Duisburg. Eine 58-Jährige, die unter einer Persönlichkeitsstörung leidet, terrorisiert ihre Nachbarn in einem Duisburger Mehrfamilienhaus mit Zetteln und stundenlangen, lauten Monologen. Von Polizei und Ordnungsamt fühlen sich die Mitbewohner allein gelassen, denn die Behörden dürfen nicht einschreiten. Zwei Nachbarn sind sogar schon ausgezogen.

Wieder einmal hat Gisela Schmidt einen Zettel an ihrer Haustür, drangeheftet von ihrer Nachbarin Renate Beier (alle Namen von der Redaktion geändert). "Du wirst spätestens in drei Wochen sterben" steht darauf. Jeden Tag finden Schmidt und die anderen Nachbarn neue Botschaften. Die Tür an dem Haus in der Mercatorstraße ist inzwischen tapeziert mit handgeschriebenen Nachrichten. Sie kommen von der Nachbarin. „Ich habe richtig Angst. Sie hat einen Gasherd, stellen Sie sich mal vor, was da passieren kann.“ Die Anwohner und der 90-jährige Vermieter, der sich nun in der Redaktion meldete, wissen sich kaum noch zu helfen. Zwei Nachbarn sind schon ausgezogen.

Monologe in drei verschiedenen Tonlagen

Es ist nicht das einzige Problem. Renate Beier schreibt nicht nur Zettelchen, sondern spricht mit sich selbst -- in drei verschiedenen Tonlagen. Mal als Mann, mal als Kind führt sie Dialoge, stundenlang. Und sie schreit, mitten in der Nacht: „Weg, weg. Lass mich in Ruhe.“ Die Gespräche sind sogar ein Haus weiter zu hören. Das sei kaum auszuhalten. „Der aus der zweiten Etage sitzt nur noch mit Kopfhörern im Wohnzimmer. Das ist doch kein Zustand.“ Eine andere Dame hat Schichtdienst und muss auf der Arbeit fit sein. Seit Wochen kann sie nicht schlafen. „Wir wollen ihr ja nichts. Wir wollen einfach nur in Frieden hier leben. Das beste wäre, wenn ihr geholfen wird“, erklärt Gisela Schmidt. Früher, als die Dame vor zehn Jahren einzog, sei eben alles noch „ganz normal“ gewesen. Die Störungen haben sich erst im Laufe der Zeit entwickelt.

Frau hat Tabletten wieder abgesetzt

Einmal war Frau Beier in Behandlung. Ein Arzt hat bestätigt, dass die 58-Jährige an einer Persönlichkeitsstörung leide und habe ihr Medikamente verschrieben. Danach ging es ihr besser und die Nachbarn hatten ihre Ruhe. Doch irgendwann setzte sie die Tabletten wieder ab, und öffnete niemandem mehr die Tür. Nicht ihrem Mann, der von ihr getrennt lebt und manchmal vorbeikommt, um nach dem Rechten zu sehen. Nicht dem gesetzlichen Betreuer, der sich um sie kümmern sollte und beispielsweise Amtsgeschäfte übernimmt. Nicht der Polizei, die die Anwohner rufen, wenn es wieder einmal nicht zum Aushalten ist. Sie alle können nichts tun, sagen sie. Die Nachbarn und der 90-jährige Vermieter, fühlen sich allein gelassen.

Strenge Regeln für eine Einweisung

Wann man einen Patienten gegen seinen Willen in eine Klinik bringen kann, ist im so genannten PsychKG geregelt. Gehandelt werden kann immer „im Falle akuter Selbst- oder Fremdgefährdung“. Allerdings sind einer Einweisung enge Grenzen gesetzt.

Sobald eine Person gegen ihren Willen in die Psychiatrie kommt, wird das Ordnungsamt informiert. Daraufhin muss ein Richter in den kommenden 24 Stunden überprüfen, ob der Vorgang begründet und rechtmäßig war. Er stützt sich in seinem Urteil auf ein Gutachten des Arztes. Sobald eine Gefährdung nicht mehr vorliegt, darf die Person gehen.

Der Fall ist schwierig. Renate Beier muss sich nicht helfen lassen, wenn sie sich nicht selbst oder andere Menschen in Gefahr bringt. Jeder hat das Recht so zu leben, wie er möchte. Der Polizei und anderen Behörden sind die Hände gebunden. „Wir können nicht einfach eine Tür öffnen, wenn nichts vorgefallen ist“, betont Polizeispracher Ramon van der Maat. Seine Kollegen kennen die Dame, protokollieren regelmäßig ihre Einsätze vor Ort und leiten diese dann an das Ordnungsamt weiter. Dann erfährt der Betreuer davon. Da die Frau nicht mit ihm zusammenarbeitet, kann er keinen Einfluss nehmen.

Eigentümer hat nur zivilrechtliche Möglichkeiten

„Solche Fälle bekommen wir häufiger auf den Tisch“, erklärt Georg Jachmich, Geschäftsführer von „Haus und Grund“. Allerdings bleibe einem Vermieter nur die Möglichkeit auf dem zivilrechtlichen Weg an den gesetzlichen Betreuer heranzutreten und sich bei ihm über das Verhalten zu beschweren. Man müsse die Frau wie jeden anderen Mieter behandeln.

Der Hausbesitzer mag sich nicht ausmalen, wie lange eine Lösung des Problems dauern könnte. Andererseits: So lange immer wieder neue Zettel im Flur hängen, will auch kein neuer Mieter in seine Wohnungen einziehen.