Duisburg. 2012 war für Duisburg ganz schön durchsetzt von Hiobsbotschaften. Eigentlich kann es ja nur noch besser werden im neuen Jahr. Oder? Die Wahrsagerin Sandra Schiffer blickt ins Jahr 2013 und plaudert und plaudert ...
Das ist das Schöne an einem allerletzten Tag im Jahr: Nur noch ein paar Stunden und fünf Glas Punsch – dann werden die Karten fürs neue Jahr ganz neu gemischt. Neues Spiel, neues Glück: Das zu Ende gehende Jahr 2012 in Duisburg, es war ja ganz schön durchsetzt von Hiobsbotschaften wie strauchelnde städtische Gesellschaften, gähnend leere Stadtkassen und völlig verkorkste öffentliche Bauprojekte. Eigentlich kann es ja nur noch besser werden im neuen Jahr. Oder?
Aber wer will das schon wissen? Das kann doch keiner wissen, denken Sie? Von wegen! Irgendwo im Dellviertel, da wohnt Sandra Schiffer . Fragt man die blonde, lebensfrohe Mitvierzigerin nach ihrer Profession, so erfährt man zunächst eher neutral die Beschreibung „Dozentin“. Aber dann flüstert sie augenzwinkernd hinterher: „Ich bin eine Berufshexe.“
Im neuen Jahr eine große Spende von außen
Oh! Sandra ist ein „Medium“, ein „Orakel“, eine „Wahrsagerin“. Spricht sie „wahr“? Sag’ uns die Wahrheit, Sandra. Blicke für uns ins kommende Jahr.
Von Glauben und Aberglauben
Ob Wahrsager tatsächlich zukünftige Ereignisse vorhersagen können, ist seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Den Glauben daran rechnen Kirchen und Theologen dem Aberglauben zu. Die kath. Kirche und maßgebliche ev. Theologen lehnen das Wahrsagen ab und argumentieren, es handele sich um eine Anmaßung des Menschen gegenüber Gott und sei mit dem christlichen Glauben unvereinbar.
Diese Stadt Duisburg ist so pleite, sie ist so arm und du, Sandra, du bist so reich an mystischem Wissen und seherischer Kraft, blicke für uns in die Tarot-Karten und erzähle uns, was werden wird.
Kein Wunder, dass ein Medium, dermaßen höflich befragt, sich nicht lange bitten lässt: „Im neuen Jahr“, so prophezeit das Medium vom Dellviertel, „wird es eine große Hilfe von Außen für diese Stadt geben, eine finanzielle Wohltat, die uns alle weiterbringt.“ Die Karte „Rad des Schicksals“ zusammen mit der Karte „Harmonie“ sagen ihr das ganz genau. Dann muss es ja stimmen. Das Universum, so sagt sie, hält für diese Stadt eine großen Geldsack bereit. Wunderbar!
Bei der Mercatorhalle kann nur noch ein Wunder helfen
A propos Geldsack: Könnte der dann nicht auch beim furchtbaren Murkel-Bau „Mercatorhalle“ hilfreich sein? Wann erklingt hier wieder Musik der Philharmoniker? Oh, der Blick der Kartenleserin, er verfinstert sich, sie starrt auf einzelne Karten mit den symbolträchtigen Namen „Fünf der Kelche“ und „Münzritter“, die sie so eben auf den Glastisch geblättert hat und sie orakelt: „Hier kann eigentlich nur noch ein Wunder helfen, dass im Jahr danach wieder die Musik erklingt.“ Au weh, selbst der verschobene Neueröffnungstermin vom Sommer 2014 steht also auf wackligen Füßen, um den Pfusch am Bau in der Mercatorhalle komplett zu beseitigen? „Es fehlt das Geld, ein Münzritter, ein großzügiger Sponsor muss sich finden.“
Aha, ein Münzritter, also! Na, das sind ja deprimierende Aussichten, meine hochvereehrte Frau Sandra! „Ja“, sagt sie „ich wäre ja auch viel lieber die Glücksfee“, doch was soll ich machen, die Karten sind unbestechlich.“ Ach so.
Wie wird man eigentlich Wahrsagerin? Bist du mit Harry Potter zur Zauberer-Universität gegangen? Über diese dämliche Frage kann Sandra nur milde lächeln: Sie habe an der Uni in Essen Kommunikationswissenschaften und Geschichte studiert, war danach freischaffende Management-Trainerin für die Ruhrkohle AG und hatte durch viele Krankheiten und manche so genannte „Nahtod-Erfahrungen“ schon sehr früh einen Sensus für das Hüben und Drüben, für das Gewesene und für das Kommende. Irgendwann habe sie die bürgerliche Welt der Büros und der kernarbeistzeit abgelegt und sei nur noch als „Medium“ unterwegs.
Zu ihr kommen Politiker aus der Stadt, Ärzte und Rechtsanwälte
Zum Beispiel in der Vorweihnachtszeit trifft man Sandra telefonisch an der „Astroline“ – für stolze 2,49 Euro pro die Minute legt sie fernmündlich den Anrufern die Karten.
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Aber sie empfängt auch zu Hause, im Dellviertel, in ihrer Burg voller Phantasie, Symbolik und freifliegender Vögel , ihre meist männliche Kundschaft. Da kommen Politiker aus der Stadt, Ärzte und Rechtsanwälte, sie alle wollen Hilfestellung und Auskunft für ihr Tagwerk und für ihr Seelenleben. Und Sandra legt die Tarotkarten, lässt die ägyptischen Runen über den Glastisch poltern, oder blickt tief in den „Astro-Charger“ eine imposante Apparatur mit Brennglas und Teelicht.
Ja, kann sie denn wirklich die Zukunft voraussagen, liebe Sandra? „Zufälle“, sagt Sandra, seien „Geschehnisse“, die dem Menschen aus dem großen Universum „zufallen“. Und das Universum, es sei voller Energie und voller Botschaften. Man müsse sie nur verstehen, richtig aufzunehmen.
Wir danken artig, der Zeitungsmann und die Fotografenfrau, ziehen davon, um eine bunte Erfahrung reicher und neugierig auf das neue Jahr 2013. Man sieht sich.
Das war 2012 in Duisburg