Duisburg. Neue Anlaufstelle im Bertha-Krankenhaus für Eltern und betroffene Kinder bietet frühe Betreuung – bevor der Gewichtsverlust lebensbedrohlich wird. „Wir wollen die Kinder so gesund entlassen, dass sie wieder am Leben teilhaben können“, betont der Leiter Martin Steinhoff.

In der Pubertät bekommt der eigene Körper eine völlig neue Bedeutung. Die meisten Fälle von Magersucht nehmen hier ihren Anfang. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Bertha-Krankenhauses will künftig Eltern und ihren betroffenen Kindern, aber auch niedergelassenen Ärzten mit einer Spezial-Ambulanz eine Anlaufstelle bieten.

Aus Unwissenheit würden viele Familien Privatkliniken aufsuchen oder lange selbst ihr Glück versuchen. „Zu uns kommen sie bislang erst, wenn es gar nicht mehr anders geht“, sagt Markus Steinhoff, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Dann also, wenn der Gewichtsverlust lebensbedrohlich ist, der Schulbesuch eingestellt wird, soziale Kontakte abbrechen. Je nach Fall werden dann teil-stationäre oder stationäre Maßnahmen ergriffen, die bis zu sechs Monate dauern und dann ambulant fortgeführt werden. „Wir wollen die Kinder so gesund entlassen, dass sie wieder am Leben teilhaben können“, betont der Chefarzt. Seine Patienten sind zwischen 13 und 18 Jahre alt, eine Neunjährige war auch mal dabei. Fast immer Mädchen, ganz selten Jungs.

Heidi Klum ist nicht die Verursacherin allen Übels

Die Therapie umfasst immer auch die Arbeit mit den Eltern, denen er als erstes erklärt, dass sie nicht für die Nahrungsaufnahme ihrer Kinder verantwortlich sind. Meist hätten sie schon jahrelang jedes Salatblatt kommentiert, dass auf dem Teller landet. Damit werde das Leid nicht besser, denn für die Kinder erzeuge es das Gefühl, dass sich jemand kümmert, und sei es nervenderweise.

250 Kinder werden pro Jahr behandelt

Im Bertha-Krankenhaus ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit 25 stationären und 10 teilstationären Plätzen vertreten. 250 Kinder werden hier pro Jahr behandelt. Neun Ärzte und Psychotherapeuten sowie 45 Mitarbeiter im Pflege- und Erziehungsdienst, dazu gibt es Ergo- und Motopäden sowie Musiktherapeuten. Die Erwachsenen-Abteilung hat 56 Betten.

Wenn das Essen ein Problem wird: Auch Übergewicht kann ein Fall für die Kinder- und Jugendpsychiatrie sein. Termine für die Spezial-Ambulanz können vereinbart werden unter der Rufnummer 02065 / 25 84 62.

Typische Verläufe oder typische Eltern sieht Steinhoff nicht. Im Prinzip entstehe die Krankheit durch eine Unsicherheit in der Identitätsentwicklung in der Umbruchphase zwischen Kind sein und Erwachsen werden. Während des Klinikaufenthaltes stehe zwar auch das Hochfahren des Gewichts auf der Agenda. Viel wichtiger sei aber, dass sich die Mädchen wieder in ihrer Haut wohl fühlen, dass sie stolz sein könnten auf Dinge, in denen sie gut sind. Das war zuvor oft das permanente Kalorien-Zählen, das Erfolgserlebnis beim Abnehmen.

Heidi Klum ist für Steinhoff übrigens nicht die Verursacherin allen Übels. „Seit 1990 ist die Zunahme der Magersuchtfälle nicht gravierend und seither gab es eine Menge Casting-Shows“, relativiert er.