Duisburg. Unbeobachtet von Kameras und Ordnungsamt verrichten Wildpinkler immer wieder ihre Notdurft an Mauern und Hauswänden. Das Konzept “nette Toilette“ erlaubt den vom Druck Geplagten die Toiletten von Gastronomen nutzen. Diese bekommen im Gegenzug eine finanzielle Entschädigung von der Stadt.

Man ahnt ja manchmal gar nicht, was Videokameras im öffentlichen Raum so alles erfassen: So sah sich unlängst ein Wildpinkler nahe der U-Bahn-Station am Hauptbahnhof nicht nur durch eigene Hand, sondern auch durch eine weithin hörbare Lautsprecherdurchsage entblößt. „Das ist keine öffentliche Toilette junger Mann“, tönte es maßregelnd aus dem Gebäude, in dem das DVG-Kundencenter residiert. Der junge Mann mit dem schneeweißen Haarschopf schlich betreten von dannen.

Doch so wie er nutzen viele die Mauer an besagter Stelle, um ihre Notdurft zu verrichten, ohne dass sie dabei von Kameras oder sogar von Ordnungsamtsmitarbeitern erspäht werden, die dafür dann 30 Euro Bußgeld kassieren. Zwar ist nicht immer davon auszugehen, dass die Pinkelei in aller Öffentlichkeit dem enormen Druck geschuldet ist, der den Weg auf die nächste ordentliche Toilette verunmöglicht.

Aufkleber im Eingangsbereich

Doch wer den Weg noch angehen kann und will, weiß oft nicht, wo er sein drängendes Bedürfnis erledigen kann. Nicht nur in der City, sondern im gesamten Stadtgebiet ist die Zahl der öffentlichen Toiletten, die von der Stadt über die Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) unterhalten werden, auf zehn zusammengeschrumpft. „Die Zerstörungen durch Vandalismus sind ein Riesenproblem“, sagt WBD-Sprecherin Silke Kersken. „Deshalb haben wir auch die Toilette im Rathaus Hamborn knapp zwei Wochen nach der Grundsanierung wieder schließen müssen.“

Um einen Ausweg aus diesem teuren Dilemma zu finden, haben sich die WBD eine Idee zu eigen gemach, die 2000 in der Baden Württembergischen Stadt Aalen geboren wurde und seitdem ihren Siegeszug durch über 150 Städte in Deutschland fortgesetzt hat: die nette Toilette. Grundlage des Konzeptes ist die Einbindung vor allem der Gastronomen in die Versorgung, was bedeutet, dass diese freiwillig und gegen eine von den WBD gezahlten Aufwandsentschädigung ihre Toilettenanlagen zur kostenlosen Nutzung und nicht nur für Gäste zur Verfügung stellen.

Wer dabei ist, zeigt das mit einem Aufkleber im Eingangsbereich, der außer einem Grinsegesicht mit Klorollen-Augen auch Piktogramme haben kann, die verdeutlichen, ob die Toilette behindertengerecht ist, oder ob es auch einen Wickeltisch gibt.

Gute Gründe für alle Beteiligten

Für Duisburg ist die nette Toilette in allen sieben Stadtbezirken in stark frequentieren Bereichen vorgesehen“, erklärt Silke Kersken. Per Mitteilungsvorlage werden zunächst im März die Bezirksvertreter von Mitte, Rheinhausen und Meiderich/Beeck mit dem Konzept vertraut gemacht. Dann sollen die weiteren Bezirksvertretungen folgen.

Die ersten „Sondierungsgespräche“ mit Gastronomen stimmen allerdings nicht so hoffnungsfroh, dass die Idee auch in Duisburg in die Realität umzusetzen ist. „Viele waren in den ersten Gesprächen zurückhaltend“, gibt Silke Kersken zu. „Aber das liegt eher an der Unwissenheit. Die Menschen, die nette Toiletten nutzen, sind ganz normale Leute, nicht die befürchteten Drogensüchtigen.“

Für die Einrichtung der netten Toilette gibt es gute Gründe für alle Beteiligten. Die Gastronomen oder auch Händler erhalten die Aufwandsentschädigung von der Stadt für den Unterhalt ihrer sanitären Anlagen. Zudem können sie mit diesem Service durchaus neue Kunden gewinnen. Die Städte sparen Geld, denn öffentliche Toiletten sind kostspielig. So zahlen die WBD beispielsweise 20.000 Euro pro Jahr nur für die öffentliche Toilette am Calais Platz, die aber in der Woche nur von 10 bis 18 Uhr und samstags von 8 bis 15 Uhr geöffnet ist.

Und dass die Bevölkerung davon profitiert, braucht man niemanden zu erklären, der schon einmal mit einer drängenden Wasserstandsmeldung verzweifelt ein stilles Örtchen gesucht hat.