Duisburg. An der Baustelle für das Stadtfenster herrscht weiterhin Stillstand. Die Gerüchte werden immer lauter, dass Multi Development in Zahlungsschwierigkeiten steckt. Was beim Bauherren los ist und wann Bibliothek und VHS einziehen können: Die NRZ gibt die wichtigsten Antworten.
Es soll das zentrale Bildungsgebäude mitten in der Stadt werden, nach der Fertigstellung die Zentralbibliothek und die Volkshochschule beherbergen. Doch seit Wochen tut sich nichts mehr auf der Baustelle an der Steinschen Gasse, die Arbeiten liegen brach, der Rohbau ist total verwaist. Die Gerüchte werden immer lauter, dass der Bauherr Multi Development in Zahlungsschwierigkeiten steckt. Wird das sogenannte Stadtfenster nach dem Kubus für die Küppersmühle die zweite Bauruine in der Duisburger Innenstadt und die nächste Blamage, die bundesweit Aufmerksamkeit erregt?
Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
1. Warum die Arbeiten immer noch stillstehen
Offiziell hat der Bauherr Multi Development (MD) erklärt, dass man lediglich auf Fassadenteile warte und es keine Zahlungsengpässe gäbe. Ende Juli hieß es aus der Firmenzentrale: Die Arbeiten gehen in Kürze weiter. Allerdings tut sich nach wie vor nichts auf der Baustelle an der Steinschen Gasse.
2. Was bei Multi Development im Hintergrund geschieht
Dem weltweit tätigen Unternehmen steht eine Übernahme durch den US-Finanzinvestor Blackstone bevor, der vor allem an dem gut laufenden und gewinnbringenden Türkeigeschäft der Niederländer interessiert sein soll. Das Übernahmeangebot der Amerikaner soll die Europäische Kommission vor kurzem genehmigt haben.
Baustellenrundgang
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Die Deutschland-Zentrale von MD mit Sitz in Duisburg haben einige Manager bereits verlassen, darunter auch der Deutschland-Chef Axel Funke. Immer wieder gibt es Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten, auf die unter anderem auch der Baustopp am Stadtfenster zurückgeführt wird. Diese könnten aber in Zusammenhang mit der Übernahme gezielt gestreut werden, wohlmöglich auch, um die MD-Projekte billiger zu ergattern.
3. Warum eine andere Firma den Bau fertigstellen könnte
Nach NRZ-Informationen soll die Stadt bereits mit dem am 30. September scheidenden MD-Chef Axel Funke über die Fortführung der MD-Projekte in Duisburg verhandeln. Funke ist laut Handelsregister Mitgründer der am 21. Juni 2013 gegründeten Fokus Development AG, die als Geschäftsfeld die Projektentwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien hat.
Als Vorstand des Unternehmens ist Thomas Kraft eingetragen, ebenfalls ein ehemaliger MD-Manager. Der Sitz der Firma ist in der Mainstraße 49, einem Haus, das Axel Funke gehört. Allerdings gibt es dort bislang kein Schild, das darauf hinweist, sondern lediglich eher provisorisch wirkende Klingel- und Briefkastenaufkleber.
Wie es weitergehen soll
4. Wann es am Stadtfenster weitergeht
Neuester Stand: „Mitte September werden die Arbeiten fortgesetzt“, sagt Kulturdezernent Thomas Krützberg. Das hätten MD und Axel Funke in einem Gespräch mit der Stadt vor wenigen Wochen zugesagt. Auf NRZ-Anfrage erklärte Axel Funke: „Auch Multi geht davon aus, dass die Arbeiten am Stadtfenster Anfang bis Mitte September fortgesetzt werden.“
5. Wann die Zentralbibliothek eröffnet wird
Die Stadt hofft immer noch auf September 2014. Allerdings soll der Bauherr das Gebäude erst im Mai 2014 mit einer „Mindestinfrastruktur“ übergeben, wie Krützberg der NRZ erklärte. Die Stadt will die Ausstattung und Inneneinrichtung von Bibliothek und VHS in Eigenregie durchführen, plant dafür 7,5 Millionen Euro ein. Wie lange der Innenausbau dauert, konnte Krützberg nicht genau sagen: „Wir setzen alles daran, dass im September 2014 eröffnet werden kann.“ Allerdings liegen die Arbeiten bereits jetzt zwei Monate hinter dem Zeitplan.
6. Warum eine Verzögerung keine Folgen für MD hat
Das Stadtfenster wurde Anfang 2007 auf der Immobilienmesse in Cannes erstmals vorgestellt. Erst sollte es die Sparkasse finanzieren, dann die DVV dafür 43 Millionen Euro in die Hand nehmen. Ziel der Stadtspitze um Ex-OB Sauerland war es, das Projekt so schnell wie möglich zu realisieren. Schließlich wurde der Bau doch über Banken finanziert, die Stadt ist Ankermieter. Nach langem Hin und Her unterzeichneten der damalige OB Sauerland und MD-Chef Funke im Oktober 2010 dann den Mietvertrag. Nach NRZ-Informationen ist in den Verträgen allerdings ein Fertigstellungstermin nicht explizit festgehalten. Verzögert sich der Bau, muss der Bauherr mit keinen Konsequenzen rechnen. Denn Strafzahlungen bei Nichterfüllung, wie sie zum Beispiel der Küppersmühlen-Vertrag für die Gebag vorsah, soll es beim Stadtfenster ebenfalls nicht geben.
7. Wer Eigentümer des Stadtfensters sein wird
Die Stadt ist der Ankermieter, Multi Development ein Projektentwickler, der seine Projekte üblicherweise nach Fertigstellung veräußert. So geschehen auch bei Forum und Königsgalerie, die in das Portfolio der Corio AG wanderten. Zunächst soll die Hannover Leasing, auch Eigentümer des City-Palais, als Erwerber des Stadtfensters im Gespräch gewesen sein, jetzt aber kein Interesse mehr haben.
Was mit den anderen MD-Projekten geschieht
Multi Development hat nach dem Bau des Forums und der Königsgalerie neben dem Stadtfenster noch zwei weitere Projekte in der Pipeline: Die neue Firmenzentrale an Mercatorstraße sowie ein 25 Millionen Euro teurer Fashion-Komplex am Noch-Büchereistandort an der Düsseldorfer Straße.
MD beteuerte zuletzt, an allen geplanten Projekten auch weiterhin festzuhalten. Allerdings bewegt sich auch dort wenig: Wie die Stadt auf NRZ-Nachfrage erklärte, habe MD an der Mercatorstraße das Grundstück immer noch nicht gekauft. „Es laufen dazu intensive Gespräche“, hieß es aus dem Rathaus.
Auch für das Bibliotheks-Grundstück an der Düsseldorfer Straße ist der Kauf längst noch nicht abgewickelt. MD war der einzige Bieter im Vergabeverfahren. Aber: Auch diese Grundstücksvergabe ist an keine Fristenregelung gekoppelt, wie die Stadt bestätigt. Bedeutet: MD und Funke können sich Zeit lassen, bis die interne Entwicklung geklärt ist.
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