Duisburg. Aufgeheizte Stimmung bei der Bürgerinformation für das Landesasyl in Neumühl. Überschattet hat die Veranstaltung das im Internet kursierende Gerücht über eine angebliche Kindesentführung. OB Link pfiffen die Zuhörer bei seiner Ankunft aus, zudem hetzten Rechtpopulisten die Anwohner auf.
In aufgeheizter Stimmung informierte die Stadt Duisburg am Freitagabend auf einer ersten Bürgerveranstaltung über das geplante Asylbewerber-Aufnahmelager des Landes im Neumühler St. Barbara-Hospital. Gerüchte und widersprüchliche Informationen über eine angebliche Entführung eines Kindes am Tag zuvor überschattete dabei die Bürgerinfo. Während Oberbürgermeister Sören Link im Saal versuchte, sich Gehör zu verschaffen, agitierten vor der Tür Rechtspopulisten wie der Pro NRW-Ratsherr Malonn. Nach Einschätzung von szenekundigen Beobachtern besuchten auch Mitglieder der rechtsextremen NPD die Veranstaltung.
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Sozialdezernent Reinhold Spaniel schwante schon Böses, als er morgens von dem Vorfall hörte, der in den sozialen Netzen mit wildesten Mutmaßungen die Runde machte. Da half auch wenig, dass die Polizei die Tat als versuchten Diebstahl aus einem Auto klärte und die beiden Täterinnen auch fasste: „Das wird ein harter Abend“, so Spaniel, der die betroffenen aufgebrachten Eltern aber noch mal mit der Polizei zusammenbringen will.
Rechtspopulisten machten in Neumühl Stimmung
Doch die Gerüchte hatten noch mehr Teilnehmer als erwartet zum überfüllten Herz Jesu-Gemeindesaal kommen lassen, rund 200 Menschen standen vor der Tür, über eilig an Laternenmasten aufgehängte Lautsprecher sollten sie zumindest mithören können. Die Polizei war in beachtlicher Stärke präsent. Zwischenzeitlich gab es Rangeleien. Pfiffe begrüßten den OB, aber es gab auch demonstrativen Applaus im Saal. Allerdings auch für Rechtspopulisten drinnen wie draußen.
Zwischen lautstarkem Protest und Zwischenrufen blieb kaum Raum für die eigentlichen Informationen: Dass der Asylbewerberstrom drastisch angestiegen ist, dass Stadt wie Land dringend Unterkünfte benötigen. Dass die Notunterkunft in Neumühl auf drei Jahren befristet ist - „das geben wir schriftlich“, so Thomas Sommer von der Bezirksregierung. Dass die Zahl auf Duisburgs Asyl-Kontingent angerechnet wird, was andere Notunterkünfte und Geld spart.
Sicherheitsdienst und Polizei sollen Landesasyl schützen
Nur wenige Tage bleiben die Asylbewerber („Sommer: „Das ist eher ein Hotelbetrieb“), bis sie auf die Kommunen landesweit verteilt werden. Ein Wohlfahrtsverband wird die Einrichtung für das Land betreiben. Es gibt einen Sicherheitsdienst vom Land, dazu Kooperation mit der Polizei. Und weitere Bürgerinformationen, wenn die Einrichtung ihren Betrieb aufnimmt.
Fakten, die untergingen, weil vielen auch nicht klar war, dass Asylbewerber kommen und keine Armutszuwanderer. „So habe ich mir das hier nicht vorgestellt“, gestand der Vertreter des Bezirksregierung gegenüber der Redaktion ein. OB Link, der sich nach der Saal-Runde draußen noch lange diskutierend Bürgern stellte – unterbrochen von skandierenden Aktivisten von Rechts, hatte noch im Saal klar gemacht: „Neumühl ist mehr als die paar Schreihälse, die sich hier hochschaukeln. Duisburg ist eine tolerante Stadt.“
Beste Lösung in der Not - ein Kommentar von Oliver Schmeer
Das ist geradezu perfide: Erst das Walsumer Zeltlager und die vernichtenden Reaktionen dazu machten möglich, was schon vor einem Jahr hätte realisiert werden können. Damals scheiterten die Pläne einer Asylunterkunft im St. Barbara an politischen Unwillen auch lokaler Politiker von SPD und CDU, der im rechtspopulistischem Lager gerne aufgegriffen wurde. Stadt und Politik kniffen dann mit Blick auch auf die vor der Tür stehende Kommunalwahl.
Nun ist der Druck durch dramatisch steigende Asylbewerberzahlen, wegen des Image-Desasters des Zeltlagers und durch die Duisburger Finanznot aber so groß, dass ein Landesasyl als beste Lösung gilt. In der Tat hilft die vom Land getragene Einrichtung Duisburg. Immerhin ist gleichzeitig aber auch spürbar, dass die Flüchtlingsdramen aus den Kriegsregionen der Welt die Bereitschaft zum Asyl tatsächlich gemehrt haben. Gemeinden, Vereine, Anwohner zeigen Willkommenskultur. Da kann von ganz rechts noch so agitiert werden.
Allerdings, von Willkommenskultur war gestern Abend nicht viel zu spüren - nur bei leisen Gesprächen am Rande. Laut war dagegen der Protest von rechten Agitatoren, aber auch von Anwohnern. Wie brisant die Lage ist, wie schnell sich Ängste und Vorbehalte nahezu tumultartig Bahn brechen - und geschürt werden, zeigte die Zorneswelle in den sozialen Netzen zum vermeintlichen Entführungsfall.