Duisburg. Der Landtag NRW diskutiert heute darüber, wie man Austausch unter Kinderärzten bei Verdacht auf Kindesmisshandlung möglich machen kann. Eltern vertuschen Fälle oft mit Ärzte-Wechseln. Das Duisburger Projekt Riskid zeigt, wie es gehen kann. Doch es gibt Bedenken wegen des Datenschutzes.

Das Thema Kindesmisshandlung steht am heutigen Donnerstag auf der Agenda des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend im Landtag NRW. In einer Öffentlichen Anhörung, die die CDU-Fraktion erwirkte, geht es darum, wie man den „Interkollegialen Austausch von Kinderärzten bei Verdacht auf Kindesmisshandlungen“ ermöglichen kann.

Bei Ideen, die Kindesmissbrauch früher erkennen helfen, sollten eigentlich alle Türen offen stehen, denkt man als Laie. Die Stellungnahmen und juristischen Gutachten für die Anhörung sind telefonbuchdick und offenbaren ein Minenfeld aus Datenschutz und Zuständigkeitsdifferenzen zwischen Land und Bund, zwischen Heilmittelgesetz und Bundeskinderschutzgesetz, zwischen Landesverbänden und Duisburger Ortsvereinen.

Projekt "Riskid" rettete bereits Kinder

Als Sachverständiger wird der Duisburger Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki aussagen. Er ist Begründer des Duisburger Pilotprojekts Riskid, mit dem Kinderärzten eine Austausch-Plattform geboten wird. Auslöser war, dass 2005 in Duisburg fünf Kinder durch Missbrauch starben. In zwei Fällen hatten die Täter zur Vertuschung „Doktor-Hopping“ betrieben, wechselten also für jede Behandlung, jede neuerliche Verletzung den Arzt. Und jeder einzelne Mediziner konnte zwar stutzig werden ob der Verletzungen, aber erst in der Summe gaben sie ein eindeutiges Bild.

Durch Riskid lässt sich in Zweifelsfällen schnell klären, ob ein vorbehandelnder Arzt auch schon über Verletzungen stolperte. Seither konnte Kownatzki einige Kinder aus der Gewaltspirale befreien. In einem Fall etwa kam eine Mutter mit ihrem Nachwuchs lediglich zum Impfen, die Abfrage in der Datenbank ergab, dass es sich womöglich um ein „Riskid“, also ein Risikokind handelt. Kownatzki weitete die Untersuchung aus und stellte Striemen an Gesäß und Rücken fest, schaltete die Kinderklinik ein, einen Rechtsmediziner, schließlich Polizei und Staatsanwaltschaft. Der Fall ging glücklich aus, der Täter - Lebensgefährte der Mutter - wurde verurteilt, die Mutter konnte sich mit Hilfe des Jugendamtes aus der Abhängigkeit lösen, neu anfangen.

NRW soll Vorreiter sein

Für Kownatzki, den zweifachen Vater und Großvater, ist das Thema das Belastendste seines Berufes. Er redet besonnen, manchmal schweigt er vor der Beantwortung einer Frage - und man möchte nicht wissen, welche Bilder dann vor seinem inneren Auge ablaufen. Kownatzki hofft, dass NRW eine Vorreiterrolle einnimmt, damit den Ärzten eine Rechtssicherheit gegeben wird für den Austausch untereinander.

Riskid läuft als Pilotprojekt im westlichen Ruhrgebiet, beteiligt sind Kliniken, sozialpädiatrische Zentren sowie niedergelassene Kinderärzte. Wegen der Rechtsunsicherheit lassen sich Beteiligte von den Eltern Schweigepflichtsentbindung unterschreiben.

Wohlfahrtsverbände gegen Datenbank

Der Landesverband des Kinderschutzbundes hält den Austausch unter Ärzten für „datenschutzrechtlich äußerst bedenklich“ und „in der Sache nicht zielführend“. Er und auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände halten ein „geordnetes Miteinander von Fachkräften der Gesundheitshilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe“ für sinnvoller.

Das sieht der Duisburger Kinderschutzbund anders: „Das Wohl der Kinder kann doch nicht davon abhängen, ob Eltern eine Einverständniserklärung unterschreiben“, so Gerhild Tobergte. Datenschutz sei kein Selbstzweck. Und Wolfgang Krause, Awo-Geschäftsführer und Sprecher der Duisburger AG der Wohlfahrtsverbände, findet die Logik verquer, zu fürchten, Eltern würden dann gar nicht mehr zum Arzt gehen. „Die wenigsten misshandeln, weil sie Sadisten sind, sondern weil sie überfordert sind.“ Riskid sei kein Pranger, sondern werde verantwortlich geführt.