Essen. . Zu dünn könne man doch gar nicht sein, dachte sich Luise G. und aß am Tag nicht mehr als ein wenig Gemüse. Dass ihre Magersucht sie fast in den Tod geführt hat, sah sie erst viel später in einer Therapie ein. Die Zeus-Reporterinnen Alisa Jakob und Nadine Maihoff sprachen mit ihrer Altersgenossin.
„Anorexia nervosa“, auch bekannt als Magersucht, ist eine psychische Krankheit. Es ist eine selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme, wobei das Gewicht weit unter dem Normalwert liegt. Schätzungen zufolge ist jedes vierte Mädchen in Deutschland essgestört, begibt sich somit in die Gefahr einer Magersucht. Und es ist eine folgenschwere Krankheit: 2012 starben bundesweit 70 Menschen daran. Weltweit Beachtung fand der Tod des französischen Models Isabelle Caro, die 2010 ihrer Essstörung erlag. Die Zeus-Reporterinnen Alisa Jakob und Nadine Maihoff haben mit Luise G. gesprochen. Bei der 14-Jährigen wurde die Krankheit vor eineinhalb Jahren diagnostiziert.
Was waren deine ersten Gedanken als du die Diagnose bekamst?
Luise: Ich wollte mir nie eingestehen, dass ich magersüchtig bin. Als die Ärztin meinte, dass ich es bin, hab ich mir gedacht: Nein, das stimmt nicht. Ich wollte mich selbst verteidigen und mir den Fehler nicht eingestehen. Ich meinte, dass ich nur abnehme. Als ich dann zu Hause war und vor dem Spiegel stand, hab ich nur das „Schöne“, also die Knochen und das wenige Fett gesehen, dann kamen mir wieder die Worte der Ärztin in den Sinn. Doch diese Gedanken habe ich schnell wieder verdrängt, weil ich immer gedacht habe, dass man nie dünn genug sein kann.
Weißt du woher deine Magersucht kommt?
Ich wurde gemobbt, weil ich nicht die Dünnste war. Ich war aber nicht dick, sondern normal, und deshalb hab ich gesagt, dass ich abnehmen will. Dann habe ich immer weiter abgenommen und es wurde irgendwann zur Sucht.
Von was hast du dich in dieser Zeit ernährt?
Viel Gemüse, hauptsächlich Gurken, da die ja entwässern. Karotten hab ich auch gegessen, weil die mehr sättigen als Gurken. Naja, aber eigentlich hab ich mich eher satt getrunken.
Wie gehst du heute mit deiner Magersucht um?
Ich gehe offen damit um. Man sieht es mir nicht mehr so an und ich binde es niemanden auf die Nase, aber wenn das Thema zur Sprache kommt oder wenn jemand etwas von meiner Vergangenheit wissen will, dann stehe ich dazu, denn die Magersucht war ein Teil von mir und wird es auch irgendwie immer bleiben.
Wie standen deine Klassenkameraden zu deiner Krankheit?
Ganz unterschiedlich: Es waren ein paar, die mich deswegen fertig gemacht haben. Sie haben immer gesagt, dass ich eine Bohnenstange, hässlich und abgemagert wäre und es das Beste wäre, wenn ich sterbe würde. Dann haben die Anderen mich verteidigt.
Wie hat deine Familie dir versucht zu helfen?
Ich wurde ja gemobbt, da haben mir meine Lehrerin und meine engsten Freunde geholfen. Zu Hause haben mir meine Eltern geholfen, indem sie mich nicht zum Essen gezwungen haben. Das hört sich jetzt negativ an, war aber positiv. Sie haben mich dann abgelenkt, damit ich nicht die ganze Zeit an die Kalorien denke.
Trotzdem hast du dir auch professionelle Hilfe geholt?
Ich war für eine Zeit in einer Klinik, dort wurde mir durch Einzel- und Gruppentherapie geholfen. Man hat dort immer Mut gemacht bekommen. Ich hab mehr Selbstvertrauen bekommen und dadurch habe ich mich öfters überwinden können, etwas zu essen. Jetzt wird mir noch durch die Therapie, Freunde und Familie geholfen, da sie mich ans Essen erinnern und mich unterstützen, wo sie nur können.
Wie kam es, dass du dich bereit erklärt hast, in eine Klinik zu gehen?
Meine Ärztin hat mir gesagt, dass ich nicht überlebe, wenn ich so weiter mache. Ich habe dann das erste Mal dazu gestanden, dass es eine Sucht ist. Dann meinte sie, dass ich in die Klink gehen solle. Doch das kam für mich nicht in Frage. Meine Lehrerin meinte, dass ich an meine Mitschüler, Freunde und Familie denken und es mir dann noch einmal überlegen soll.
Wie war es dort für dich?
Es war ungewohnt und ich hatte dort richtig Angst. Ich wusste zwar, dass mir geholfen wird, aber ich wusste nicht, ob ich es wirklich will. Nach einer Zeit hab ich dann bemerkt, dass es das Richtige ist und hab versucht mich zu bessern.
Was isst du jetzt, um zuzunehem?
Ich esse eigentlich ziemlich das Gleiche: Gurken, Karotten, Paprika, aber ich kombiniere es mit Fleisch. Ich esse auch Bananen, die ungefähr so viele Kalorien wie Schnitzel haben. Da ich eine Gluten- und Laktose-Intoleranz habe, darf ich kein Brot und keinen Käse und Joghurt essen. Manchmal esse ich dann noch laktosefreien Käse.
Hattest du die typischen Symptome von Magersucht?
Mir war oft schwindelig und kalt. Ich hatte vor allem niedrigen Blutdruck und bin öfter umgekippt.
Glaubst du, dass Serien, wie „Germany’s next Topmodel“ die Magersucht unterstützen?
Ja, glaub ich, da eine Freundin von mir, die ich in der Klinik kennengelernt habe, meinte, dass sie das geguckt hätte und auch so sein wollte wie die Models in der Serie.
Was würdest du anderen Betroffenen raten?
Auf jeden Fall Klinik, Therapie und offen darüber reden, da man sich erstmal eingestehen muss, dass man ernsthaft krank ist.
Nadine Maihoff und Alisa Jakob, 8d, Maria-Wächtler-Gymnasium