Duisburg. . Loveparade-Chef Rainer Schaller wollte nach der Katastrophe in Duisburg mit einer Pressekampagne offenbar die Schuld an dem Unglück der Polizei in die Schuhe schieben. Ein Crowdmanager sollte ihm dabei zur Seite stehen.

Knapp einen Tag nach der Katastrophe der Loveparade wurde nach Recherchen der WAZ im Lager des Loveparade-Chefs Rainer Schaller die Idee geboren, mithilfe einer Pressekampagne, die Schuld am Desaster der Polizei in NRW in die Schuhe zu schieben. Schlüsselfigur dieser Überlegungen war der so genannte Crowdmanager Carsten W.. Dieser war für die Sicherheit am Eingang der Loveparade zuständig.

Wie aus Zeugenbefragungen hervorgeht, die dieser Zeitung vorliegen, versuchten Schallers Leute Carsten W. zu überreden, bei dieser Anti-Polizei-Kampagne mitzuhelfen. Am Freitag nach der Katastrophe kam es nach einer Aussage von Carsten W. zu einem persönlichen Gespräch mit Schaller. Den Angaben zufolge traf sich Schaller mit Carsten W. in der Alfred-Schütte-Allee in Köln direkt am Rhein.

Crowdmanager fand Schallers Aussagen "strange"

Schaller soll demnach moralisch-theologische Fragen angesprochen haben. Drei Leibwächter schützten ihn. Schaller sagte laut Carsten W., er müsse stark sein für seine Leute. Es war „strange“, also seltsam, was Schaller da redete, sagte Carsten W. aus. Schaller habe ihn in sein Team holen wollen, dann sei er stets für W. da. Schon vorher sei klar gewesen, dass Schaller ihn für eine Anti-Polizei-Kampagne gewinnen wollte.

Carsten W. sagte, er sei nicht in Schallers Team gewechselt. Das kann man glauben, muss es nicht. Carsten W. gab nach der Katastrophe mehrere Interviews, in denen er die Polizei schwer belastete. W. sagte, die Journalisten hätten ihn angerufen, und er sei so überrascht gewesen, dass er sein Herz ausgeschüttet habe.

Aus Sparwillen minderwertiges Sicherheitsmaterial eingesetzt?

Dass Schaller eine Pressekampagne brauchte, um von Fehlern in den eigenen Reihen abzulenken, ist bei einem Blick in die Akten nachvollziehbar. Zeugen sagten aus, bei der Loveparade sei offenbar aus Sparwillen minderwertiges Sicherheitsmaterial eingesetzt, andere Anlagen gar nicht aufgebaut worden.

Augenzeugin filmte Panik bei Loveparade

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    Selbst beim Sicherheitspersonal gab es Probleme: Vielleicht hätte die Katastrophe gemildert werden können, wenn alle getan hätten, was sie tun sollten. Nach Aussagen der Verantwortlichen an der Zugangsschleuse vor dem Osttunnel sei die Schleuse auf Anordnung von W. zunächst abgesperrt worden. Verantwortlich dafür war Sebastian S.

    Doch dann wurde der Druck vor den Sperren immer größer. Sebastian S. berichtet von tobenden Menschen, Kindern und junge Frauen in Not. Sebastian S. sagt, er habe befürchtet, dass es vor den Schleusen Tote gibt.

    Aus eigenem Entschluss die Schleuse geöffnet

    Sebastian S. sagt, er habe die kritische Situation Carsten W. gemeldet. Und Carsten W. habe ihm Polizeiunterstützung versprochen. Doch die sei nicht gekommen. Schließlich habe W. gar nicht mehr reagiert, obwohl der Funk der Ordner nicht ausgefallen sei.

    Dann sagt Sebastian S., er habe die Schleusen kurze Zeit später mehrfach aus eigenem Entschluss geöffnet. Weil er nicht mehr wusste, wie er mit den Massen draußen vor den gesperrten Schleusen umgehen sollte. Sebastian S. sagt, er habe von den Polizeiketten im Tunnel nichts mitbekommen. Der Damm war gebrochen. Die Polizeiketten rissen.

    Auch die Polizeiführung ist nicht frei von Schuld

    Doch auch die Polizeiführung ist nicht so schuldfrei, wie Innenminister Ralf Jäger (SPD) bislang getan hat. Nicht nur, dass es nach Aussagen von Zeugen in den entscheidenden Augenblicken in der Stabsstelle der Polizei zuging wie in einem Taubenschlag. Mindestens drei Besuchergruppen samt Ministerbesuch sind in den Akten bezeugt.

    LoveparadeAuch der Wechselerlass des Ministeriums, die Einsatzkräfte in der kritischen Zeit austauschen zu lassen, wird weiter untersucht. Schon im Herbst 2010 regte die Kölner Sonderkommission „Loveparade“ deswegen Ermittlungen im Innenministerium an. Mehrere Beamte hatten gegen den Wechselerlass protestiert. Im Eröffnungsbeschluss der Staatsanwaltschaft wurde nicht geklärt, wer für die Verschiebung der Wechselzeiten verantwortlich war.