Der Duisburger Heimatforscher Hans-Joachim Meyer (im Bild) ist derzeit damit beschäftigt, in seinem Hamborner Verlag ein Buch über die medizinische Versorgung von Juden im Dritten Reich zu publizieren.
1941, Mülheimer Straße 81. Dr. Alfred „Israel” Wolf ist hier „zur ärztlichen Behandlung ausschließlich von Juden berechtigt”. Das alte Türschild mit dem Davidstern an dem noblen Jugendstil-Haus zwischen Bechem- und Keetmannstraße gibt es schon lange nicht mehr. Dr. Wolf wurde 1944 zusammen mit seiner Frau Käthe Wolf von den Nazis in Auschwitz ermordet. Der Duisburger Heimatforscher Hans-Joachim Meyer ist derzeit damit beschäftigt, in seinem Hamborner Verlag ein Buch über die medizinische Versorgung von Juden im Dritten Reich zu publizieren.
Bei den aufwändigen Recherchen half ihm ein Arztrezept, das Alfred Wolf am 30. Januar 1940 für die Duisserner Familie Lauter ausgestellt hatte und offenbar viele Jahrzehnte in einer Schublade der – noch heute existierenden – Schiller-Apotheke von Eugen Höveler an der Kardinal-Galen-Straße schlummerte. Dort und nur dort durften jüdische Bürger täglich zwischen 9 und 10 Uhr ihre Arzneien kaufen.
Hans-Joachim Meyer: „Das Rezept war Auslöser umfangreicher Recherchen in zahlreichen Archiven, Instituten und in Privatarchiven. Apotheker Eugen Höveler bewahrte diesen kleinen Zettel all die Jahre sorgsam in seinem Schreibtisch auf, um dieses Zeitdokumen für die Nachwelt zu bewahren, ein Dokument aus der dunkelsten Epoche der Deutschen Geschichte.” So glaubt Meyer, dass Höveler mit diesem Dokument die Erinnerung an den jüdischen Arzt Dr. Alfred Wolf und die Familie Lauter wach halten wollte.
Wie Meyer betont, sei das vergilbte Rezept nur durch einen seltsamen Zufall in seine Hände geraten. Schnell habe er erkannt, dass die Schicksale, die mit dieser Arznei-Verordnung verbunden waren, in Form eines Buches aufgearbeitet werden müssen.
Alfred Wolf, am 24. März 1899 in Holten geboren, promovierte in Köln und kam 1930 nach Hamborn. Er ließ sich als praktischer Arzt auf der Weseler Straße 36 nieder. 1932 heiratete er Käthe, geborene Berlin. Doch dann übernahmen die Nazis die Macht und 1938 erfolgte die Zwangsumbenennung in jüdische Krankenbehandler. Wolf musste in seine neue Praxis zur Mülheimer Straße ziehen. 1940 stellte er noch einen Ausreiseantrag, doch 1942 wurde er mit seiner Frau deportiert und am 19. Oktober 1944 ermordet.
Das von ihm ausgestellte Rezept für Erich Lauter, dem Sohn von Theodor und Amalie Lauter, den Miteigentümern der später von Helmut Horten weiter geführten Kaufhaus-Geschäfte Alsberg, war für ein Hustenblocker-Medikament ausgestellt. Und Hövelers Apotheke an der Kardinal-Galen-Straße war die Adresse, um dieses Rezept einzulösen.
Der 1903 in Bremen geborene Apotheker übernahm die damalige Hindenburg-Apotheke 1933. Laut Hans-Joachim Meyer, der bei seinen Untersuchungen auch mit dessen Sohn Herbert Höveler korresponierte, habe sich der Apotheker gegenüber jüdischen Kunden „hilfsbereit” gezeigt und auch „mutig gegen die Anordungen des Regimes gehandelt”. So durften in seiner Apotheke auch Juden telefonieren. Nach einem Erlass des Reichspostministers waren 1940 alle von Juden benutzen Fernsprechanschlüsse gekündigt worden. Zudem durften Juden keine öffentlichen Fernsprechzellen benutzen.
Der damalige Patient Ernst Lauter, dessen Mutter Amalie Lauter ebenfalls von den Nazis ermordet wurde, überlebte mit seinen Geschwistern. Von dem Kaufhaus-Boom nach dem Krieg konnte er aber nicht mehr profitieren. Wie Meyer berichtet, erhielt er seinen Entschädigungsbescheid für das „arisierte” Kaufhaus an der Ecke Münz- und Beekstraße am 10. Dezember 1957, fünf Tage vor seinem Tod.
Lauter wohnte, so Meyer, in einer heute noch existierenden Villa an der Prinz-Albrecht-Straße in Duissern. Der spätere Bewohner des wertvollen Hauses hieß übrigens auch Helmut Horten.