Duisburg. Zehnjähriges Jubiläum des Nachhilfe-Projektes zeigt, wie auch mit wenig Geld Unterstützung möglich ist: Studenten spenden Zeit für ältere Schüler, die wiederum Jüngeren helfen.
Hoher Besuch in Duisburg: Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Ulla Schmidt, kam als Gastrednerin zum zehnjährigen Jubiläum des „Chancenwerks“ in die Haniel-Akademie nach Ruhrort. Beim Geburtstagsfest des Nachhilfeprojekts blickten die Gründer der gemeinnützigen Organisation gemeinsam mit ihren Gästen und Förderern auf ein ganzes Jahrzehnt Arbeit an der Bildungsfront zurück – eine Arbeit, die so bemerkenswert ist wie die Idee dahinter.
„Bruder, wir müssen was tun!“ Dieser Satz war vor zehn Jahren Anstoß zu dem, was heute das „Chancenwerk“ ist. Serife Vural erkannte damals einen Missstand im deutschen Bildungssystem und forderte ihren Bruder zum Handeln auf.
Steiniger Weg für Arbeiterkinder
Für Kinder von Migranten und Arbeiterfamilien, wie die Vural-Geschwister, war der Weg zum höheren Bildungsabschluss nämlich steinig – oder fast nahezu gänzlich verbaut. Die Vurals schafften es trotzdem an die Universität, danach wollten sie Vorbild sein und anderen Arbeiterkindern den Weg zum bestmöglichen Abschluss ebenfalls ermöglichen. „Schon mein Vater hat immer gesagt: Für eure Bildung gebe ich mein letztes Hemd“, erinnert sich Murat Vural, der heute Vorsitzender des Vereins ist.
Bildung als höchstes Gut zu erkennen, wurde den Geschwistern so schon früh vermittelt. Sie gründeten mit Freunden den „Bildungs- und Förderverein für Schüler und Studenten“, der 2011 in „Chancenwerk“ umbenannt wurde. Das bis heute gewachsene System ist ebenso einfach wie genial: Studenten kümmern sich um ältere Schüler, die vor ihrem Schulabschluss stehen, diese helfen als Gegenleistung den jüngeren Schülern.
Finanziellen Mittel aus Stiftungen und Unternehmen
Die Schüler der höheren Jahrgänge „zahlen“ ihre Unterstützung mit der Zeit, die sie in die jüngeren Jahrgänge investieren. Die Kleinen wiederum zahlen mit diesem Zeit-Kontingent und mit Hilfe von finanziellen Mitteln aus Stiftungen und Unternehmen lediglich zehn Euro pro Monat für wöchentlich zwei Nachmittage Nachhilfe.
Ulla Schmidt rühmte dieses soziale Engagement nun von höchster Stelle. „Die Leute vom Chancenwerk wollen nicht nur über Bildung reden, sondern bringen sich wirklich gewinnbringend ein“, freut sich die Bundestagsvizepräsidentin. „Dabei versuchen sie, unabhängig vom augenscheinlichen Potenzial jeden Kindes, die verborgenen Talente zu entdecken“, erklärte Schmidt weiter.
Verpflichtungen des Bildungssystems
Die SPD-Frau war vor ihrer Politkarriere selbst 17 Jahre als Lehrerin in einer Sonderschule tätig und weiß vor allem um die Verpflichtungen des Bildungssystems gegenüber Migranten-Familien: „Wir sind ein Einwanderungsland und haben eine hohe Verantwortung gegenüber den Menschen, die zu uns gekommen sind“, sagt Schmidt. Genau hier haben die Geschwister Vural „etwas getan“: Das „Chancenwerk“ hilft da, wo das Bildungssystem (noch) nicht oder nicht mehr greift.