Duisburg-Walsum. Die Duisburger Großgemeinde St. Dionysius gibt mehrere Kirchen auf. Pfarrer Knoor erklärt, wie das Gemeindeleben in Walsum künftig aussehen soll.
Die Walsumer Katholiken wollen das Gemeindeleben in allen Stadtteilen erhalten – auch ohne vier Kirchen , die laut „Standort- und Immobilienkonzept“ der Pfarrei St. Dionysius in den kommenden Jahren aufgegeben oder umgenutzt werden. In allen sechs Teilgemeinden soll weiterhin Raum für gemeinsame Aktivitäten, aber auch für Gottesdienste sein. Aber, so sagt Pfarrer Werner Knoor: „Es muss sich etwas verändern.“
Knoor betont, der Ur-Impuls zur Neuordnung sei aus der Gemeinde selbst gekommen – im Gegensatz zu anderen Kirchenschließungen im Duisburger Norden, die auf Sparvorgaben des Bistums Essen beruhen. Die Walsumer gehören dagegen zum Bistum Münster. Auch in Münster schaue man aufs Geld, sagt der Pfarrer, doch seien die im Konzept festgelegten Maßnahmen vor allem eine Reaktion auf die sinkende Zahl der Kirchgänger und Ehrenamtlichen.
In Walsumer Kirche passen 500 Gläubige – es kommen nur noch 60
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„Weniger als vier Prozent der Gemeindemitglieder besuchen noch die Kirche“, sagt Knoor. Das zeige sich besonders deutlich bei Gottesdiensten in St. Josef: In dieser großen, 500 Menschen fassenden Kirche säßen sonntags kaum mehr als 60 Gläubige. Gleichzeitig werde es immer schwieriger, Nachwuchs für Ehrenämter zu gewinnen, vor allem für die Arbeit im Kirchenvorstand. Dessen Altersdurchschnitt sei bereits sehr hoch: „Irgendwann hören die alle auf, und dann verlieren wir sehr viel Wissen und Kompetenz“, befürchtet der Geistliche.
So sei aus dem Verantwortungsbewusstsein der Gemeindeleitung der Plan entstanden, die katholische Kirche in Walsum für die Zukunft neu aufzustellen – solange dieses Wissen noch genutzt werden kann. „2021 werden neue Kirchenvorstände gewählt. Da ist ein kleiner Umbruch zu erwarten“, erklärt Knoor, „und damit wollen wir die neue Generation nicht alleine lassen.“ Geld spiele insofern eine Rolle, dass mit der auch in Walsum sinkenden Zahl von Gemeindemitgliedern weniger Finanzmittel aus Münster zur Verfügung stünden. Dennoch sagt Knoor: „Die Pfarrei ist gesund. Wir sind weder arm, noch reich.“
Schon vor zweieinhalb Jahren habe man aus diesen Gründen begonnen, sich mit der Neugestaltung und Verkleinerung der sechs Walsumer Kirchorte zu befassen. Kirchenvorstand, Pfarreirat und Seelsorgeteam trugen zu jedem Standort Fakten zusammen, um darauf aufbauend Maßnahmen zu entwickeln. Unterstützung gab es von Experten des Bistums und aus anderen Pfarreien. Der Spagat, den es zu meistern galt und gilt, so Knoor: „Es ist ein Konzept für ganz Walsum, nicht nur für einen Kirchturm. Es ist klar, dass wir uns von Gebäuden trennen müssen. Wir wollen aber unbedingt rund um jeden Kirchturm kirchliches Leben erhalten.“
Pfarrkirche St. Dionysius in Alt-Walsum stand nicht zur Disposition
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Die Arbeit sei produktiv gewesen, wenngleich nicht immer harmonisch. „Natürlich wurde da gerungen“, sagt der Pfarrer. „Kirchenstandorte sind ein ganz sensibles Thema, vor allem, wenn Menschen da seit ihrer Kindheit hingehen.“ Deshalb sei auch jetzt, wo das Konzept vorliegt, bei vielen eine gewisse Traurigkeit da. Doch Knoor glaubt auch: „Wir haben in den kommenden Jahren die Möglichkeit, ganz viel zu gestalten.“
Und so habe auch die Gemeinde „mit viel Realismus“ reagiert, als ihr im Mai dieses Jahres die Ergebnisse präsentiert wurden: „Auch, wenn es schmerzhaft ist, haben die Leute gemerkt, dass sich viele Gedanken gemacht wurden.“ Und der Denkprozess soll noch nicht abgeschlossen sein, betont Knoor: „Das Konzept ist nichts endgültiges, sondern wird im Laufe der nächsten Jahre weiter ausgestaltet.“
Entsprechend enthält das Papier noch einige offene Punkte. Zu diesen gehört nicht der Erhalt der Pfarrkirche St. Dionysius in Alt-Walsum, die nie zur Disposition stand. Knoor: „Sie ist die älteste Kirche der Gemeinde und wurde bereits aufwendig renoviert.“ Im benachbarten Pfarrheim soll die Teestube im oberen Bereich neu gestaltet werden. Denkbar seien ein Atelier oder eine „Einsiedelei auf Zeit“, wie der Pfarrer es ausdrückt, „ein Ort, an dem sich Menschen eine Weile zurückziehen können“. Diesen Ort könnten auch Menschen nutzen, die nicht zur Gemeinde gehören.
Bistum Münster will Renovierung von St. Ludgerus nicht finanzieren
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In Overbruch wird sich die Gemeinde dagegen verkleinern. Das Pfarrheim wird aufgegeben und auch die Kirche Herz Jesu nicht mehr in Gänze genutzt. „Ein Teil davon soll aber Kirche bleiben“, sagt Knoor – das Konzept sieht einen sakralen Raum innerhalb des Gebäudes vor. Der Standort soll zu einem „christlichen Knotenpunkt“ werden, mit einem verkleinerten Gemeindeheim, das in der Kirche selbst oder als Anbau entstehen könnte. Auch umliegende Einrichtungen wie der katholische Kindergarten sollen in diesen Knotenpunkt integriert werden.
Ganz trennen wird man sich dagegen von der Kirche St. Elisabeth in Vierlinden. „Ein paar Gebäude müssen wir einfach loswerden“, sagt Knoor, der aber auch betont, dass der Sakralbau nur verkauft werde, wenn die Folgenutzung „unserem christlichen Menschenbild“ entspricht. Eine Vermietung sei prinzipiell auch denkbar, allerdings sei zu bezweifeln, dass ein Mieter die für seine Bedürfnisse nötigen Umbauten finanzieren würde. Das Pfarrheim dagegen soll der Gemeinde erhalten bleiben und auch für Gottesdienste genutzt werden. Die oberen Räume des Pfarrheims will die Gemeinde neu gestalten.
Auch die Kirche St. Ludgerus in Aldenrade wird nicht gehalten. Das Gebäude ist renovierungsbedürftig; das Bistum wird dafür jedoch kein Geld zur Verfügung stellen. Eine Machbarkeitsstudie soll die Möglichkeiten auf dem Gelände prüfen. Auch hier sieht das Konzept vor, „christliches Leben in vielfältiger Form zu erhalten“. Wohnraum für junge Familien, Bildungsangebote – es gibt Ideen, „aber es wird Jahre dauern, bis die umsetzbar sind“, so Knoor. Außerdem soll bestenfalls die Kita an die Kirche umsiedeln und auch hier ein neuer sakraler Raum entstehen. „Es soll ein schöner Ort für Aldenrade werden“, sagt der Pfarrer.
Duisburger Pfarrer: „Kirche muss sich auf das Leben einlassen“
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Die einfachste Lösung fand sich für St. Juliana in Wehofen. Die Kirche wurde bislang von der polnischen Mission als Gast genutzt, künftig sind die Verhältnisse umgekehrt: Die polnischen Christen übernehmen die Kirche, die dann von der Walsumer Gemeinde im Gaststatus genutzt werden kann.
Als besonders schmerzhaft empfindet Knoor die Aufgabe von St. Josef, „dieser Riesenkirche, mit so viel Geschichte dran.“ Man wolle aber auch hier sicherstellen, dass Gemeinde und Stadtteil von einer Folgenutzung profitieren. Das Konzept bringt Wohnraum für sozial Bedürftige oder Mütter mit Kindern ins Spiel. Es liegt aber auch die Anfrage einer Kunststiftung vor. „Das wäre der Knaller für Walsum“, sagt Knoor. Diese Möglichkeit werde auf ihre Realisierbarkeit geprüft. Das Pfarrheim soll erhalten bleiben; dort könnten in Zukunft auch Gottesdienste stattfinden.
Mit diesen Ideen sieht Knoor seine Gemeinde für die Zukunft gerüstet. Er glaubt aber auch, dass die Zahl der Kirchgänger und Ehrenamtlichen weiter abnehmen wird: „Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten.“ Um dennoch neue Menschen zu erreichen, sei es wichtig, dass sich Kirche „auf das Leben einlässt“. Am Friedrich-Ebert-Platz soll bald der neue Kirchenladen „B8lich“ samt Café eröffnen: „Eine Chance für die ganze Pfarrei.“