Röttgersbach. . Der Heimatverein Hamborn führte interessierte Bürger über den jüdischen Friedhof in Röttgersbach. Unter den Grabsteinen dort ruhen große Schicksale.

Der Heimatverein Hamborn, vertreten durch seinen Vorsitzenden Jörg Weißmann, veranstaltete am 12. Oktober eine Führung über den jüdischen Friedhof in Röttgersbach – verbunden mit einem historischen Streifzug durch die Geschichte der Hamborner Synagogengemeinde.

Der Vorsitzende des Heimatvereins Hamborn hielt an Gräbern inne.

Weißmann fügte anhand der Schilderung von Lebensgeschichten jener Hamborner, die dort begraben liegen, fragmentarisch die Geschichte der Synagogengemeinde Hamborn zusammen. So am Grab des in Holten geborenen Isaac Aaron, der im Jahr 1893 durch Zuzug zum ersten Hamborner jüdischen Glaubens wurde.

Die Hamborner Jüdische Gemeinde wuchs in der Folge bis zur brutalen Heimsuchung durch die Schergen des NS-Regimes auf 800 Mitglieder an. Prägender Kopf des jüdischen Bürgertums in Hamborn war Gustav Marburger, langjähriger Vorsitzender der Hamborner Synagogengemeinde.

Er war es, der 1904 gemeinsam mit anderen jüdischen Bürgern die Hamborner Synagoge gegenüber der neuen Evangelischen Kreuzeskirche begründete.

Säulen der Stadtgesellschaft

„Marburger und seine Ehefrau Johanna waren tragende Säulen des gesellschaftlichen Lebens in Hamborn“, sagt Jörg Weißmann, „sie hielten Literaturabende ab und waren in der bildenden Kunst aktiv.“ Außerdem gründete Marburger mit anderen sportbegeisterten Hambornern im Jahre 1926 den Sportverein Bar Kochba – drei Jahre, bevor in Duisburg der erste jüdische Sportverein gegründet wurde.

Am Grabmal für den Marxloher Arzt Wilhelm Katz verweilten Weißmann und seine Begleiter ebenfalls. Der beliebte und fähige Hamborner Mediziner kam nie darüber hinweg, dass ihm 1933 durch das Nazi-Regime die Berufsausübung verboten wurde. Nach drei Jahren couragierten, zivilen Eintretens für seine Bürgerrechte starb Katz im Jahre 1936 und wurde im Röttgersbach begraben.

Wie tief die Heimatverbundenheit der Hamborner jüdischen Glaubens war, mag auch die Geschichte des Ehepaares Marburger belegen. Gustav Marburger starb 1936 eines natürlichen Todes. Seine Frau Johanna wurde im Vernichtungslager Bergen Belsen 1944 von den Nazis ermordet. Doch war es der Familie wichtig, dass ihr Grabstein nach Hamborn kam. Sie ruht neben ihrem Mann.

Die letzte Beerdigung auf dem mittlerweile denkmalgeschützten Friedhof fand im Jahre 1948 statt: „Als einer von zwei Brüdern verstarb, die beide wie durch ein Wunder das KZ Theresienstadt überlebt hatten“, sagt Weißmann, „da war es seinem Bruder wichtig, dass der Tote trotz des erlebten Grauens in seiner Heimat begraben wird. In Hamborn.“

Kommentar: Mahnung an Politik und Bürger 

Wenn Jörg Weißmann heutzutage Mitglieder des Heimatvereins Hamborn und ihre Gäste über den alten jüdischen Friedhof im Röttgersbach führt, ihnen die oft tragischen Schicksale der dort ruhenden Hamborner Bürger erzählt, dann ist dies in unseren Zeiten hier im Duisburger Norden weit mehr als ein Exkurs in die Geschichte.

Was vielen, die dort liegen, widerfahren ist, kann, sollte, ja muss uns gerade heute wieder Mahnung sein. Wie schnell kann doch eine bürgerlich geprägte Gesellschaft in Abgründe von Intoleranz, Ignoranz und Hass abdriften.

Alltagsrassismus gehört leider ebenso zum Straßenbild wie der Müll, der sich in einigen Straßen häuft. Da sind Muslime – gerade auch im konservativen Spektrum – die voller antijüdischer Vorurteile sind. Diese fallen bei Mitbürgern mit dem „Wir-haben-uns-doch-lange-genug-entschuldigt“-Komplex freilich auf modrig-faulenden Nährboden.

Muslime wiederum beklagen sicher zu Recht, sie würden in Zeiten von IS-Terror, Vahabismus und oder Salafismus allzu schnell unter Generalverdacht gestellt.

Eine Volksgruppe freilich, ist Projektionsfläche für Vorurteile aus allen Richtungen. OB Sören Link nannte sie Südosteuropäer, die er gerne im Verhältnis eins zu zwei gegen Syrer tauschen würde.

Er meinte damit die Roma.

Sich selbst zu hinterfragen, wie man es denn mit der Menschenwürde dieser Mitmenschen hält, täte auch jenen gut, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Problemimmobilien und deren Umfeld im Duisburger Norden mittel- und langfristig zu befrieden.

In den nächsten Ausgaben dieser Zeitung werden wir ausführlich auf Hintergründe, Umstände und Auswirkungen einer neuen „Problemhaus-Strategie“ der Stadt eingehen, die derzeit bereits angewendet wird und hoch umstritten ist.

Den berechtigten Wunsch alteingesessener Bürger, in einem ordentlichen Umfeld zu wohnen, wird die Redaktion dabei ebenso respektieren, wie das Grundrecht aller Menschen, dass ihre Menschenwürde unangetastet bleibe.