Duisburg. . Schön war dieses Haus in Duisburg wohl nie. Sozialer Wohnungsbau in seiner schlechteren Variante. In den Peschen 3 und 5, so seine Hausnummern, ist über die Grenzen der Stadt und des Landes zum Symbol südosteuropäischer Armutswanderung geworden. Ein Ortsbesuch in Rheinhausen.

So also sieht der „german dream“ aus, der deutsche Traum. Ein achtstöckiges Hochhaus aus den 50er Jahren, von der Zeit geschunden. In den Peschen 3 und 5, so seine Hausnummern, ist zum Symbol südosteuropäischer Armutswanderung geworden. Das Haus eben, dessen Balkone von Sperrmüll, Plastiktüten und Hausrat überquellen, auf das Vorbeifahrende mit Fingern zeigen. Duisburg-Rheinhausen, einst stolzer Arbeiter-Stadtteil, beherbergt neuerdings die Elenden und Kleinkriminellen.

Schön war dieses Haus wohl nie. Sozialer Wohnungsbau in seiner schlechteren Variante. Viele Scheiben sind zerschlagen, im Flur riecht es penetrant nach Urin. Überall liegt Müll. Dazwischen wuseln Kinder umher. Seit vor einem Jahr die ersten Roma aus Rumänien einzogen, seit sie begannen, sich mit ihren großen Familien in die Zwei- und Dreizimmerwohnungen zu quetschen, ist hier ein Getto entstanden. Eines, das die deutschen Nachbarn kaum ertragen. Wegen des Mülls, der sich türmte, des nächtlichen Lärms und des rapiden Anstiegs von Kleinkriminalität, der die Polizei langsam resignieren lässt.

Zamfirache hofft "auf Arbeit, auf ein besseres Leben"

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Er kam vor einem Jahr und wohnt nun im Erdgeschoss. Ein kleiner, nicht unsympathisch wirkender Mann von 44 Jahren. Jeans, Turnschuhe, Holzfäller-Hemd. Er habe Abitur, behauptet Zamfirache, und reicht freundlich Mokka und Cola. Zusammen mit dem Mann seiner Cousine habe er ein Gewerbe angemeldet, sammele Schrott. Vor allem aber lebten er und die Familie von dem Kindergeld für die vier Kleinen.

„Ich hoffe auf Arbeit, auf ein besseres Leben“, erzählt er. So groß sei die Armut in seiner Heimat. Und er setze auf das Jahr 2014, auf die beginnende Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Dann gebe es richtige Arbeit für ihn.

400 Euro Warmmiete pro Monat - bar auf die Hand

400 Euro warm zahlen sie für die zwei Zimmer, Küche, Bad. Im Wohnraum liegen schmutzige Laken auf Sofas vom Sperrmüll. Reste woanders herausgerissener Teppiche bedecken den Boden. Nebenan kann man durch die angelehnte Zimmertür Kinder mit Sandhaufen spielen sehen. Er halte alles sauber, wolle bald renovieren, betont er. Denn sie alle im Haus wissen, was ihnen die Deutschen vorwerfen. „Frau Merkel, das habe er gehört, werde 2014 all jene aus dem Land werfen, die nicht arbeiten wollen“, sagt er, und dass er das gut findet.

Die 400 Euro Monatsmiete, sie gehen an den kroatischen Vermieter Branko B. Dem Mann gehört Duisburgs größtes Bordell, der Sexxx Palace. Einmal im Monat lässt der hier in Rheinhausen abkassieren. Bar auf die Hand, seit kurzem quittiert er sogar.

Flüchtlinge kosten Duisburg 15 Millionen Euro pro Jahr

Sören Link, Duisburgs neuer Oberbürgermeister, weiß dies alles. Er kennt die Miserablen seiner Stadt, die Probleme, die sie mitbrachten und die Kosten, die sie verursachen werden. 6700 Rumänen und Bulgaren leben jetzt schon in Duisburg. 7000 werden es am Jahresende sein, wenn sie wie andere Europäer auch in Deutschland arbeiten dürfen, wenn sie Anspruch auf soziale Leistungen wie Hartz IV haben.

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„15 Millionen Euro kostet uns das im Jahr!“, betont er in diesen Tagen so oft er nur kann. Was er sagen will, ist, dass Duisburg, die Hochverschuldete, mit diesen Problemen überfordert ist, von der EU und der Bundesregierung allein gelassen. Link, der SPD-Mann, macht politischen Druck, nimmt sogar in Kauf, dass der Name Duisburg nach Loveparade und Mafia-Anschlag erneut in die Schlagzeilen gerät.

Internationale Medien berichten über das "Problemhaus"

Fernsehsender wie Arte, Zeitungen wie Daily Mail und Sunday Telegraph pilgern zu den Stätten des Elends und berichten von den „Hotspots of crime and anti-social behaviour“, den Brennpunkten der Kriminalität und asozialen Verhaltens. Wehe, wenn das Elend auch nach Großbritannien kommt!

Sie sind aufgeregt. Die Frauen schimpfen auf Romani, ihrer Sprache, die Männer machen die Schultern breit. Drei SPD-Europa-Abgeordnete sind am Freitag überraschend vorgefahren, bei den Häusern In den Peschen, wollen sich über die Situation in Duisburg informieren. Die Bewohner fürchten, aus ihren Wohnungen geworfen zu werden. Eine Dolmetscherin übersetzt. Die Ängste der einen, die Beschwichtigungen der anderen. „Wir sind froh, unseren Kindern überhaupt etwas zu essen geben zu können!“, sagt ein Mann, und in schlichtem Englisch: „Romania no good!“

1700 Tatverdächtige registriert die Polizei unter den Südosteuropäern

Drei Tage später, gestern, trudelt im Duisburger Polizeipräsidium ein Ersuchen aus der Schweiz ein. Irgendwo dort sind Einbrecher festgenommen worden, Roma, die in den Duisburger Häusern In den Peschen gemeldet sind. „Tag für Tag dasselbe!“, sagt Polizei-Sprecher Roman van der Maat. „Unser Eindruck ist, dass es sich nicht nur um Armutsflüchtlinge handelt, sondern auch um Organisierte Kriminalität. Denn wenn jemand festgenommen wird, ist bald ein Anwalt da und auch die Geldbuße wird bezahlt!“. 1700 Tatverdächtige gebe es unter den Südosteuropäern in Duisburg.

Fakten, die geeignet sind, das gesellschaftliche Gleichgewicht in Duisburg ins Rutschen zu bringen. Wie geschaffen fürs Sprücheklopfen am Stammtisch. Am Dienstag, wollen die Rechtsextremen von Pro NRW in Rheinhausen demonstrieren, Stimmung schüren. Doch Duisburg ist zu integrationserfahren, sich das bieten zu lassen, und reagiert mit einer Gegendemo: „Wir sind Duisburg!“