Duisburg. Die Linke in Duisburg wird bei der Kommunalwahl ohne bekannte Gesichter in den Wahlkampf ziehen. Ursache dafür sind gut 100 mobilisierte Neu-Mitglieder aus der Ecke der “Realos“, die von der Plattform “Linker Aufbruch“ als “Wahlnomaden“ bezeichnet werden. Die Einigkeit im Kreisverband ist damit Geschichte.

Bei einigen im Duisburger Kreisverband der Linken liegen die Nerven offenbar blank. Noch vor dem Wochenende mahnte der langjähriger Pressesprecher gegenüber der Redaktion „eine ausgewogene und faire Berichterstattung“ an. Eine solche sehe aus seiner Sicht ja ohnehin „durchweg anders aus“, schreibt er in einer E-Mail und bezieht sich unter anderem darauf, dass er Verlautbarungen aus der Parteizentrale nicht zügig genug oder gar nicht in der Zeitung wiederfinden würde. Die Verabschiedung des Programms zur Kommunalwahl zum Beispiel, dem ja schließlich 94 Prozent der Mitglieder zustimmt hätten, eine „große Mehrheit“ also.

Ganz abgesehen davon, dass sich keine unabhängige Zeitung ihre Inhalte ins Blatt diktieren lässt: Dass sich diese vermeintlich breite Einigkeit bei den Linken kurz darauf schon wieder in ihre Bestandteile zerlegte, sorgt jetzt sogar für überregionale Schlagzeilen. Denn die Frage, wer denn die Inhalte dieses Programms nach der Wahl in den Kommunalparlamenten vertreten soll, führte bei der Versammlung am Wochenende zu einem heftigen Machtkampf zweier Lager. Entscheidend waren am Ende vor allem die Stimmen von gut 100 Neu-Mitgliedern. Ganze Familien waren zuletzt in die Partei eingetreten. Einige nennen das „Mobilisierung“, andere schlicht „Wahlnomadentum“.

Ohne die bekannten Gesichter in den Wahlkampf

Ergebnis: Die Linke wird bei der Kommunalwahl im Mai ohne die bekannten Gesichter in den Wahlkampf ziehen: ohne Thomas Keuer, den Verdi-Geschäftsführer, ohne Barbara Laakmann, die OB-Kandidatin des Jahres 2012. Sie beide finden sich nicht auf der Liste der zehn Kandidaten wieder, die am Wochenende auf der Mitgliederversammlung in der Globus-Gesamtschule gewählt wurden. Aber auch Hermann Dierkes, langjähriger Fraktionssprecher der Linken, ist nicht dabei.

Während der 64-Jährige freiwillig den Rückzug ins Private antritt, sieht Parteichefin Edith Fröse aber gerade Dierkes als denjenigen an, der es am Wochenende mit 100 neuen Mitgliedern geschafft habe, den Linken die Liste mit Dierkes-Getreuen zehn neuen Rats-Kandidaten zu diktieren. Fröse: „Die haben ganze Arbeit geleistet, gegen diese neue Mehrheit hatten wir keine Chance.“ Mit „wir“ meint Fröse jene Gruppierung innerhalb der Linken, die sich hinter einer im vergangenen Jahr gegründeten, partei-internen Plattform „Linker Aufbruch für Duisburg“ versammeln. Ihre Zielrichtung: Sozial- und Personalabbau in der Stadt verhindern, und fragwürdige Großprojekte wie das FOC in Hamborn verhindern. Bei den Vorstandswahlen vor einigen Wochen war die Plattform „linker Aufbruch“ noch erfolgreich.

Für Linken-Realo Dierkes sind dies eher „Dogmatiker“, die Politik nicht im Rathaus, sondern auf der Straße oder auf der Galerie machen wollen, die dann vermeintlich immer recht hätten, aber nie etwas konkret bewirken könnten. Hermann Dierkes ist bei den Linken der Architekt und engagierte Befürworter jener heftig umstrittenen Zusammenarbeit der Linken mit den Sozialdemokraten und Grünen im Rat. Dierkes: „Wir Linke sehen auf der kommunalen Ebene viele Schnittmengen mit der SPD und Grünen und machen für die Stadt Duisburg Politik - auf Bundesebene würden Linke, SPD und Grünen wohl nicht zusammenarbeiten.“

Mitglied für 1,50 Euro

Linke Realpolitik gegen linke Gesinnungsethik. Zum Beispiel bei der Kampfabstimmung um Listenplatz zwei. Erkan Kocalar, dritter Bürgermeister, gegen Thomas Keuer. Der Schlosser gewinnt gegen den Gewerkschaftsfunktionär im Stimmenverhältnis 2:1. Aber ginge dieser Konflikt soweit, dass „Wahlnomaden“ die Ergebnisse manipulieren könnten? Dierkes: „Es gab neue Mitglieder und viele Wiedereintritte, diese waren aber gleichmäßig verteilt auf beide Lager.“ Zudem müssten die Neuen mindestens sechs Wochen dabei sein und ihren Mitgliedsbeitrag geleistet haben, bevor sie überhaupt an Wahlen teilnehmen dürften.

1,50 Euro kostet es, Mitglied der Linken zu sein. Keine allzu große Hürde, sagt Parteichefin Fröse, die sich fragt, ob sie jemals noch etwas von den neuen Mitgliedern zu sehen bekommen wird. Vermutlich nicht. Jetzt aber sei mit den zehn Dierkes-Getreuen eine Mannschaft für den Rat nominiert, von der sie Zweifel habe, ob sie tatsächlich das mit großer Mehrheit verabschiedete kommunalpolitische Grundsatzprogramm der Linken umsetzen werden.

„Wie auf einem Familienausflug“

Auch Barbara Laakmann wird ihren Sitz im Rat räumen müssen. Nicht einmal zwei Jahre ist es her, da war sie als OB-Kandidatin noch die Frontfigur. Am Wochenende fand sie sich auf keiner Liste wieder, stand damit eher zwischen den Lagern. „Mir war nicht klar, dass diejenigen, mit denen ich fünf Jahre in der Ratsfraktion zusammengearbeitet habe, mich stillschweigend fallen lassen.“ Sie wollte für Listenplatz vier antreten, zog dann aber zurück.

„Nach den ersten drei Abstimmungen war ja klar, wie es läuft. Dafür bin ich mir zu schade, für das Abstimmungsergebnis hätte meine Arbeit und meine Qualifikation überhaupt keine Rolle gespielt“, sagt Laakmann. Viele der Mitglieder bei der Versammlung, die in Grüppchen bei mitgebrachtem Tee und Gebäck zusammen saßen, habe sie noch nie zuvor gesehen. „Ich kam mir zeitweise vor wie auf einem Familienausflug.“