Duisburg. . Die Angehörigen planen für den Jahrestag der Loveparade-Katastrophe eine Hommage an ihre lebensfrohen Kinder. Sie wollen in den Clubs und Szenekneipen Duisburgs feiern. Die Idee stieß anfangs auf Befremden.

Sie ahnen schon, wie schwer die Tage, die da kommen, für sie werden. Sie ahnen es und fürchten sich davor. Vielleicht ist auch das die Motivation der Angehörigen der Loveparade-Opfer, zum Jahrestag der Katastrophe so Ungewöhnliches zu planen. Zwei Tage vor der offiziellen Trauerfeier feiern die Opferfamilien eine Nacht des Erinnerns in den Clubs und Szenekneipen Duisburgs. „Unsere Kinder hätten sich kein Wochenende voller Trauer und Stillstand gewünscht. Sie waren lebenslustig, aufgeschlossen, und so haben sie uns auch verlassen“, sagt Sabine Siebenlist, die auf der Loveparade ihre 23-jährige Tochter Fenja verlor.

„Remind the love“ – Erinnere dich der Liebe, so lautet das Motto des Abends, mit dem der 21 Opfer auf Wunsch der Angehörigen gedacht werden soll. 15 Kneipen der Stadt haben bislang angekündigt, sich zu beteiligen. Dabei stieß der Gedanke, mit fröhlicher Musik, mit Techno womöglich, an das Unglück zu erinnern, anfangs zumeist auf Befremden. „Wir wissen, es gehört Mut dazu, und es wird nachher auch bestimmt kritisiert“, sagt Jürgen Hagemann, Sprecher von Massenpanik - Selbsthilfe.

Es wird also Musik geben, ein Video, an dem zur Zeit noch gearbeitet wird, und der eigens für die Opfer aufgenommene Techno-Song „Hope you can hear me!“ soll in allen sich beteiligenden Kneipen gespielt werden. Zudem werden Buttons verkauft, mit denen die zukünftigen Treffen der zum Teil über ganz Europa verteilt lebenden Opferfamilien mitfinanziert werden können.

"Wir wollen es nicht nur schwermütig"

Die Idee kam von den Angehörigen selbst. „Wir wollen es nicht nur schwermütig. Wir möchten zwar gedenken, aber auch die Hoffnung transportieren, den Gedanken: Wir schauen nach vorn“, sagt die Gelsenkirchenerin Sabine Siebenlist.

Nach derzeitiger Planung soll es am Sonntag, 24. Juli, eine offizielle Gedenkfeier in der MSV-Arena geben, an der sich der Essener Weihbischof Franz Grave, die Vizepräses der evangelischen Landeskirche Petra Bosse-Huber sowie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) beteiligen werden. Nach der Trauerfeier wollen die Angehörigen der Opfer direkt an den Ort des Unglückes gehen, zur Rampe im Tunnel Karl-Lehr-Straße. Organisiert wird die Veranstaltung auf Wunsch der Angehörigen von der Staatskanzlei und nicht von der Stadt Duisburg, deren Mitarbeiter nach staatsanwaltlichen Ermittlungen als mitverantwortlich für die Katastrophe gelten.

Die Erinnerungs-Nacht in den Duisburger Clubs und Kneipen wird schon seit längerem vorbereitet. Erste Mails der Initiative der Betroffenen, der Massenpanik-Selbsthilfe e.V., wurden jedoch nicht beantwortet. „Erst als wir die Idee persönlich vorgestellt haben, als wir deutlich machen konnten, dass dies wirklich der Wunsch der Angehörigen ist, wurde sie verstanden“, sagt Jürgen Hagemann.

Wirt hat sich von Angehörigen überzeugen lassen

So ging es auch Rolf Stanietzki, dem Chef der Szenekneipe „Steinbruch“. „Das ist aber ganz schwierig“, habe er zuerst gedacht, als man ihn fragte, ob er sich an der Nacht des Erinnerns beteiligen wollte. „Ich hielt das für eine Gratwanderung. Aber ich habe mich von den Angehörigen überzeugen lassen, von ihrer Idee, den Blick nach vorne zu richten!“, sagt Stanietzki.

Etwas mehr als fünf Wochen sind es noch bis zum Jahrestag, und die Belastung für Angehörige wie Opfer nimmt mit jedem Tag zu. „Ich kenne Verletzte der Loveparade, die sich vorgenommen haben, an diesem Tag zum ersten Mal wieder auszugehen“, erklärt Jürgen Hagemann, dessen eigene Tochter bei der Loveparade schwer verletzt und traumatisiert wurde. Auch Sabine Siebenlist, die Mutter der Germanistik-Studentin Fenja, weiß, dass sie dem Tag nicht ausweichen kann. Er wird kommen.