Duisburg. Beim Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Duisburg kamen die Probleme - und die Erfolge - zur Sprache. Eingestellt hatte das Staatsoberhaupt sich aufs trösten und Mut machen, erleben durfte er Engagement und Zuversicht.

Menschlich, offen, neugierig - so beschreiben all jene den Bundespräsidenten, die ihn am Montag beim Besuch im Immendal in Hochfeld erlebten. Die Kinder des Familienzentrums, die ihm hüftewackelnd und mit den Füßen stampfend ein „Guten Abend, guten Abend“ entgegenschmetterten, klatschte er allesamt ab, ließ sich mit ihnen fotografieren, „damit ihr den Omas und Opas was vorzeigen könnt“ - und ließ sich dann über das Projekt „Kein Kind zurücklassen“ informieren.

Über gesperrte Autobahnen war Joachim Gauck ins blaulichtbeleuchtete Hochfeld gerauscht, wo sich ein Netzwerk präsentierte, das seinesgleichen sucht. Eingestellt hatte er sich aufs trösten und Mut machen, erleben durfte er Engagement und Zuversicht. „Wir haben ihm deutlich gemacht, dass wir hier gern arbeiten und die Nachbarn auch gern hier wohnen.

Die Situation verschlechtert sich zwar, aber wir wollen nicht weg, sondern die Situation verbessern“, erklärt Katrin Lefherz vom Stadtteil-Treff. Mit Duplo-Steinen zeigten die Initiativen ihm ihre Kooperation, die niederschwellig von der Schwangerschaft bis ins Erwachsenenleben die Familien begleitet - und das eingebettet ist in ein großes Hochfeld-Netzwerk. Ganz fremd ist Gauck die Thematik nicht, er plauderte aus dem Nähkästchen, berichtete von seiner Tochter, die selbst als Beraterin bei einem kirchlichen Träger tätig ist.

Gunst der Stunde

Soll keiner sagen, Joachim Gauck habe sich keine Zeit genommen für Hochfeld: Der Protokollchef tippte mehrfach auf die Uhr, aber Gauck, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas haben Sitzfleisch, hören zu, haken nach. „Da ist ein richtig tiefes Gespräch entstanden“, lobt Katrin Lefherz vom Stadtteiltreff.

Die Sorge, dass er vom eigentlichen Hochfeld nichts mitbekommt: sie waren unberechtigt. Sein Weg führte an der Vulkanstraße vorbei. Und Oberbürgermeister Sören Link nutzte die Gunst der Stunde, auch das aktuelle Problem der Zuwanderung für Duisburg anzusprechen.

Aufregend war das alles nicht, nur die hartnäckigsten Anwohner blieben an den Fenstern und guckten den Polizisten und Fahrern beim Warten zu. Aber vielleicht nachhaltig. Duisburgs Probleme - und Duisburgs Können - ist an höchster Stelle angekommen. Mehr kann man von so einem Besuch nicht verlangen. Annette Kalscheur

Auf dem Weg ins Streetwork-Café entschuldigte er sich höflich bei einem Anwohner, der quer über die Straße brüllte, man habe ihn ausgesperrt. Die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Staatsbesuchs waren erheblich, der Immendal und die Routen der Fahrzeugkolonne fest in Polizeihand. Auch die Geduld der kleinen Sänger wurde heftig strapaziert: Sie durften das Familienzentrum erst verlassen, als der Politikertross wieder weg war.

Das dauerte, denn auch die vier Jugendlichen aus dem Café hatten Zeit, von ihren Sorgen zu erzählen. Jennifer (20), Jasmin (20), Rekar (20 und Ali (23) klagten über Probleme daheim, Kämpfe mit dem Job-Center, nervenden Papierkrieg - und lobten ihre „Engel vom Café“, die ihnen in allen Belangen zur Seite stünden.

Vercin Cirak, die in einer Müttergruppe des Stadtteiltreffs aktiv ist, konnte den Politikern ihre Ängste als Mutter zweier Töchter mit auf den Weg geben. Sie ist nach dem Besuch zufrieden: „Ich hab ein gutes Gefühl, da kommt was bei raus.“ Sogar Geld gab’s: Gauck entdeckte in seinen Anzugtaschen noch 70 Euro und spendete sie spontan für die Fahrrad-Werkstatt im Blauen Haus am Immendal. Ganz ohne Spendenquittung.

Straßen gesperrt, Zaungäste unerwünscht 

„Das können Sie nicht machen. Lassen Sie mich doch durch. Ich wohne hier“, sagt die Frau etwas erbost. Doch die Polizisten schütteln nur mit dem Kopf und fordern sie auf, zu gehen. Kurz bevor Bundespräsident Joachim Gauck in Hochfeld zu Gast ist, gibt es keinen Zutritt mehr auf die Straße Immendal.

Während die Dame schließlich fluchend davongeht, kommen ihr andere entgegen. Sie wollen unbedingt miterleben, wie der Bundespräsident vorbeifährt. Sie hoffen, ein Foto zu ergattern und wollen ihm zuwinken. Unter den Schaulustigen sind aber auch einige Skeptiker. „Es gibt in Hochfeld eine ganze Reihe von Problemen. Darüber sollte er sich informieren und nicht über dieses Projekt“, sagt eine Frau.

Ein paar Schritte weiter diskutieren zwei Männer. „So sauber war die Straße hier noch nie“, sagt einer der beiden. „Das ist mal wieder typisch. Wenn hoher Besuch kommt, wird der Dreck weggeräumt. Morgen interessiert es wieder keinen mehr.“ Ein junger Mann, dessen Heimweg über die Straße Immendal führt, wusste gar nicht, dass Gauck zu Besuch kommt. „Es ist doch nicht schlecht, dass er hier ist. Vielleicht hört er sich die Probleme an, die es hier im Stadtteil gibt und tut etwas.“

Als die ersten Polizeimotorräder dann in die Straße biegen, werden die Handys gezückt. Vor allem einige Kinder, die mit ihren Eltern auf die Autokolonne warten, sind plötzlich aufgeregt. Als Gauck vorbeifährt, geht jedoch alles sehr schnell. Er winkt kurz und ist dann auch schon wieder weg.