Duisburg. Eine neue Führung gewährt Besuchern des Landschaftsparks Duisburg Nord bislang unbekannte Einblicke. Gästeführer Thomas Job hatte auf dem zweistündigen Rundgang viel zu erzählen. Der interessierte Zuhörer gerät da schnell ins Staunen - auch darüber, wie grün es auf dem Industriegelände heute ist.
Der Blick von der Plattform am Fuße von Hochofen 2 eröffnet atemberaubende Perspektiven. Einer der etwa 30 Meter hohen Schwadenkamine reckt sich nur eine Armlänge vom Betrachter entfernt majestätisch gen Himmel. Auch der Blick von hier oben auf den mit Bäumen bepflanzten Cowperplatz hat eine fesselnde Wirkung. Diese Sicht können aber nur ausgewählte Besucher des Landschaftsparks Nord genießen. Denn hier ist normalerweise Sperrgebiet. Eine neue Führung durch das alte Hüttenwerk macht diese Einblicke nun möglich. Nicht umsonst trägt sie den Titel „Hinter verschlossenen Türen“. Die WAZ ist mitgegangen.
Thomas Job ist unser Gästeführer. Der 42-Jährige – geboren in Baerl, nun lange in Neudorf lebend – grüßt vor dem Hauptschalthaus mit festem Händedruck. „Wir beginnen im Gebläsehallen-Komplex“, sagt er und läuft los. Seit 2008 übernimmt er diese Aufgabe. Als Freiberufler. Bis zu 100 solcher Führungen begleitet der bekennende MSV-Fan pro Jahr für den Anbieter Tour de Ruhr. Im Hauptberuf kümmert sich Job um Online-Marketing in der Reisebranche. Neulich führte er die Delegation eines Karnevalsvereins aus Erftstadt herum. „Der meistgehörte Satz lautete: Boh, ist das grün hier! So wie eigentlich immer“, erzählt Job.
Tausende Kilometer Kabel
Die Tour hinter verschlossene Türen gibt es erst seit diesem Jahr. Etwas Neues sollte her. „Natürlich wird hier keine Achterbahn gebaut. Stattdessen schauen wir, wie bislang ungenutzte Plätze aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst werden können“, erklärt der Gästeführer. Wir erreichen den Gebläsehallen-Komplex. Eine Sicherheitskraft gewährt Einlass an jener Pforte, die sich sonst nur bei Konzerten und anderen Kulturevents, jedoch nicht im Park-Alltag öffnet.
Wir stehen im Pumpenhaus. Darin: Wasserpumpen, die früher das Kaltwasser zu den Hochöfen beförderten. Eindrucksvoll ist aber auch das Kompressorenhaus – vor allem, wenn Scheinwerfer die alten Maschinen in buntes Licht tauchen. Dann geht’s hinauf in die Gebläsehalle. Uns wird das Privileg der Künstler zuteil: Wir dürfen erst die Umkleiden, dann die Bühne betreten. Von hier aus wirken die 400 Sitzplätze wie eine graue Wand.
20 Jahre Landschaftspark Nord
„Hier sind Tausende Kilometer Kabel und andere Technik verbaut“, sagt Job und sorgt für Staunen bei den Zuhörern. Infos wie diese hat er im Kopf. Wobei jeder Gästeführer seine individuelle Faktenauswahl trifft – und in anderer Form erzählt. „Bei Kindern und Jugendlichen mache ich gerne Ratespiele. Das garantiert höhere Aufmerksamkeit“, erklärt Job. Es sei einer der schönsten Momente, wenn eine zuvor laute, aufgedrehte Schulklasse plötzlich schweigt – und gebannt zuhört.
Stippvisite in den alten Bunkern
Wir durchqueren die Gießhalle von Hochofen 1, wo im Sommer immer das Open-air-Kino steigt. Vorbei an der Bühne geht es zum Hochofen und dem Stichloch, wo einst der Schmelzer stand. Der Rost nagt sichtlich an dem stählernen Koloss. „Und hier zwischen den Hochöfen 1 und 2 gibt’s einen Klettergarten“, erzählt Job und zeigt nach oben. Der Kopf der Betrachter fällt zurück in den Nacken – wie so oft bei diesem Rundgang. Weiter geht’s zur Gasreinigung Ost. Das ist so ein tolles, altes Gebäude, das auch nach 20 Jahren noch ungenutzt dasteht und auf besagten Erweckungskuss wartet. Ein potenzieller Prinz müsste sich aber zunächst den Weg durchs Dickicht schlagen. Sträucher und Pflanzen ranken sich um den Koloss. Die Natur erobert sich auch das industriellste Fleckchen Erde zurück. In die Gasreinigung Ost hinein kommen wir diesmal nicht. Schade!
Stattdessen geht’s zur Kraftzentrale. Die wirkt bei Tageslicht, das durch gläserne Oberlichter fällt, noch viel riesiger und voluminöser als bei abendlichen Kulturveranstaltungen. Selbst Bekanntes wirkt neu und fremd. Nach einer Stippvisite in den alten Bunkern, wo derzeit eine Ausstellung läuft, passieren wir noch einmal Hochofen 2. Die Plattform, auf der wir vorhin noch standen, sieht von unten betrachtet ganz anders aus. Der Weg dorthin, der ist jetzt aber wieder fest verschlossen.