt, was möglich ist.
Bis die Finanzierung geklärt ist, behilft sich Beate Hoven mit einer mobilen Rampe. „Wir überlegen aber auch, als Zwischenlösung einen barrierefreien Toilettencontainer zu kaufen. Der kostet zwischen 5000 und 8000 Euro und wäre innerhalb von zwei Wochen lieferbar“, so Dennis Holdschlag. Für Beate Hoven mindern diese Hemmnisse nicht den Spaß an ihrem neuen Garten: „Ich komme mit der provisorischen Lösung gut klar. Mein Garten bedeutet für mich 365 Tage Urlaub im Jahr. Ich liebe es, die Erde zu riechen, zu pflanzen. Und ich freue mich, wenn etwas sprießt.“
>> Rachitis und schwere Rückgratverkrümmung zwingen die Duisburgerin in den Rollstuhl
- Beate Hoven ist seit 1999 auf den Rollstuhl angewiesen. Vorher konnte sie sich mit Hilfe von Krücken fortbewegen. Wegen einer Rachitis in der frühen Kindheit sind ihre Knochen weich. Außerdem leidet sie an einer schweren Rückgratverkrümmung.
- Bis der Real-Markt in Großenbaum 2020 geschlossen wurde, arbeitete Beate Hoven dort als Verwaltungsangestellte. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, würde sie gerne wieder arbeiten gehen.
- Die 61-Jährige ist auch sportlich aktiv. Sie schießt beim Schützenverein SV Neukirchen 06 und hat schon erfolgreich an einer Deutschen Meisterschaft teilgenommen.