Duisburg. .
Auf die 90 geht es zu, das Tausendfensterhaus in Ruhrort, aber in einer Hinsicht hätte es auch in die Duisburger Jetzt-Zeit gepasst mit all den Pleiten, Pech und Pannen rund um große Bauprojekte: Denn als man das imposante Gebäude zu einem gehörigen Teil fertig erbaut hatte, stellt man fest, dass man es eigentlich nicht brauchte.
Doch der Reihe nach – und im Zeitraffer. 1870 gründete der in Utrecht geborene Barthold Suermondt in Paris die „Société Anonyme Aciéries du Rhin“ mit Werken in Deutschland. Europäisch war die Wirtschaft also schon damals. 1872 wurden aus dem Unternehmen die Rheinischen Stahlwerke, die wuchsen und wuchsen zu einem mächtigen Montankonzern, und der brauchte irgendwann eine Zentrale, die etwas hermachte, womit wir im Jahr 1920 wären. Namhafte Architekten wurden eingeladen, unter ihnen Peter Behrens (AEG-Turbinenhalle, Berlin) und Wilhelm Kreis (Tonhalle, Düsseldorf). Den Entwurf lieferte schließlich Heinrich Blecken.
Es sollen nur 510 Fenster sein
Den Stil nennen Fachleute Backsteinexpressionismus, der in den rheinischen Industriestädten häufiger zu bewundern ist. Mächtige Steinquader kennzeichnen das Untergeschoss, darüber befindet sich eine natursteinverkleidete Etage, darüber drei, auf der Rückfront gar vier Stockwerke in Backstein mit vielen gleich großen und gleichmäßig angeordneten Fenstern, die dem ganzen Gebäude seinen Namen gaben. Übrigens hat irgendjemand mal genauer nachgezählt: „Nur“ 510 Fenster sollen es sein. Wer sie putzen muss, dürfte ein anderes Verhältnis zum „nur“ haben.
Wohnungen im Tausendfensterhaus
Wie auch immer: Als die Konzernzentrale der Fertigstellung entgegen ging, ging der Konzern seinerseits auf, und zwar 1926 in den Vereinigten Stahlwerken mit Sitz in Düsseldorf. 1928 wurde ein Teil des Tausendfensterhauses dann doch bezogen, ein weiterer Teil diente ab 1935 als Finanzamt Duisburg-Nord, andere Mieter folgten. In der Not der Nachkriegsjahre wurden sogar Wohnungen eingerichtet, Phasen des Leerstands folgten, schließlich in den 90er Jahren die umfassende Sanierung und Neunutzung. Die beiden Innenhöfe erhielten dabei Glasdächer, die im Inneren spektakuläre Räume ermöglichten.
Weitere imposante Verwaltungsgebäude finden sich in unmittelbarer Nähe: die Rhenus-Zentrale jenseits des Vinckekanals und das Winschermann-Haus auf der anderen Straßenseite, dazwischen der grüne Rasen des Hanna-Nieder-Hellmann-Platzes, benannt nach einer sozialdemokratischen Widerstandskämpferin mit Ruhrorter Wurzeln.
Die Wort-Projektion am Tausendfensterhaus
"Ruhrort ist kein Drecksort, wir haben nicht nur negative Nischen – wir haben hier besondere Sachen – Ruhrort ist ein Idyll. Die innere Verbundenheit mit dem Hafen ist auf jeden Fall gegeben, egal wer hier wohnt."
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"Wer einmal nach Ruhrort kommt, der ist angefixt."
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"Manchmal bin ich als Matrosin mitgefahren, musste einspringen, wenn ein Matrose ausgefallen war."
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"Ein Hafen steht neben der Wirtschaftlichkeit doch auch für Weite, Offenheit und Neugier und Sehnsucht."
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"Der gemeinsame Gedanke und das bürgerliche Engagement sind für Ruhrort enorm wichtig."
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"Die Postkutsche war eine Attraktion von Ruhrort. Der Mike hat einen Teil davon für seine Taverne übernommen."
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"Die Ruhrorter versuchen mit aller Kraft, den Stadtteil aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken."
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"Wir möchten in das Planungsgeschehen eingebunden werden."
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"Ruhrort ist heimelig, begeistert und fasziniert, gerade weil es Bewegung in sich trägt."
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"Wenn ich die ganzen Hafenanlagen sehe, könnte man meinen, dass der Hafen das Wahrzeichen von Duisburg wäre."
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"Besonders stolz sind wir hier auf die Stadtteilpartnerschaft mit St. Pauli."
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"Ich sehe die Seeleute auf ihren Schiffen stehen – wie sie langsam an mir vorbeifahren. Dann habe ich manchmal ein bisschen Sehnsucht nach der Ferne, besonders wenn die Schiffe rheinabwärts fahren."
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BÜRGERLICHES ENGAGEMENT
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"Wenn wir Schiffer aneinander vorbeifuhren, wurde immer gewunken – wenn es ziemlich nah wurde, hat man sich auch mal was rübergerufen. Schon lange, lange passé."
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"Wenn ich Besuch aus Hamburg zum Hafenfest habe, sagen die: Was willst du denn eigentlich, das ist hier doch viel gemütlicher."
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"Bei offenem Fenster höre ich die Verladegeräusche, wenn die Metall- und Schrotteile rumsen und mich wachhalten. Der Hafen ist immer lebendig."
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"Ich hab auf der Werft gelernt. Wenn ich an Bord gekommen bin, wollten die Skipper nett zu mir sein und sagten: „Nimm doch erst mal ’nen Kleinen in ’n Kaffee. Dann war ich um halb zehn schon so fertig und suchte mir manches Mal ein geheimes Lager."
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"Gentrifizierung ist hier natürlich auch ein großes Thema. Die Bürger von Ruhrort sind diesbezüglich sehr sensibilisiert. Diesem Stadtteil wurde einmal das Herz rausgerissen – bitte nicht noch einmal! Alle passen auf, was hier passiert!"
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"Ruhrort war das St. Pauli vom Ruhrgebiet."
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PULSIERENDE LEBENSADER
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"Die Hafenrundfahrten mit Oskar sind schon Besonders."
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"Wenn ich zum Hafen gehe, dann spüre ich die Geschichte, die Historie, die mit diesem Ort verwurzelt ist, und dann denke ich: Aha, das ist es wohl. Die Attraktivität liegt im Verborgenen."
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"Es herrscht hier eine große Ambivalenz und Furcht davor, dass jemand kommt und uns was überstülpt, was die Bevölkerung nicht miteinbezieht. "
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"Ich bin in der Schifffahrt zu Hause, wenn ich über Ruhrort erzähle, dann gab es den lustigen Beinamen „Hanielhausen"."
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"Als mein Vater mal sagte: „Jung, komm, wir gehen den Kapitän besuchen“, da war ich ganz aus dem Häuschen."
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"Der Fluss hat sich seinen Weg gebahnt. Schön zu sehen, dass sich diese Bewegung auch für das Leben in Ruhrort fortsetzt. Ich merke es an den Menschen hier im Stadtteil. Das ist eindrucksvoll."
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