Marxloh/Alt-Hamborn/Neumühl. . Am 10. November 1938 zündeten Nazis das kleine Gebetshaus an der Kaiser-Friedrich-Straße an. Seit 30 Jahren gibt es eine Gedenktafel.
Seit 30 Jahren erinnert eine Gedenktafel gegenüber der Marxloher Kreuzeskirche an die ehemalige Jüdische Gemeinde. Sie hatte dort von 1905 bis 1938 ihren Gebetsraum. Vor 80 Jahren, am 10. November 1938, brannten Nazis das kleine Haus, in dem sich die Synagoge befand, nieder. Sie hatten geglaubt, das Gebäude gehöre der Gemeinde. Ein Irrtum, wie der Marxloher Heimatforscher und Buchautor Hans-Joachim Meyer berichtet: Das Haus gehörte damals der Familie Schulte-Marxloh.
Auf den jüdischen Spuren in Hamborn
Das jüdische Leben in Marxloh endete mit diesem Anschlag abrupt. Hans-Joachim Meyer hat bei seinen Recherchen für sein Buch „Das Rezept“, in dem er sich mit den „jüdischen Spuren“ in Hamborn befasst, herausgefunden, dass der Überfall auf das Gebetshaus in Marxloh von langer Hand geplant war.
Im Laufe des Morgens war die Feuerwehr angerückt und hatte schon Schläuche verlegt – offenbar wissend, dass ein Anschlag verübt werden sollte. So war man gewappnet, um den Übergriff der Flammen auf die Gebäude in der Nachbarschaft zu verhindern.
Schaulustige drängten zur brennenden Synagoge
Als Leute in SA-Uniform das Gebäude später in Brand gesetzt hatten, seien viele Menschen zum Gaffen gekommen, darunter auch ganze Schulklassen, berichtet der Autor.
Die Kirchengemeinde Obermarxloh (heute: Evangelische Bonhoeffer-Gemeinde Marxloh-Obermarxloh) beschloss zusammen mit der katholischen Gemeinde Duisburg-Nord im Jahre 1988, also 50 Jahre nach dem Brandanschlag auf das jüdische Gebetshaus, eine Gedenktafel zu installieren. Sie befestigte sie an dem Haus, das heute dort steht, wo sich früher die Synagoge befand – Kaiser-Friedrich-Straße 33.
Überschrieben ist die Gedenktafel, auf der zwei Davidsterne und ein siebenarmiger Leuchter abgebildet sind, mit folgenden Zeilen:
„Vergessen hält die Erlösung auf, Erinnerung bringt sie näher.“
Ferner ist zu lesen:
„Wir erinnern an die Hamborner Jüdische Gemeinde, die von 1905 bis 1938 an dieser Stelle ihre Synagoge hatte.
Am 10. November 1938 wurden jüdische Wohnungen und Geschäfte zerstört und die Synagoge niedergebrannt.
Wir denken mit Scham an diesen Tag, als jüdische Bürger vor aller Augen gedemütigt und gequält wurden.
Dieses Geschehen mahnt uns zur Umkehr.“
Bereitschaft zur Versöhnung, nicht zum Vergessen
Das kleine Haus hatte ursprünglich die Evangelische Gemeinde Beeck gemietet, zu der damals auch Marxloh und Obermarxloh zählten. Sie hielt in dem Wohnhaus Gottesdienste ab. Als Marxloh 1905 eine selbstständige Kirchengemeinde wurde – die neugebaute Kreuzeskirche war in dem Jahr eröffnet worden – übernahm die jüdische Gemeinde den Mietvertrag mit dem Bauern Schulte-Marxloh. Die alte Einrichtung der Evangelischen Gemeinde sei erhalten geblieben – bis zu dem Brand. Das geht aus einer Informationsschrift hervor, die 1988 anlässlich der Einweihung der Gedenktafel veröffentlicht worden war.
„Dass es so lange gedauert hat [gemeint ist die Anbringung der Gedenktafel, Anm. d. Red.], ist sicher kein Zufall: Wir Deutschen tun uns schwer mit diesen Erinnerungen. Jüdische Mitbürger, die uns erinnern könnten, leben nicht mehr unter uns“, heißt es in dem Informationsblatt der Evangelischen Kirche weiter. „Einige jüdische Bürger, die heute in Israel leben, sind zu der Gedenkstunde eingeladen“, hieß es weiter. „Es wird ihnen nicht leicht fallen, daran teilzunehmen. Dass sie es trotzdem tun wollen, zeigt ihre Bereitschaft zur Versöhnung – nicht zum Vergessen!“
Die Jüdische Gemeinde wuchs rasch
1893 siedelte erstmals ein jüdischer Bürger aus der Synagogengemeinde Holten nach Hamborn über, berichtet Hans-Joachim Meyer in seinem Buch über das jüdische Leben in Hamborn. Es war der damals 48-jährige Isaak Aaron. Er eröffnete an der Gottliebstraße ein Installationsgeschäft.
Sechs Jahre später war die Jüdische Gemeinde Hamborn bereits auf 51 Personen angewachsen. 1905 übernahm sie an der Kaiser-Friedrich-Straße 33 die einstige evangelische Notkirche und richtete dort ihre kleine Synagoge ein.
1937 erfolgte der Zusammenschluss mit Ruhrort und Duisburg
1928 zählte die Jüdische Gemeinde rund 770 Mitglieder, der Rechtsanwalt und Notar Max Löwenstein wurde 1933 deren Vorsitzender. 1937 schlossen sich die Hamborner mit Ruhrort und Duisburg zusammen. Die jüdische Großgemeinde hatte damals 1457 Mitglieder.
Zahlreiche Stolpersteine im Bezirk Hamborn erinnern an das einstige jüdische Leben im Stadtteil.
Dankesbrief von Ex-Bundespräsident Horst Köhler
Hans-Jochim Meyer hatte ein Exemplar seines Buches „Das Rezept“ kurz nach Erscheinen an den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler geschickt.
Köhler bedankte sich persönlich in einem Schreiben auf dem offiziellen Briefpapier des Bundespräsidenten für das Werk: „Ich bin froh über Bücher wie dieses, die uns einen Einblick gewähren in die konkreten Lebensumstände jüdischer Mitbürger in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie helfen, die Erinnerung wach zu halten an die Verbrechen in jener Zeit und an all die Menschen, die ihnen zum Opfer gefallen sind. Ihr Horst Köhler.“
1938 wurden Geschäfte zerstört und geplündert
In Hamborn sind in der Reichspogromnacht (9. auf den 10. November 1938) zahlreiche jüdische Geschäfte überfallen, zerstört und geplündert worden.
Darunter befanden sich laut Hans-Joachim Meyer das Marxloher Textilhaus Erich Brandt an der Weseler Straße/Ecke Wiesenstraße, das Alt-Hamborner Textilhaus Berger & Co an der Jägerstraße und das Textilhaus Mühlstein an der Neumühler Lehrerstraße.