Duisburg. . Die Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“ will mittels Bürgerentscheid die Abwahl von Oberbürgermeister Adolf Sauerland erreichen. Knapp 80 000 Unterschriften wurden seit Juni zu diesem Zweck gesammelt. Am Montag überreichte die Initiative sie der Stadt.

In vier schweren Umzugskartons mit 17 dicken Ordnern dokumentiert sich der Unmut. Bei vielen der knapp 80 000, die für das Abwahlverfahren gegen Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland unterschrieben haben, auch die Wut. Die Initiative „Neuanfang für Duisburg“ eroberte am Montag kurzfristig das Rathaus. Rhythmischer Applaus begleitete die Übergabe der Unterschriftenlisten für das Abwahlverfahren, Buh- und Pfuirufe dagegen Sauerlands Ankündigung, im Amt zu bleiben.

Sekt und Blumen für die Sammler

Axel Krause wird heute wieder einen normalen Arbeitstag haben. Der selbstständige Grafik-Designer hat in den vergangenen vier Monaten seinen Schreibtisch nicht so oft gesehen wie den bunten Lifesaver-Brunnen auf der Königstraße in der Duisburger Innenstadt. Hier sammelte der 54-Jährige gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Bürgerinitiative Unterschriften für die Einleitung des Abwahlverfahrens gegen Sauerland.

„Es ist schon erstaunlich gewesen, dass die meisten Leute, die hier ihre Unterschrift gaben, eher mittleren Alters waren. Meist fünfzig plus“, schildert Axel Krause seine Erfahrungen. Die waren aber auch nicht immer gut. „Es kamen auch Leute an den Stand, die uns beschimpft haben.“ Doch ihm sind die Erinnerungen an die vielen Menschen lieber, die sich noch Unterschriftenlisten mit nach Hause nahmen und sie später komplett ausgefüllt wieder zum Stand brachten. „Bei denen müssen wir uns ganz besonders bedanken.“

Die Motivation, sich an dem Bürgerbegehren zu beteiligen, scheint nicht allein die Loveparade-Katastrophe mit ihren 21 Toten und den vielen Verletzten und Traumatisierten gewesen zu sein. Auch der Skandal um den Neubau des Landesarchivs und die millionenteure Pleite um die Erweiterung des Museums Küppersmühle im Duisburger Innenhafen werden dem Duisburger Oberbürgermeister angelastet.

Die Diskussion über die Anerkennung von Unterschriften, wenn die Angabe der Hausnummer fehle, und die Äußerung von Sauerland, er könne sich schließlich „nicht klonen lassen“ – damit verteidigte er seine Abwesenheit bei der Einweihung des Mahnmals für die Opfer der Loveparade – habe der Initiative noch einmal „einen richtigen Schub“ gegeben.

Sauerland hat mehr Gegner als Wähler

Am Samstag wurden die letzten Unterschriften gesammelt. Dazu gab es für die eifrigen Sammler ein Glas Sekt und ein paar Blumen. Am Ende waren es 79 193 Unterschriften, die nach Angaben der Initiative zusammenkamen – rund 5000 mehr als Sauerlands Wähler 2009. Gesetzlich nötig sind rund 55 000 gültige Unterschriften. Sie reichen, um das Abwahlverfahren in Gang zu bringen.

Weil die Gemeindeordnung nach dem gescheiterten Abwahlverfahren im Duisburger Rat vor einem Jahr durch die Landesregierung geändert wurde, wird auch von einem „Lex Sauerland“ gesprochen, also einem Gesetz, das nur initiiert wurde, um Sauerland loszuwerden. Immerhin ist Innenminister Ralf Jäger auch Vorsitzender der Duisburger SPD. Nach der alten Regelung der Gemeindeordnung konnte nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Rat das Abwahlverfahren in Gang bringen. Das scheiterte letztes Jahr an der CDU, die um ihren Einfluss in der Verwaltungsspitze fürchtete. Kaum war das neue Gesetz in Kraft, begann die Sammlung der Unterschriften.

„Aus der Idee von einzelnen ist hier eine Bürgerbewegung geworden“, unterstrich Harald Hüsken, der gemeinsam mit dem Krupp-Kämpfer Theo Steegmann und Harald Jochums für den Antrag verantwortlich zeichnet. T-Shirts mit dem bunten Brustbild „Neuanfang“ tragen sie. Vor einem Jahr zählte Hüsken zu den Initiatoren, die 10 000 Unterschriften zusammentrugen, um die Abwahl Sauerlands zu fordern, die im Rat scheiterte.

Vor laufenden Kameras forderte er angesichts dieser Zahlen vor dem Rathaus Duisburgs OB auf, in dem Moment zurückzutreten, da das amtliche Ergebnis das Bürgerbegehren bestätigen sollte. Im Rat verlangte er von ihm den „Rest von Anstand und Moral“. Sieben Tage blieben Sauerland, um seinen Rücktritt zu erklären, der Stadt Ausgaben von bis zu einer Million Euro zu ersparen und dem Abwahlverfahren zu entgehen. Tut er dies nicht, muss der Rat innerhalb von drei Monaten einen Termin für die Abwahl benennen.

Dass dann eine Zahl von mindestens 92 000 Duisburgern Sauerland abwählen wird, glaubt Theo Steegmann : „Da haben wir keine Sorge, denn wir haben noch viele Ideen. Wir rechnen mit einer Wahlbeteiligung von fünfzig Prozent. Das wären etwa 180 000. Und sie werden uns die Mehrheit bringen.“ Schon jetzt habe sich Duisburg mit den 80 000 Unterschriften „seine Würde zurückerobert“. Sauerland warf er Machtbesessenheit vor.

Appelle helfen nicht

Vor laufenden Kameras und großem Journalistentross sagte Duisburgs OB Altbekanntes: Dass er das Verfahren akzeptiere, dass er aber seine „Arbeit als Oberbürgermeister weiter leisten“ werde. Ein Rücktritt kommt für ihn nicht infrage: „Ich bin bis 2015 gewählt. Ich werde solange Oberbürgermeister bleiben, bis es ein anderes demokratisches Votum gibt.“ Da helfen auch eindringliche Appelle nichts. „Diese Stadt kommt nicht zur Ruhe und braucht nicht noch zusätzlich einen nervenraubenden Wahlkampf um eine Oberbürgermeister-Abwahl“, mahnte SPD-Fraktionschef Mettler im Rat. Er fürchtet: Die Stadt bleibt gespalten, sollte die Abwahlmehrheit verfehlt werden.

Sollte Adolf Sauerland abgewählt werden, steht Duisburg vor einer neuen Frage: Wer soll ihm folgen? Ginge es nach Harald Jochums, wäre nur ein unabhängiger und unparteiischer Kandidat ein guter OB für die Stadt.