Duisburg. . Der Duisburger Stadtdirektor Reinhold Spaniel ist täglich mit den Auswirkungen der Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien konfrontiert. Im Interview zeigt er Verständnis für die Sorgen alteingesessener Duisburger, warnt aber zugleich vor Verallgemeinerungen. Zugleich appelliert er an die Verantwortung der EU-Regierungen.
Städte wie Duisburg und Dortmund sind von der Zuwanderung durch Armutsflüchtlinge betroffen. Der Städte- und Gemeindebund fürchtet einen „Sozialtourismus“, den die Kommunen nicht mehr verkraften könnten. Der Duisburger Stadtdirektor Reinhold Spaniel ist täglich mit den Auswirkungen der Armutszuwanderung konfrontiert.
Herr Spaniel, die politische Diskussion um Zuwanderung ist voll entbrannt. Wie erleben Sie als jemand, der tagtäglich mit dem Problem konfrontiert ist, die Debatte?
Reinhold Spaniel: Die Debatte ist sehr akademisch. Ich glaube nicht, dass viele Politiker wirklich wissen worüber sie reden. Wir als Stadt Duisburg haben Rumänien und Bulgarien nicht in die Europäische Union geholt. Das war die Bundesregierung. Nun darf man die Städte nicht allein lassen mit dem Problem.
Was könnte den Städten helfen?
Spaniel: Nehmen Sie das Beispiel Duisburg. Hier leben inzwischen rund 10.000 Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien. In einigen Stadtteilen wie Hochfeld ist die Lage schlimm. Überbelegte Mietshäuser, Verwahrlosung, unsoziales Verhalten, Belästigung von Anwohnern. Wenn alteingesessene Hochfelder mir sagen: ,Das ist nicht mehr unsere Stadt’, dann ist das für mich ein Alarmzeichen. Wir können aber bei verwahrlosten oder hoffnungslos überbelegten Mietshäusern nur eingreifen, wenn der Mieter sich bei uns beschwert. Das macht aber kein Mieter, somit sind uns die Hände gebunden. Da brauchen wir dringend eine rechtliche Änderung und endlich arbeitet die Landesregierung ja auch an einem neuen Wohnaufsichtsgesetz, das uns mehr Möglichkeiten bieten soll.
Der politische Streit wird gerade sehr emotional geführt. Können Sie das nachvollziehen?
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Spaniel: Ich kann nachvollziehen, wenn betroffene Anwohner emotional reagieren, auch wenn ich sagen muss, dass in Duisburg die meisten Anwohner sehr besonnen mit der Situation umgehen. Was ich nicht gutheiße, ist wenn Politiker, die eine Verantwortung für die Gesellschaft tragen, leichtfertig mit Stammtischparolen agieren. Mich stören vor allem diese Verallgemeinerungen. Es gibt nicht „die Rumänen“ oder „die Bulgaren“. Hier leben beispielsweise viele hochqualifizierte bulgarische Krankenschwestern oder bestens ausgebildete rumänische Ärzte. Das sind Fachkräfte, die wir dringend brauchen.
Aber es gibt eben auch die Armutsflüchtlinge.
Spaniel: Ich habe großes Verständnis für jeden Familienvater aus Rumänien, der seine vier Kinder ernähren muss und nach Deutschland geht, weil er das zuhause nicht mehr schafft. Ich würde das an seiner Stelle genauso machen. Das soziale Gefälle ist enorm. Aber auch hier gilt: Dieses Problem haben nicht die Städte zu verantworten, sondern nationale Regierungen.