Duisburg. Bei der Loveparade-Tragödie verlor Karl-Theodor Becks seinen Sohn Benedict-Emanuel (21). Der trauernde Vater schrieb einen offenen Brief an Duisburgs OB Adolf Sauerland. Wir veröffentlichen ihn aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen, denen wir damit an diesem Tag eine Stimme geben wollen.
Herr Sauerland,
als Vater meines bei der Love Parade am 24.07.2010 ums Leben gekommen 21-jährigen Sohnes Benedict-Emanuel, habe ich lange gezögert, ob ich mich direkt an Sie wenden soll oder nicht! Dadurch, dass Sie maßgeblich dazu beitrugen, dass die Loveparade nach Duisburg kam und an einem dafür gänzlich ungeeigneten Platz stattfand, gab es nicht nur Tote und Verletzte – Sie zerstörten damit auch die Familien der Opfer, so z. B. meine eigene, denn ein Kind zu verlieren, ist wohl das Schlimmste, was Eltern passieren kann!
Mit diesem Schreiben wende ich mich direkt an Sie und fordere Sie unmissverständlich auf, endlich von Ihrem Amt als Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, ohne wenn und aber, zurückzutreten – auch wenn Sie damit auf mögliche Pensionsansprüche verzichten müssen, für die ich als Steuerzahler ja letztendlich auch mit aufzukommen habe, denn meines Erachtens sind Sie für dieses Amt nicht mehr tragbar und jeder Tag, den Sie länger im Amt bleiben, stellt eine Beleidigung und Verhöhnung der Opfer dar und schadet außerdem dem Ansehen der Stadt Duisburg erheblich!
Am 15.08.2010 konnte ich im WDR Fernsehen verfolgen, wie Sie sich durch die Sendung wandten und stammelten, nach Ausflüchten suchten, viel erzählten, jedoch wenig sagten – Ihr Auftritt war einfach nur peinlich!
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Ihre Aussage in dem Fernsehbericht, aus Gründen des Datenschutzes wären Ihnen die Namen der Getöteten nicht zugänglich gewesen, halte ich für eine glatte Lüge! Diese hätten Sie sicherlich z. B. bei der „Bildzeitung“, bei Twitter etc. erfahren können – wenn Sie dort nur nachgefragt hätten, denn die Namen waren ja schließlich bekannt und standen bereits lange vor Ihrem Interview in der Zeitung abgedruckt! Auch Ihnen dürfte bekannt sein: Wo ein Wille - da ist auch ein Weg! Bei Ihrem Standesamt hätten Sie die Namen sicherlich auch erfragen können, denn dort wurden die Verstorben ja abgemeldet und die Sterbeurkunden ausgestellt!
Auch Ihre in dem Bericht gemachte Aussage, Sie müssten zur Aufklärung des Unglücks beitragen, da Sie nach einem Rücktritt nicht mehr an die notwendigen Unterlagen kämen, halte ich für eine Farce und so nicht haltbar, denn die Aufklärung der Fehler bei der Planung der Loveparade und die damit verbundenen Geschehnisse, sind Aufgabe Ihres Nachfolgers – ich unterstelle Ihnen daher, Sie trügen dabei sicherlich lediglich zu einer Verschleierung der Umstände und nicht zu einer Aufklärung derselben bei – nur damit Ihre Weste weiß bleibt!
Ich hätte z. B. erwartet, dass die Stadt Duisburg zumindest ein Zeichen gesetzt, meiner Familie und mir zum Tode unseres Sohnes kondoliert oder zumindest einen Kranz oder ein Gesteck zur Beerdigung unseres toten Kindes geschickt hätte – nichts davon geschah jedoch bisher, weil Ihnen angeblich die Namen der Verstorbenen ja aus Gründen des Datenschutzes wohl angeblich nicht bekannt waren!
Daher gehe ich davon aus, dass es bei den Angehörigen der anderen Opfer genauso war! Mit diesem Brief verhelfe ich Ihnen sicherlich aus Ihrer Unwissenheit heraus, denn meinen Namen, den meines toten Kindes und meine Anschrift können Sie diesem Brief entnehmen! Sie können jetzt also nicht mehr behaupten, aus Gründen des Datenschutzes wäre Ihnen kein Name eines Opfers bekannt!
LoveparadeVerneigen sie sich daher vor sämtlichen Opfern der Loveparade, den Toten und den Verletzten und treten Sie endlich von Ihrem Amt als Oberbürgermeister der Stadt Duisburg zurück – oder wollen Sie es wirklich auf Ihre Abwahl ankommen lassen, Ihr Gesicht endgültig verlieren und der Stadt Duisburg noch mehr als bislang mit Ihrem unwürdigen Verhalten schaden?
Frau Margot Käßmann (ehemalige Ratsvorsitzenden der EKD , d. Red.) hatte sicherlich ein Glas Wein zuviel getrunken, als sie von der Polizei angehalten wurde, was nicht richtig war, und obwohl ihr von allen Seiten der Rücken gestärkt wurde, zeigte sie Charakterstärke, übernahm die Verantwortung für ihr Handeln, trat von allen ihren Ämtern zurück und gewann dadurch an Achtung quer durch alle Bevölkerungsschichten!
Ihr Parteifreund Dr. Franz-Josef Jung, der ehemalige Bundesverteidigungs- und spätere Bundesarbeitsminister, der mit Sicherheit keinen einzigen Schuss in Kunduz abgegeben hatte und den auch keine persönliche Schuld an dem dortigen Vorfall traf, trat von seinem Ministeramt zurück und übernahm so die politische Verantwortung für das, was seine Untergebenen getan hatten!
Ob Ihnen eine persönliche Schuld, bzw. eine Mitschuld an dem Unglück zugesprochen wird, das werden zu einem späteren Zeitpunkt die Gerichte entscheiden – meinen Sohn Benedict-Emanuel bringt mir das allerdings nicht wieder zurück!
Chronik einer Katastrophe
Zumindest hätte ich Ihnen als Lehrer für Maschinenbau allerdings so viele Mathematikkenntnisse zugetraut, dass Sie sich an zwei Fingern hätten abzählen können/müssen, dass man nicht eine unkontrollierbare Menschenmenge, einer Hammelherde gleich, auf ein völlig ungeeignetes Terrain leiten kann, bei dem ein Nadelöhr (Tunnel) gleichzeitig als Ein- und Ausgang genutzt wird, ohne dass weitere Notaus- oder Eingänge zur für die Besucher der Parade zur Verfügung standen. Dieses musste zwangsläufig zu diesem Unglück führen. Hier sehe ich Ihre persönliche Verantwortung, denn das war Ihnen bekannt, bzw. Sie haben dieses Unglück zumindest billigend in Kauf genommen!
Setzen Sie daher endlich ein Zeichen und übernehmen auch Sie zumindest die politische Verantwortung für das Desaster von Duisburg, an dem Sie ja zugegebener Maßen nicht ganz unschuldig sind und treten Sie von allen Ihren politischen Ämtern zurück, bevor Sie vom Rat abgewählt werden, denn Sie sind längst für die Stadt Duisburg zu einer echten Belastung geworden; auch wenn Sie das bislang noch nicht gemerkt haben!
Karl-Theodor Becks
Münster, 3. September 2010