Duisburg. Die Duisburger Initiative “Risiko Kinderdatei Deutschland“, kurz Riskid, breitet sich immer mehr in Deutschland aus. Das Mediziner-Projekt dient als Frühwarnsystem zur Prävention von Kindesmisshandlung. Doch die Ärzte kämpfen mit Datenschutz. Die Ärztekammer NRW und die Landes-CDU fordern eine Einschränkung der Schweigepflicht.

Riskid, die Kurzform von Risiko Kinderdatei Deutschland, beschäftigte am Dienstag den Arbeitskreis Kriminalitätsvorbeugung. Kriminalhauptkommissarin Claudia Jacoby stellte das Projekt vor, dass seinen Ursprung in Duisburg hatte und sich mittlerweile immer mehr in Deutschland ausbreitet. Riskid versteht sich als Frühwarnsystem im Medizinbereich zur Prävention von Kindesmisshandlung

Zwei tragische Fälle

Dr. Ralf Kownatzki, Duisburger Kinder- und Jugendarzt, ist gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter der Duisburger Mordkommission, Gründer von Riskid. Auslöser war 2005 der Tot von fünf Duisburger Kindern. Zwei Fälle waren besonders tragisch: ein Säugling verstarb im Alter von sechs Monaten nach längerer Misshandlung und weil die Eltern ihn verhungern ließen.

Das andere Opfer war ein vierjähriges Mädchen, das über einen langen Zeitraum gequält worden war, bis es zuletzt, verhungert und verdurstet, seinen zahlreichen Verletzungen erlag. Beide Kinder verstarben in einem Alter, in dem für sie die gesetzliche Vorsorgeuntersuchung U 5 bzw U 8 vorgesehen war, zu denen die Kinder aber von den Eltern nicht gebracht worden waren.

Eine nachprüfbare Vorsorgeuntersuchung

Die Duisburger Kinder- und Jugendärzte in Klinik und Praxis kamen damals nach Gesprächen mit Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und Rechtsmedizin zu zwei Schlussfolgerungen, wie konkret und möglichst schnell eine Verbesserung der Situation erzielen könnte. Erste Schlussfolgerung war die Einführung von nachprüfbaren Vorsorgeuntersuchungen, die in NRW wie in einigen anderen Bundesländern auch realisiert wurde. Die zweite Folgerung führte zur Gründung von Riskid. Denn alle waren sich einig, dass Kinder- und Jugendärzte ein dateibasiertes Informationssystem benötigen.

Einerseits wollten die Initiatoren so dem häufig praktizierten Doctorhopping begegnen, das heißt dem gezielten Arztwechsel durch Erwachsene, die ihre Kinder misshandeln und andererseits den innerärztlichen Informationsaustausch über gefährdete Kinder verbessern. Trägt ein Arzt, der Riskid angeschlossen ist, und einen vagen Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung hat, den Namen seines Patienten in die Datenbank ein, erhält er die Kontaktdaten des vorher behandelnden Arztes und kann sich mit seinem Kollegen bisher am Telefon, am Fax, per Email oder per Arztbrief austauschen.

„Virtuelle Großraumpraxis“

Doch genau diese Datenbank, die wie eine „virtuelle Großraumpraxis“ funktioniert, rief die Datenschützer auf den Plan. Stichwort: Schweigepflicht. Bisher behelfen sich die Ärzte damit, dass sie sich von allen Erziehungsberechtigten ihrer Patienten eine Entbindung der Schweigepflicht unterzeichnen lassen. Was auch erstaunlich gut klappt, wie Claudia Jacoby gestern noch einmal betonte. Die meisten Eltern unterzeichnen, eine wenige verweigern die Unterschrift, doch das sind meist Eltern mit Migrationshintergrund, die aufgrund sprachlicher Barrieren den Sinn und Zweck der Unterschrift nicht verstehen. Aber die Entbindung von der Schweigepflicht ist eine rechtliche Krücke. Auch wenn der Verein mittlerweile Gutachten eingeholt hat, die die Rechtmäßigkeit des bisherigen Vorgehens bestätigen, sind Ärzte, die sich gerne an dem Frühwarnsystem beteiligen würden, verunsichert.

Deshalb fordert Dr. Kownatzki wie die Ärztekammer NRW eine Initiative des Gesetzgebers zur Einschränkung der Schweigepflicht. Eine Forderung, der sich die Landes-CDU inzwischen per Antrag angeschlossen hat. In Duisburg hat diese rechtliche Krücke keine Mediziner davon abgeschreckt, bei Riskid mitzumachen. Hier sind alle 26 Kinder- und Jugendärzte sowie die Kinderklinik dabei.