Duisburg. Dem Lehmbruck-Museum steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Jetzt wird hinter den Kulissen über den Verkauf der Giacometti-Skulptur „Das Bein“ diskutiert. Ein Sammler aus Fernost soll sich für das 1958 gefertigte Stück interessieren und offenbar bereit sein, dafür mehr als 20 Millionen Euro zu bezahlen.

„La Jambe“ heißt die Skulptur von Alberto Giacometti, ein schmales, isoliertes, vom Rest des Körpers abgetrenntes Bein. Seit 1960 ist die Bronzeskulptur im Besitz des Lehmbruck-Museums, sie ist dort ausgestellt. Noch. Denn womöglich könnte die Skulptur bald den Besitzer wechseln, damit sich das Museum aus der finanziellen Klemme rettet.

Nach NRZ-Informationen soll Museumsdirektor Raimund Stecker in dieser Woche Mitgliedern des Stiftungs-Kuratoriums von einer Kauf-Offerte berichtet haben. Ein Sammler aus Fernost soll sich für das 1958 von Giacometti gefertigte Stück interessieren und offenbar bereit sein, dafür mehr als 20 Millionen Euro zu bezahlen.

Museumsdirektor will nicht über Interna sprechen

Stecker selbst, der sich am Freitag auf dem Weg nach Frankreich befand, will sich zu dem Kauf-Angebot nicht äußern. Er kommentiere grundsätzlich keine Interna aus den Sitzungen des Kuratoriums, die Inhalte unterlägen der Verschwiegenheit. Kaufangebote würden dem Museum aber immer häufiger gemacht, erklärte Stecker der NRZ, der eingangs genannte Preis sei dabei nicht der höchste gewesen.

Gerade wenn es um die Werke von Alberto Giacometti geht, stehen immer wieder astronomische Summe im Raum. Der 1966 verstorbene Schweizer gehört zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Sein Bronzeguss „L’Homme qui marche“, dessen Abbild auch die Rückseite der Schweizer 100-Franken-Note ziert, hielt kurzzeitig den Rekord des höchst erzielten Preises bei einer Kunstauktion: Die 1,80 Meter hohe Skulptur wurde im Februar 2010 im Aktionshaus Sotheby’s für 65 Millionen Pfund (74,4 Millionen Euro) versteigert.

Offenbar halten einige der Kuratoriumsmitglieder den Verkauf von „La Jambe“ („Das Bein“) oder auch eines anderen Kunstwerkes nicht für ausgeschlossen. Zumindest nicht, wenn es sich um ein Exponat handelt, das nicht zum Kern der Sammlung gehört. Hintergrund ist die finanzielle Schieflage des Museums. Die Kosten für den Betrieb und die Ausstellungen sollen höher sein als die Erlöse aus dem Stiftungskapital. Hinzu kommt, dass Teile des Museums in die Jahre gekommen sind, es gibt hohe Renovierungskosten, im März musste eine Galerie wegen Baumängeln kurzzeitig gesperrt werden.

Erlös könnte in Stiftungskapital fließen

Wie es um die finanzielle Situation des Museums steht, zeigt auch eine Personalie an der Spitze: Nach NRZ-Informationen sollen die Banken einen Sitz für eine Vertrauensperson im Vorstand gefordert haben, damit weiterhin Kredite gewährt werden. Im Gespräch soll dafür ein Finanzexperte sein, dem die Kunst und auch das Museum nicht fremd sind: Ex-Sparkassenvorstand Claus-Robert Witte. Der 64-Jährige ging Ende Juni in den Ruhestand, er ist auch im Freundeskreis des Lehmbruck-Museums engagiert. Witte wurde schon einmal geholt, als ein städtisches Unternehmen in Schieflage geriet: Nach den Turbulenzen bei der Gebag hatten ihn die Stadt und die Banken gebeten, den Vorsitz im Gebag-Aufsichtsrat zu übernehmen.

Allerdings lassen sich die meisten Probleme eben auch lösen, wenn das Museum eines seiner Kunstwerke verkauft. Der Erlös könnte in das Stiftungskapital fließen, der jährliche Zinsgewinn die Situation entspannen. Allerdings ist ein Verkauf von Tafelsilber aus einem Museum stets umstritten, erst recht, wenn es sich um einen Hochkaräter aus der Sammlung handelt. Zu dem Spagat zwischen ideellen Wert und den nackten Zahlen zur Rettung wollte sich Kulturdezernent Karl Janssen gestern nicht äußern. Museumsdirektor Stecker teilte mit, dass er grundsätzlich bereit sei, „jedweden sich neu bietenden Weg konstruktiv zu überdenken“. Allerdings müsse der dann der „künstlerischen Freiheit der Museumsarbeit“, also der Sammlung und dem Ausstellunsprogramm, dienen.