Duisburg. Jörg Weißmann vom Heimatverein Hamborn führte über den jüdischen Friedhof in Röttgersbach. Dabei ging es auch um die Schicksale jüdischer Bürger.
Trotz des trüben Novembertages haben sich rund 20 Interessenten zum Jüdischen Friedhof in Röttgersbach gekommen. Dorthin eingeladen hatte jetzt der Hamborner Heimatverein, wo dessen Vorsitzende, Jörg Weißmann, einen historischen Rundgang anbot. Dabei ging es nicht nur um den Friedhof am Koenzgenplatz, sondern vor allem um die Geschichten der Menschen, die dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben – viele von ihnen wurden Opfer von örtlichen Nazis.
Bereits 1899 gründeten die im Hamborner Raum lebenden Juden einen eigenen Synagogenverein. Damit wollten sie sich von der jüdischen Gemeinde im benachbarten Oberhausen-Holten lösen. Bis um 1900 wurden die Hamborner Juden auf dem Holtener Friedhof beigesetzt, danach einige Jahre auf dem evangelischen Friedhof in Beeck. Schließlich wurde 1925 der jüdische Friedhof in Röttgersbach angelegt und bis 1956 genutzt.
Viele Erinnerungen an die Nazi-Verbrechen
Doch die Besucher erfuhren durch den Heimatverein noch viel mehr. Denn ein Rundgang über diese Begräbnisstätte erinnert auch immer an das düstere Kapitel deutscher Geschichte während der Nazi-Zeit. Dies machte Jörg Weißmann an dem Schicksal zahlreicher Hamborner Juden mit Fakten und Fotos deutlich – etwa vom sogenannten Judenumzug, als kurz nach der Machtergreifung Juden durch die Straßen Marxlohs getrieben wurden.
Zudem sprach der Fachmann über die Anfänge jüdischen Lebens in Hamborn: Im damals dörflich geprägten Hamborn hat es demnach lange keine Juden gegeben, aber „1893 siedelte sich der Klempner Isaac Aaron an und war somit dort der erste ansässige Jude.“
Hetz-Kampagnen schufen ein hasserfülltes Klima im Duisburger Norden
Das erste Begräbnis auf dem Friedhof der Hamborner Synagogengemeinde habe im Februar 1925 stattgefunden; beigesetzt wurde Ludwig Gottlieb. Mit seiner Frau Paula hatte er in Hamborn einen Papierwarenladen betrieben. Sohn Heinz-Harry übernahm den Laden, wanderte aber nach mutwilligen Zerstörungen der Wohn- und Geschäftsräume 1938 in die USA aus.
Wie perfide Menschen von den Nazis drangsaliert wurden, zeigt das Beispiel von Dr. Wilhelm Katz: „Katz war ein angesehener Frauenarzt in Marxloh, der 1933 Berufsverbot erhielt. Damit war seiner Familie die Existenzgrundlage entzogen,“ so Weißmann. Zudem habe das Nazi-Blatt „Der Stürmer“ gegen ihn eine Hetz-Kampagne entfacht, die den Gynäkologen in Verbindung zu Kommunisten brachte. „Katz ging daran seelisch zugrunde und verstarb völlig verzweifelt relativ früh.“
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Die Nationalsozialisten rückten jüdische Bürger immer wieder in die Nähe von Bolschewiken, Marxisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, um so ein Klima von Hass zu erzeugen. Diese bewusst geschürte antijüdische Stimmung führte dazu, dass der Hamborner Kaufmann Siegmund Neustädter eines der ersten Opfer dieser Hass-Kampagne wurde. Bereits 1933 wurde er von einem Hitler-Jungen, der sein Schaufenster mit dem Schriftzug „Nicht bei Juden kaufen“ beschmierte, in den Magen getreten und verprügelt. An den Folgen dieser Attacke starb der Kaufmann.
Der Rundgang räumte mit einem Klischee auf
Synagoge der Hamborner Gemeinde wurde zerstört
In Hamborn gab es seit 1905 eine jüdische Gemeinde, die schnell anwuchs und ihren Zenit Ende der 1920er Jahre mit mehr als 800 Mitgliedern erreichte. Deren Synagoge stand in der Kaiser-Friedrich-Straße und wurde bei den Pogromen 1938 zerstört, obwohl sie wenige Tage zuvor in „arischen“ Besitz übergegangen war.
Aktuell besteht die gemeinsame Jüdische Gemeinde für Duisburg, Oberhausen und Mülheim aus gut 2500 Mitgliedern.
Mit einem Klischee räumte Jörg Weißmann allerdings auf: „Juden waren nicht vornehmlich Kaufleute und Händler, wie immer wieder behauptet wird. Im Zuge der Industrialisierung zogen viele Juden aus Osteuropa nach Hamborn, um hier zu malochen.“
Die Teilnehmer der Friedhofsführung waren stark beeindruckt, darunter Wolfgang Westhoff: „Das war alles sehr informativ, aber auch tief bewegend. Die Erinnerung aufrecht zu erhalten, ist schon wichtig.“