Duisburg. Umweltschützer des BUND in Duisburg kritisieren nach dem Großbrand im Hafen Krefeld die Informationspolitik der Behörden. Das Problem: Mit den Veröffentlichungen der Messwerte könnten selbst Experten nichts anfangen, mahnt der BUND an. Und welche Grenzwerten sind gemeint?
„Die vorliegenden Messergebnisse sind unbedenklich“: Es ist der Schlüsselsatz in den behördlichen Stellungnahmen zu sämtlichen Luft-Untersuchungen des Landes und der Städte. Und doch gab es auch einen Tag nach dem Brand in der Krefelder Düngemittelfabrik „Compo“, keine Entwarnung.
„Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Brandrauch gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen kann“, teilte die Stadt Krefeld am Mittwoch mit. Und weil die Löscharbeiten weiter andauern und sich neue Rauchwolken bilden können, empfiehlt der Duisburger Krisenstab weiterhin für den Süden und Westen der Stadt, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Und die Bezirksregierung Düsseldorf hat inzwischen davor gewarnt, Obst und Gemüse aus eigenen Gärten und Schrebergärten zu verzehren. Ergebnisse der Bodenproben würden erst frühestens Ende der Woche vorliegen.
Auch Werte unter Grenzwerten bedeuten mitunter Gefahrenpotenzial
Solche Meldungen würden nur weitere Fragen aufwerfen, anstatt zu beruhigen, kritisiert der BUND Duisburg eine „unzureichende Information der Bevölkerung“. Selbst Experten könnten die Situation anhand der Veröffentlichungen nicht einschätzen, sagt Kerstin Ciesla, die Vorsitzende der Duisburger Umweltschützer: „Was, wo, wann und wie gemessen wurde, ist nicht nachvollziehbar.“ Dass Grenzwerte eingehalten werden, könne keine Entwarnung sein. „Auch Werte unter Grenzwerten bedeuten keinesfalls, dass kein Gefährdungspotenzial für Mensch und Natur besteht“, sagt Ciesla. Durch den Großbrand seien vermutlich Schwefelverbindungen sowie chlorhaltige Verbindungen wie Salzsäure, Phosgen, Blausäure, Salpetersäure und Distickstoffoxid freigesetzt worden. „Über die freigesetzten Mengen dieser Stoffe fehlen jedoch konkrete Angaben und klare Aussagen, ob diese überhaupt gemessen wurden und wenn ja, unter welchen Messbedingungen.“
Fragen nach konkreten Messergebnissen und Grenzwerten verweist die Stadt an das Landesumweltamt, das wiederum an das NRW-Umweltministerium. „Die Kritik können wir nicht nachvollziehen“, sagt Ministeriums-Sprecher Frank Seidlitz der NRZ. Man habe nach sämtlichen Schadstoffen gemessen, alle seien unterhalb der Grenzwerte. „Es handelt sich um 365 Seiten Zahlenkolonnen, mit denen Bürger wohl nur wenig anfangen können“. Grenzwerte seien unter anderem auf den 234 Seiten der „Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ festgelegt. Zudem verweist er auf die im Internet veröffentlichten Ergebnisse der Dauermessstation im Krefelder Hafen.
Schadstoffwerte nach Großbrand in Krefeld um das Hundertfache erhöht
Der Messcontainer spuckt stündlich Daten aus, allerdings nur für Stickoxide und Feinstaub. Die Messwerte schossen in der Nacht auf Mittwoch durch die Decke und waren um das Hundertfache erhöht.
NRW-Umweltminister Johannes Remmel bestätigte am Mittwoch die Werte vor dem Umweltausschuss im Landtag. Die Feuerwehren in Krefeld und Duisburg sowie der Krisenstab der Bezirksregierung seien am frühen Morgen informiert worden, das Landesumweltamt habe weitere Messungen vorgenommen. „Messfahrzeuge sind weiter ununterbrochen im Einsatz“, sagte der Minister. In Mündelheim haben die Messungen ähnliche Werte für Stickstoffdioxid (0,5 ppm) wie in der Nacht im Krefelder Hafen ergeben. „Der Krisenstab der Bezirksregierung hat daher die Empfehlung gegeben, weiterhin Türen und Fenster geschlossen zu halten und Klimaanlagen abzuschalten. Umliegenden Betriebe wurden informiert, Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz des Personals zu ergreifen“, erklärte Remmel in Düsseldorf.
Mittwochabend hat das Landesumweltamt dann doch die Messperioden der letzten beiden Tagen veröffentlicht: Deutlich höher als die Hintergrundbelastung waren die Werte bei den Stickstoffoxiden, Ammoniak und Feinstaub. Als Grenzwerte wurden die Störfallbeurteilungswerte der AEGL-Stufe 1 zugrunde gelegt, ab der Reizungen der Schleimhäute auftreten können, eine akute Gesundheitsgefährdung jedoch nicht vorliegt. Außer unmittelbar am Brandherd seien diese Grenzen bei allen Schadstoffen unterschritten worden, selbst in der Brandwolke.