Welche Rolle der Gremium MC laut LKA im "Rockerkrieg" spielt
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Moers/Duisburg. Biker in Moers feiern den Übertritt der “Freeway Riders“ zum Gremium MC. Der Club gilt als Konkurrenz der Hells Angels. Der für Rocker zuständige LKA-Ermittler erwartet durch den “Patch over“ aber keine Verschärfung der Rockerfehde. Bei Satudarah im niederländischen Tilburg fand die Polizei indes zwei Maschinengewehre des Typs AK-47 – genau wie zuletzt in Duisburg.
Nach den Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hells Angels, Bandidos und Satudarah seit Mitte Februar steht die Rockerszene rund um Duisburg unter besonderer Beobachtung. Aktuell verdichten sich die Hinweise darauf, dass die niederländischen Satudarah-Rocker ihren unter Expansionsdruck stehenden Duisburger Ableger mit Waffen für den „Rockerkrieg“ an Rhein und Ruhr aufrüsten wollen (siehe Seite 2 dieses Artikels). Ausgerechnet in dieser Aufregung wechseln die Biker der Moerser „Freeway Riders“ geschlossen zum Gremium Motorcycle Club – zu einem der fünf Motorradclubs also, die das Landeskriminalamt als „Outlaw Motorcycle Gang“ (OMCG) einstuft. Zu diesen gewaltbereiten, oft in organisierte Kriminalität verwickelten Gangs zählen die Strafverfolgungsbehörden Hells Angels, Bandidos, Satudarah, Gremium und Outlaws.
Ein Zeichen dafür, dass der „Patch over“ von Moers jetzt – Höllenengel, Banditen und die hiesigen „Brüder“ der Holland-Rocker suchen hektisch nach Verbündeten – nicht allen in der Szene schmeckt, ist wohl auch die missglückte Brandstiftung am Moerser Gremium-Clubhaus Montagnacht. Die Polizei Wesel jedenfalls wird die „Patch over“-Party im Moerser Clubhaus der „Black 7“ am Samstagabend mit einem Großaufgebot besuchen und jeden einzelnen Gast kontrollieren.
Was also motiviert die offenbar unbescholtenen Moerser Motorradfreunde zum Vereinswechsel? Und was bedeutet dieser für die Rockerfehde?
Duisburger Probe-Chapter des Gremium MC bislang unauffällig
„Wir haben im Moment keine Anhaltspunkte dafür, dass der ‚Patch over’ den Konflikt in der Szene um Duisburg verschärft“, sagt Thomas Jungbluth. Der 56-Jährige leitet beim LKA in Düsseldorf die Abteilung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. In Nordrhein-Westfalen sei der MC Gremium „generell bisher nicht durch Gewalttaten aufgefallen“. Zehn Chapter und etwa 200 Rocker im Zeichen der durch eine Wolke stoßenden Faust gibt es landesweit: in Krefeld, Düren, Euskirchen, Köln, Mönchengladbach, Siegen, Viersen und im anscheinend ortsunabhängigen Chapter „Back Blood“. Hinzu kommen die Probe-Chapter Duisburg und Moers. Diese, so LKA-Mann Jungbluth, seien „im Moment eher unauffällig. Dennoch beobachten wir sie“.
Denn in Süd- und Ostdeutschland sind Rocker des größten deutschen Clubs, der sich nicht amerikanischen MCs angeschlossen hat, in der Vergangenheit mehrfach mit Höllenengeln aneinander geraten. 2010 lieferten sich Gremium- und HA-Rocker sogar eine Massenschlägerei auf Mallorca. Ein aktuelles Beispiel: In Cottbus stehen zurzeit vier Gremium-Rocker vor Gericht, weil sie einen 16-Jährigen mit Messern und Schlagringen beinahe umgebracht hätten. „Durch seine Tötung wollten sie ihre Macht gegenüber den Hells Angels demonstrieren.“ Der Schüler war übrigens gar kein Hells Angel.
"Patch over" als Schutzmaßnahme?
Jungbluth sieht in solchen Gewalttaten aktuell keinen Zündstoff für die Fehde am Niederrhein. Die Rangkämpfe in anderen Bundesländern erklärt er mit „regionalen und persönlichen Auseinandersetzungen und dem Ur-Konflikt unter den Outlaw Motorcycle Gangs“. Als ein strategisches Manöver – Angels, Bandidos und Satudarahs markieren ihre Reviere gerne durch Neugründungen oder Ankündigungen solcher – stuft der leitende Ermittler den „Patch over“ ebenfalls nicht ein: „Solch ein geschlossener Übertritt kann auch ganz banale Gründe haben.“ Möglicherweise fühlten sich die Moerser Biker bei Gremium auch einfach besser geschützt davor, in die Fehde der rivalisierenden Banden verwickelt zu werden.
Nichtsdestotrotz: Ibrahim Yetim, stellvertretender innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, warnt, Gremium unterhalte laut Innenministerium "neutrale bis freundschaftliche Kontakte" zu Bandidos und Satudarah.
Die letzte Gremium-Neugründung im Kreis Wesel hielt sich übrigens nicht mal ein Jahr lang: In Dinslaken feierte das von jungen Türken und Migranten anderer Herkünfte ins Leben gerufene Chapter „Bosporus West“ Anfang 2012 auf der Trabrennbahn. Die „Rocker“ sorgten allerdings nicht durch Motorradkorso für Aufsehen, sondern durch ein im Internet sehr erfolgreiches Rapvideo und Ausflüge ins Centro. Dass sie dort, im „Revier“ der Bandidos, mit ihren schwarz-weißen Kutten spazieren gingen, beobachtete auch die Polizei mit Interesse. Schon 2012 aber war das Chapter am Ende.
„Bosporus West“ habe wohl der gemeinsame, Identität stiftende Nenner gefehlt, so Jungbluth, der viele Rockervereinigungen zusammenhält. Die Wechsel einiger Ex-Gremium-Mitglieder in andere Clubs, zum Beispiel zum Satudarah-Chapter in Duisburg, wertet Thomas Jungbluth als Beleg für die Prämissen vieler Nachwuchsrocker: „Viele dieser Leute stammen aus kriminellen Milieus und überlegen sich, bei welchem MC sie die besten Chancen haben, persönlich zu profitieren.“
In der Auseinandersetzung der letzten Monate sind wie erwähnt auch die Gremium-Prospects in der nordrhein-westfälischen „Rockerhauptstadt“ Duisburg noch nicht in Erscheinung getreten:
Noch zwei AK-47 und ein Raketenwerfer: Razzia bei Satudarah in Tilburg
Dort führten die Dauerkontrollen der Polizei immerhin dazu, dass ein Satudarah-Vollmitglied und ein Anwärter der Schwarz-Gelben wohl wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ins Gefängnis müssen: Vorigen Freitag (15. März) erwischte die Polizei die beiden aus Serbien stammenden Duisburger (23 und 27 Jahre) mit einem Schnellfeuergewehr der Waffenschmiede Kalaschnikow (wir berichteten). Neben der AK-47 lagen auch noch zwei gefüllte Magazine und eine Kiste Munition im Wagen.
Zusätzliche Brisanz erhält die Verhaftung durch eine Razzia der niederländischen Polizei. Die durchsuchte am selben Abend (15. März) mit 40 Einsatzkräften die Kneipe „Oase“ des Satudarah MC „Southside“ in Tilburg – und fand dort ebenfalls zwei AK-47.
Etwa 130 Kilometer liegen zwischen Duisburg und der nordwestlich von Eindhoven gelegenen 200.000-Einwohner-Stadt, die A 40/A 67 ist die direkte Verbindung nach Eindhoven. Die Duisburger Satudarah-Rocker stoppte die Polizei unmittelbar an der Autobahn im Stadtteil Neuenkamp. Auch deshalb liegt freilich der Verdacht nahe, dass die Ak-47 in ihrem Wagen aus Tilburg stammt. Zumal die beiden Satudarah-Chapter einen intensiven Austausch pflegen, sich zum Beispiel in Tilburg von einem Kamerateam für Stern TV (RTL) kürzlich erst gemeinsam filmen ließen.
Fünf Kilo Drogen in der "Oase"
Rüsten die Holland-Rocker also ihre unter Expansionsdruck stehenden „Brüder“ im wahrsten Wortsinne auf? Die Polizei will dazu nichts sagen: „Die Zusammenarbeit mit den niederländischen Kollegen“, sagt Sprecher Ramon van der Maat nur, „klappt ausgezeichnet“.
Das Satudarah-Clubhaus in Tilburg hatte die niederländische Polizei übrigens erst im November 2012 durchsucht: Damals fanden die Polizisten neben fünf Kilogramm Drogen sogar einen Raketenwerfer.
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