Homberg. Wie 2019 drückt bei der Sprengung des nächsten „Weißen Riesen“ in Hochheide Martin Hopfe auf den Auslöser. Gespräch mit einem Perfektionisten.
Es sind eindrucksvolle Zahlen, die die Sprengung des „Weißen Riesen“ an der Ottostraße 24-30 umgeben: 62 Meter ist der frühere Wohnturm hoch, 90 Meter lang, 16 Meter breit. Am Sonntag, 5. September, soll sich dieser in knapp zehn Sekunden in 48.000 Tonnen Schutt verwandeln. Rund 260 Kilo Sprengstoff, der in 1000 Baulöchern steckt, sind dafür nötig. Den großen Knall löst mit Martin Hopfe (68) ein in der Stadt bekannter Sprengingenieur aus. Hopfe und seine deutschlandweit für viele spektakuläre Abbrüche verantwortliche Thüringer Sprenggesellschaft haben bereits den ersten „Weißen Riesen“ Friedrich-Ebert-Straße 10-16 vor zweieinhalb Jahren zum Liegen gebracht.
„Unser Ziel ist es, die Beeinträchtigungen für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten“, sagt Hopfe, der seit inzwischen 38 Jahren im Sprenggeschäft tätig ist. Dass es zu einer beträchtlichen Staubentwicklung kommt, lasse sich nicht vermeiden, auch wenn rund 500.000 Liter Wasser zur Staubeindämmung fließen. Die lagern nicht wie beim ersten Riesen 2019 in einem eigens aufgestellten Kunststoffbecken, sondern in einem großen Bauloch. „Im Zuge der Vorarbeiten ist auch ein Trafohäuschen abgerissen worden, die Grube wird mit Folie ausgelegt und mit Wasser gefüllt“, erklärt der Sprengmeister.
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Vorbereitungen dauerten vier Monate
Vier Monate haben die Vorbereitungen durch das Abbruchunternehmen P&Z aus Viersen insgesamt gedauert, neben der Asbestsanierung galt es auch 800 Tonnen Sperrmüll und 2500 Kilogramm Taubenkot zu entfernen. Zudem gab es einige Probesprengungen, um die Menge des einzusetzenden Sprengstoffes exakt zu ermitteln (wir berichteten), Hopfe: „Das Gebäude ist um die 50 Jahre alt, der Beton entsprechend nachgehärtet.“ Mit der sogenannten „Kipp-Kollaps“-Methode soll das Bauwerk nun zu Boden gehen. „Das Haus besteht aus vier Teilen. Zeitversetzt werden erst die mittleren Blöcke gesprengt, dann legen sich die beiden äußeren Blöcke darüber.“
Aus Platzgründen komme hier nicht die Falt-Methode zum Einsatz wie noch 2019. Die Türme müssen übereinander fallen, anstatt zur Seite. Durch die längeren Abstände der Sprengungen dauert der Vorgang nun einige Sekunden länger als beim ersten „Riesen“: „Die Menschen werden den Unterschied aber kaum merken, der Staub kommt schnell.“
Es ist eine seiner letzten Sprengungen
Perfektionist Martin Hopfe erzählt von einer gesprungenen Scheibe, die die Sprengung vor zweieinhalb Jahren an einem Haus in der der Nachbarschaft des Riesen verursacht hatte. Auch wenn dies die einzige größere Beschädigung war, die Scheibe hatte lediglich einen Riss, betrübt es Martin Hopfe doch. „Das ist sehr ärgerlich für den Hausbesitzer, der Schaden wurde aber umgehend behoben.“
Die Zahl seiner Sprengungen hat Martin Hopfe nicht gezählt. Wohnhäuser waren dabei, Bürotürme, ganze Kraftwerke und jede Menge Schornsteine. „Die zählen manche Sprengmeister tatsächlich, ich schätze, dass unser Unternehmen über die Jahre um die 450 Schornsteine gesprengt hat.“ Der „Weiße Riese“ wird übrigens der letzte größere Bau sein, für dessen Sprengung Martin Hopfe auf den Knopf drückt. Er verabschiedet sich aus dem operativen Geschäft und wird Berater.
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Die Arbeit, da ist sich Martin Hopfe sicher, wird der Branche so schnell nicht ausgehen. Neben Fabriken, Wohnhäusern und Co. müsse man sich auch um die Energiewende kümmern. Kernkraftwerke und auch alte Kohlekraftwerke werden nicht mehr benötigt und müssen weg. „Dazu kommen auch Windparks, durch die fortschreitende Technik werden Anlagen entfernt und durch modernere ersetzt.“ Und ein Windrad zwingt man am besten per Sprengung in die Knie. Dafür reichen dann aber zehn Kilogramm Sprengstoff.
Zukunftsmusik. Zunächst erledigen die Thüringer professionell und verantwortungsbewusst wie immer ihren Job in Hochheide. Martin Hopfe betätigt noch einmal den Auslöser. Und hofft, dass auch die eine Scheibe diesmal heil bleibt. Läuft alles wie geplant, haben Sprenggesellschaft und Abbruchunternehmen gute Chancen, auch beim dritten Sprengobjekt Ottostraße 54/56 zum Zuge zu kommen...
Informationen im Internet
Im Unterschied zur Sprengung im Jahr 2019 gibt es diesmal aufgrund der Corona-Pandemie keine Infoveranstaltung für die Bürger in der Glückauf-Halle. Sprengmeister Martin Hopfe bedauert das: „Damals konnte man in direktem Kontakt Dinge erklären und auch mögliche Ängste nehmen.“
Informationen zu sämtlichen Abläufen und zur zur Evakuierung hat die Stadt auf der Internetseite www.diesprengung.com zusammengefasst.