Duisburg. Die Duisburger sollen sich mehr einbringen und sich damit „gegenseitig aktivieren“, fordert der Duisburger Oberbürgermeister. Denn der Duisburger sei kein Nörgler, sondern ein Anpacker.

Einen Wunsch habe er dann doch an die Stadtgesellschaft, sagte Oberbürgermeister Sören Link beim Interview zum Ausblick auf das neue Jahr: „Ich wünsche mir, dass sich die Menschen mehr und stärker einbringen, mehr Eigeninitiative und mehr Engagement zeigen. Denn der Duisburger ist kein Nörgler, er ist ein Anpacker.“

Seine Bitte gelte für viele Bereiche, ob sich jemand als Vorlesepate bereitstellt oder zivilcouragiert nach vorne tritt, falls sich Menschen in Gefahr befinden: Man solle sich „für die gute Sache öffnen“, appelliert Link an die Duisburger. „Das hilft uns dabei, uns gegenseitig zu aktivieren und als Gesellschaft mehr zusammen zu rücken.“ So hofft er auch, dass seine Dreckweg-Aktion und sein Versprechen, wilde Müllberge spätestens 48 Stunden nach Anruf geräumt zu haben, die Bürger aktiviert. „Ich finde es toll, wenn sich Schulklassen, ganze Nachbarschaften oder Quartiere in ihrem Umfeld um die Sauberkeit kümmern.“

Bildung bleibt ein großes Thema

Im neuen Jahr will der Oberbürgermeister wieder „eigene Akzente setzen“, wie er im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe sagt. Der Bereich Bildung bleibt dabei sein großes Thema: „Um kein Kind zurückzulassen, müssen wir eine Kette bilden, von der Kita bis zum Berufseinstieg. Es geht hier um unsere Zukunft. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass viele noch nicht erfasst haben, wie der demografische Wandel hier in Duisburg zuschlagen wird“.

2013 soll in allen Kindertagesstätten ein Qualitätsmanagement eingeführt werden. Zudem will der OB das Projekt „Zweite Chance“ weiter ausbauen, das jungen Menschen hilft, die im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. „Auch die Wirtschaft ist daran interessiert. Wir haben hier bereits viele Projekte, die für NRW beispielhaft sind, sei es bei Thyssen oder HKM“, sagte Link.

Stadt hat pädagogischen Auftrag

Und selbst mit der Bezeichnung des neuen „Amtes für schulische Bildung“, das die aufgelöste Bildungsholding ersetzt und früher als Schulverwaltungsamt bezeichnete wurde, will Link deutlich machen, dass die Stadt sich im Schulbereich nicht nur um Hausmeister und Gebäude kümmern dürfe, „sondern auch einen pädagogischen Auftrag hat“. Link will den Netzwerk-Charakter weiter stärken und stellt sich für Duisburg eine Art Bildungskonferenz vor, wie es sie auf Länderebene gibt, und in der festgelegt wird, wie die Bildungsziele aussehen und wie sie umzusetzen sind.

Herr Oberbürgermeister, wird das neue Jahr besser als das vergangene?

Sören Link: Für mich persönlich war 2012 ein unwahrscheinlich interessantes, unter dem Strich auch sehr schönes Jahr. Den Wechsel vom Landtag ins Rathaus habe ich keine Sekunde bereut. Und ich gehe auch hoch motiviert ins neue Jahr. 2013 werden wir in Duisburg sicherlich nicht über den Berg sein. Aber wichtig ist mir, dass die Entwicklung sichtbar sein wird. Ende des Jahres wird man sehen: Die Richtung stimmt, hier tut sich etwas.

In den vergangenen Wochen gab es allerdings erst einmal jede Menge Rückschläge und Hiobsbotschaften: Stadtwerke, Lehmbruck-Museum, Mercatorhalle.

Link: Ich muss sagen, dass ich die Anzahl der Baustellen, die wir jetzt vorfinden, wirklich unterschätzt habe. Allein die Probleme bei der Mercatorhalle oder die Finanzlage des Museums: Vorher war ja in keiner Weise absehbar, was da schlummert.

Wer hat die Fehler in der Vergangenheit gemacht?

Link: Aus meiner Sicht kristallisiert sich hier eine gewisse Mentalität heraus, sich möglichst lange nicht mit Problemen beschäftigt haben zu wollen oder sie schlicht zu verdrängen. Die Liste an Altlasten ist enorm lang, aber sie sind nun einmal da. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Probleme sauber aufzuarbeiten. Ich will hier keine geschönten Zahlen haben. Den Druck, der bei der Mercatorhalle zu den Problemen geführt hat, wird es bei mir nicht geben. Wir dürfen nichts vertuschen, sondern müssen schonungslos sagen, wo wir stehen und dafür eine Lösung suchen.

Haushalt 2013 

Die Probleme bei der Küppersmühle dagegen waren bekannt. Wird es dort im neuen Jahr endlich eine Lösung geben?

Link: Ich fürchte, dass es nicht kurzfristig klappen wird, weil dafür mit der Stadt, der Gebag, dem Ehepaar Ströher, dem Sponsor Evonik und dem Land viele Beteiligte im Boot sitzen, mit denen die Lösung abgestimmt werden muss. Und man muss ehrlicherweise sagen, dass diese Lösung nicht kostenneutral sein wird. Unabhängig davon ist es traurig, dass ein deutschlandweit bekanntes und geachtetes Museum nur noch mit diesem Rostwürfel verbunden wird. Damit muss Schluss sein. Ich hoffe, dass wir bald sagen können: Es war bitter, es hat weh getan, aber jetzt können wir mit diesem Museum wieder werben. Daran hat jeder der Beteiligten ein Interesse.

Bereits im Januar wird der neue Haushalt eingebracht. Müssen sich die Duisburger wieder auf Sparpakete, Streichkonzerte und Steuererhöhungen einstellen?

Link: Wir werden das schultern müssen, was uns zusätzlich durch gesetzliche Änderung auferlegt wird. Der U3-Ausbau in den Kitas wird Geld kosten, aber auch die Umsetzung des neuen Brandschutzbedarfsplans für die Feuerwehr. Um das zu kompensieren, gibt es nicht viele Möglichkeiten. Sparen ist das falsche Wort, wir können höchstens Leistungen kürzen, wobei die Grenze irgendwann erreicht ist. Oder wir können optimieren oder durch Steuererhöhungen Mehreinnahmen schaffen.

Wie groß ist das Etatloch für 2013?

Link: So weit mir bekannt, liegen wir noch im einstelligen Millionenbereich. Aber ich glaube fest an unsere Chance, den Kreislauf neuer Schulden durchbrechen zu können. Das sehe ich längst nicht bei jeder Stadt, die einen Haushaltssanierungsplan aufgestellt hat. Es werden sehn harte, bittere Jahre und gewiss kein Vergnügen. Aber viel wichtiger ist die Botschaft, dass wir das hin kriegen. Und wir sollten uns dabei aber auch darauf besinnen, was uns auszeichnet und was uns gelungen ist.

Zum Beispiel?

Link: Zum Beispiel die Audi-Ansiedlung im Hafen mit 500 Arbeitsplätzen. Da muss man lange und weit in die Region schauen, um Vergleichbares zu finden. Oder nehmen sie die Kitas. Da haben wir vorbildliche Programme, da braucht sich die Stadt nicht zu verstecken. Auch wenn wir bei den U3-Plätzen noch nicht so gut dastehen. Kurz gesagt: Wir dürfen uns nichts in die Tasche lügen, aber wir müssen selbstbewusst nach vorn schauen.

Bis Ende März muss der neue Opernvertrag unterschrieben sein. Bisher ist unklar, wie die 1,5 Millionen Euro gespart werden sollen. Droht an der Stelle erneut eine Debatte um den Fortbestand?

Link: Wir werden in Duisburg die 500.000 Euro an Einsparsumme bringen. Ich werde dazu mit allen Verantwortlichen reden und hoffe, dass sich dieser Betrag allein durch Kooperationen und Effizienzsteigerungen realisieren lässt. Bei der Deutschen Oper am Rhein selbst geht es um eine Million Euro, die eingespart werden muss. Dazu werden Wirtschaftsprüfer ein Gutachten erstellen. Ich gehe davon aus, dass die DOR das hinkriegt. Gesichert ist die Vertragsunterzeichnung daher aber noch nicht.

Loveparade-Gedenkstätte 

Wird der Investor des Factory Outlet Centers in Hamborn bald die Baugenehmigung bekommen?

Link: Er bekommt sie jedenfalls nicht geschenkt, sondern muss die Voraussetzungen erfüllen. Unsere Aufgabe als Stadt ist es, planungsrechtliche Klarheit zu schaffen, ob ein FOC an dieser Stelle möglich ist. In wie weit das Projekt mit den Belangen der Anwohner, des Handels oder den Nachbarstädten vereinbar ist, werden die Gutachten und die Abwägung zeigen. Ich nehme die Kritik ernst, aber ich muss sie am Ende nicht teilen. Und auch was das Thema Sicherheit angeht, wird es keine Tabus geben. Ich habe kein Interesse daran, hier betroffene Firmen zu überfordern. Das wird klar und offen ausgearbeitet, wir werden ein sauberes Verfahren garantieren. Ich gehe aber davon aus, dass sich am Ende herausstellt, dass ein FOC dort realisierbar ist.

Würde es für die Stadt nicht wieder einen immensen Imageverlust bedeuten, wenn dieses Megaprojekt scheitert?

Link: Die Gefahr eines Imageverlustes ist viel größer, wenn sich die Stadt das Planungsrecht zurechtbiegt. Eine Baugenehmigung für das FOC wird es nur geben, wenn alle Bedenken ausgeräumt sind.

Eine Hängepartie gibt es auch weiterhin um die Loveparade-Gedenkstätte. Wird sie zum dritten Jahrestag fertig sein?

Link: Das ist das Ziel, übrigens auch das des Herrn Krieger als Grundstückseigentümer. Aber wir haben noch kein endgültiges Ergebnis. Ich hoffe, dass wir Anfang des Jahres in dem Punkt zu einer Aussage kommen können. Ich kann nicht ausschließen, dass mit diesem Ergebnis nicht alle vollständig zufrieden sein werden. Ich werde alle Möglichkeiten nutzen, um in meiner Moderationsfunktion an der Seite der Angehörigen und ihrer Interessen zu stehen. Die Gedenkstätte ist für die Stadt moralisch, emotional und politisch sehr wichtig. Gleichzeitig haben wir auch ein Interesse daran, dass die Freiheit entwickelt wird.

Was sagt der Oberbürgermeister eigentlich dazu, dass nahezu sämtliche Geschäftsführer der städtischen Gesellschaften besser bezahlt werden als der Chef der Stadtverwaltung?

Link: Ich will mich über mein Gehalt nicht beklagen, es ist gut und auskömmlich. Mir geht es bei dem Job auch nicht ums Geld. Wer in die Politik geht, um reich zu werden, hat ohnehin etwas falsch gemacht.

Anders gefragt: Sind die Gehälter der Stadt-Manager zu hoch?

Link: Da kann man sich trefflich drüber streiten. Aber langfristig würde ich es geradezu für fatal halten, wenn wir hier jetzt drastisch mit dem Rasenmäher drüber fahren. Denn dann werden gute Leute weggehen und andere erst gar nicht kommen. Für mich liegt die Frage näher, ob die Leistungsprämien so steigen können wie bisher.

Gilt der Zwangsurlaub für die Stadt-Mitarbeiter eigentlich auch für den Oberbürgermeister?

Link: Ich mache da keine Ausnahme. Bis zum Neujahrskonzert um 18 Uhr hatte ich über die Feiertage keine Termine.

Und wie sieht es persönlich mit den guten Vorsätzen aus? Als OB wollten Sie Nichtraucher werden. Hat’s geklappt?

Link: Ich habe es deutlich reduziert, aber nicht ganz geschafft. So schwer habe ich mir das ehrlich gesagt nicht vorgestellt. Aber ich habe diesen Vorsatz nicht aufgegeben. Sagen wir, er ist etwas aufgeschoben. Ansonsten nehme ich mir vor, etwas mehr Zeit für meine Familie und Freundin zu finden, da habe ich im letzten halben Jahr viele Abstriche gemacht. Und ich will mehr Sport machen. Das fehlt mir als Ausgleich.