Duisburg. Tausende feierten in der Nacht zu Montag den WM-Titel der deutschen Mannschaft auf Duisburgs Straßen. Epizentren der Jubelarien waren die Friedrich-Wilhelm-Straße in der City, der Kometenplatz in Walsum und der Bereich rund um das Rathaus in Hamborn. Es blieb laut Polizei verhältnismäßig ruhig.
1:0 – es ist kurz vor Mitternacht, Deutschland ist Weltmeister. Alles, was Rollen hat, fährt Richtung Friedrich-Wilhelm-Straße in die City. Ein Fahrradkorso prescht klingelnd und Fahnen schwenkend heran. Ein Mann hat sich einen Einkaufswagen „ausgeliehen“ und bugsiert einen Weggefährten über die Straße. Auch er trägt Schwarz-Rot-Gold. Halb Duisburg ist auf den Beinen, um den „Schland“-Stau zu begutachten. Es wird gehupt, irgendwer hat noch Silvesterknaller gefunden. Auch rund ums Hamborner Rathaus, auf dem Kometenplatz in Walsum und rund um den Rheinhauser Markt versammeln sich tausende Feiernde. Sie strömen aus den Kneipen, von den privaten Partys und Public Viewings herbei.
Aus Sicht der Polizei waren es relativ gesittete Jubelfeiern, so Polizeisprecher Ramon van der Maat, wenngleich viel mehr Menschen unterwegs waren und hupend im Autokorso feierten, als bei allen Begegnungen zuvor. Ganz ohne Zwischenfälle blieb es nicht: Auf der Friedrich-Ebert-Straße in Walsum fuhr ein wohl betrunkener Autofahrer eine Fußgängerin und einen Ersthelfer an. Die Polizei musste mehrfach einschreiten, weil Feuerwerkskörper in der Menschenmenge gezündet wurden. Zwölf Fußball-Fans müssen nun wegen Verfahren wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz rechnen. Zudem gab es mehrere Fälle von Körperverletzung. Insgesamt 15 Strafanzeigen schrieben die Einsatzkräfte der Duisburger Polizei in dieser denkwürdigen Nacht.
Christian hat zum Glück Spätschicht. „Ich war schon 1990 dabei. Damals war die Stimmung auch super. Das ist grandios, dass wir wieder Weltmeister sind“, schreit er in die jubelnde Menge. Michaela, Gastgeberin einer privaten Public-Viewing-Party, will gar nicht daran denken, dass sie um 3 Uhr schon wieder im Reitstall arbeiten muss. Aber die Pferde wollen früh gefüttert werden. „Ich habe echt total gezittert“, ruft Julia erleichtert. „Ich weiß nicht, ob ich ein Elfmeterschießen nervlich durchgestanden hätte.“ Zum Glück kam es anders. Und ihr Chef, der hat Verständnis. Sie darf etwas später kommen.
Public-Viewing-Veranstalter ziehen durchwachsene WM-Bilanz
In der Gemeinschaft mitfiebern und feiern: Rudelgucken war auch am Sonntag beim Triumph der deutschen Mannschaft gegen Argentinien vielerorts in Duisburg angesagt. Die WM-Bilanz fällt bei den Veranstaltern allerdings durchwachsen aus.
So kamen zum finalen Public Viewing auf dem Parkplatzgelände des ehemaligen Delta Musik Park in Meiderich zwar nach Angaben des Mitorganisators Michael Lange immerhin 1900 Leute. Die maximale Besucherzahl von 3500 wurde aber in den WM-Wochen nie erreicht. Das Rudelgucken musste zum Auftaktspiel der Deutschen gegen Portugal sogar abgesagt werden, weil noch die endgültige Genehmigung der Stadt fehlte, beim Halbfinale gegen Brasilien fiel es wetterbedingt ins Wasser. Lange: „Ob es sich wirtschaftlich gelohnt hat, müssen wir noch schauen.“
Da ist Marc Weber, Inhaber des Webster am Dellplatz schon weiter. Das Public Viewing sei definitiv kein Zusatzgeschäft gewesen. „Die Spiele waren oft sehr spät und dann hat das Wetter ja auch nicht immer mitgespielt“, so Weber. „Bei Sonnenschein waren aber auf der ganzen Straße, Grammatikoff und Movies als unsere Nachbarn mal dazugenommen, bis zu 1000 Menschen bei den Übertragungen.“
So viele Besucher zählte auch der Steinhof in Huckingen zum Finale. „Wir sind ja erst mit dem Viertelfinalspiel gegen Frankreich eingestiegen. Da kamen nur 150“, so Geschäftsführer Arno Eich. „Bei uns stand dabei aber immer der familiäre Spaß und nicht der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund.“
An der Wasserskianlage am Toeppersee trafen sich am Sonntag bis zu 900 Menschen zum kollektiven Fußballgucken. Ansonsten seien es zwischen 400 und 700 zu den deutschen Spielen gewesen, so ein Sprecher, der mit der WM-Bilanz absolut zufrieden ist.
Das ist auch Thomas Schenkel, Geschäftsführer des Hotel Sittardsberg in Buchholz, mit seiner Public-Viewing-Premiere. Nahezu alle Veranstaltungen seien mit 480 Besuchern ausverkauft gewesen. „Die nächste EM kann kommen.“
Im XXL-Sportcenter in Hüttenheim gehören Fußballübertragungen sowieso zum guten Ton. Mit im Schnitt 500 Leuten bei den Partien von Jogis Jungs ist Geschäftsführer Sven Pirdzun mehr als glücklich.
Die kleine Amelia stürmt auf die Welt
Um 21.10 Uhr war Anpfiff im Kreissaal der städtischen Kliniken: Statt vor dem Fernseher zu sitzen und mitzufiebern, wie es eigentlich geplant war, wurde Giulia Schenk am Nachmittag ins Krankenhaus eingeliefert. Kurz nach Beginn des Finales kam ihre Tochter Amelia auf die Welt. Ein echtes Weltmeister-Baby.
Geplant war das so nicht. „Eigentlich sollte sie erst am 27. Juli kommen. Aber sie hatte es eilig“, erzählt Giulia Schenk lächelnd. Vom Spiel haben sie und ihr Freund nichts mitbekommen, denn der stolze Papa wollte natürlich dabei sein, als die Kleine auf die Welt kam. „Wir waren so beschäftigt, wir haben gar nicht an Fußball gedacht.“ Nur als die Krankenschwestern zwischendurch jubelten, erahnten sie, dass den Deutschen der Siegtreffer geglückt ist.
Insgesamt wurden an diesem Abend übrigens drei Kinder in den städtischen Kliniken geboren. Keines wurde nach einem der neuen Weltmeister benannt.