Röttgersbach. Die Bezirksvertretung Hamborn hat den alten jüdischen Friedhof an der Mattlerstraße jetzt unter Denkmalschutz gestellt. Wir schildern die Schicksale einiger Verstorbener.
Friedhöfe stimmen immer nachdenklich, auch wenn sie, wie der alte jüdische Friedhof an der Mattlerstraße, an diesem Tag in das milde Licht der Abendsonne getaucht sind.
Eine einsame Birke überragt das rund 2000 Quadratmeter große Areal. Fünf Reihen mit Gräbern gibt es hier, eingefriedet von einer Ziegelsteinmauer und einer Hecke. Die Stadt hat ihn jetzt in die Denkmalliste eingetragen.
Hier, im Niemandsland zwischen Wehofen, Röttgersbach und Oberhausen-Holten, wird man nicht nur mit „normalen“ Lebensschicksalen konfrontiert, sondern auch mit den Schicksalen derjenigen Duisburger Bürger, denen zwischen 1933 und 1945 von Amts wegen das Leben zur Hölle gemacht wurde, weil sie eben Juden waren.
Klempner Isaac Aaron kam 1893
Dabei hatte es im dörflichen Hamborn lange gar keine Juden gegeben. Der Klempnermeister Isaak Aaron (1845 bis 1933) aus Holten hatte sich 1893 in Hamborn als erster Jude niedergelassener. Seine Frau Ricka (1845 bis 1915) liegt hier begraben. Sie muss aber umgebettet worden sein. Denn der Friedhof wurde erst 1925 angelegt. Bis dahin wurden die Hamborner Juden auf dem jüdischen Friedhof in Holten beigesetzt.
Das erste Grab nahm am 28. Februar 1925 die sterblichen Überresten von Ludwig Gottlieb (Jahrgang 1872) auf. Ein einfacher liegender, rechteckiger Stein ziert es. Gottlieb war 1902 aus dem Saargebiet nach Hamborn gekommen und führte hier mit Ehefrau Paula eine Papierwarenhandlung. 1936 übernahm sie der einzige Sohn Heinz-Harry. Aber zwei Jahre später plünderten und zerstörten die Nazis Geschäft und Wohnung. Gottlieb junior emigrierte in die USA. Drei seiner vier Schwestern überlebten das Dritte Reich nicht.
Vogelgezwitscher reißt den Friedhofsbesucher aus seinen Gedanken über die Schicksale. Aber die Idylle des kleinen Friedhofs mit seinen 49 Grabstätten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass fast alle Gräber hier von furchtbaren Schicksalen zeugen.
Der Blick fällt auf den Grabstein von Dr. Wilhelm Katz (1896 bis 1936). Der Hamborner Heimatforscher Hans-Joachim Meyer hat sich mit ihm beschäftigt. „Dr. Katz“, berichtet er, „war ein überaus beliebter Frauenarzt.“ Aber die Nazis erteilten ihm 1933 Berufsverbot. Das entzog ihm die Existenzgrundlage. Das Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ hatte eine Kampagne gegen ihn gestartet. Man warf ihm unter anderem kommunistische Tendenzen vor. Die Gestapo nahm ihn in Schutzhaft und misshandelte ihn. „Nachgewiesen wurden all die Vorwürfe nicht“, sagt Meyer, der viele Akten gewälzt hatte. Dr. Katz ging an diesen Zumutungen zugrunde.
Von den Nazis aufgegriffen
Ein Schmuckstück ist der gepflegte Grabstein der Familie des Kaufmanns Gustav Marburger (1861 bis 1936). Er lebte seit 1900 mit seiner Familie in Bruckhausen, war lange Vorsitzender der Synagogengemeinde Hamborn. Seine Frau Johanna, Jahrgang 1867, stand seit 1903 dem Jüdischen Frauenverein vor. 1938 emigrierte sie nach Holland, wurde dort aber von den Nazis aufgegriffen und starb im Juni 1944 im KZ Bergen-Belsen. So erging es auch ihrer Tochter Grete (Jahrgang 1896) und deren Mann Alfred Weihl (Jahrgang 1892) im KZ Auschwitz. Auch deren gemeinsamer Sohn Walter überlebte die Nazizeit nicht. Nur Marburgers Tochter Amalie war durch Flucht nach England der Nazi-Barbarei entronnen.
Ob ihre Namen auf dem Grabstein von Gustav Marburger nur an sie erinnern sollen, ist unklar. Fest steht, dass aber auch Urnen von KZ-Opfern an der Mattlerstraße beigesetzt sind. Ob diese darunter sind, ist nicht bekannt.