Duisburg. .

Früher hat Wilhelm Decher mal für sechs Monate in New York gelebt, heute jettet er ein- bis zweimal im Jahr nach London, um seinen Sohn (45), seine Tochter (43) und seine insgesamt vier Enkelkinder zu besuchen. Mit Metropolen kennt sich der 77-Jährige also aus. Immer mittendrin. Da passt es sehr gut, dass Wilhelm Decher in der Ruhr-Metropole Duisburg den Bürgerverein Mitte leitet. Seit mehr als 30 Jahren. Der gelernte Textilkaufmann, der sich mittlerweile mit der Vermietung von Immobilien beschäftigt, stand im letzten Teil unserer Sommer-Interviews Rede und Antwort.

Fühlen Sie sich als Duisburger oder als Mann aus Mitte?

Als Duisburger mit Schwerpunkt Mitte, wobei ich ja in Marxloh geboren wurde, als der Stadtteil noch schön grün war. In jungen Jahren bin ich dann nach Mitte gezogen, habe einen Textilgroßhandel am Stapeltor betrieben und wohne mittlerweile in Duissern. Das ist ja auch zentral.

Was macht die Menschen in Mitte aus?

Sie sind nett, freundlich und strebsam.

Von wo bis wo geht eigentlich die Stadtmitte?

Wir reden hier von dem Bereich zwischen Steiger Schwanentor und Harry-Epstein-Platz.

Vom Hauptbahnhof bis Steiger Schwanentor

Laut Wilhelm Decher deckt der Bürgerverein den Bereich vom Hauptbahnhof bis Steiger Schwanentor ab, den die Verwaltung als „Altstadt“ bezeichnet. In der Altstadt leben laut Stadt 7795 Menschen, 3877 Männer und 3918 Frauen. Darunter befinden sich 1344 Ausländer (17,2 Prozent).

Die Altstadt war früher von einer 2,5 Kilometer langen Stadtmauer umgeben, von der nach 1945 noch 80, jetzt noch 26 Prozent erhalten sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Altstadt zu fast 90 Prozent zerstört. Was übrig blieb, fiel maßgeblich dem Nachkriegs-Bauboom zum Opfer.

Gibt es ein Wahrzeichen in Mitte?

Die Salvatorkirche sicherlich, aber auch der Life-Saver-Brunnen. Und die Bahnhofsplatte könnte mal zu einem Wahrzeichen werden. Ein Jammer, dass das da so lange dauert, bis sich da etwas tut.

Kann man mitten in der Innenstadt gut wohnen?

Eigentlich schon, es fehlen nur Geschäfte für den täglichen Bedarf. Das ist auch ein Fehler, den man am Innenhafen gemacht hat. Eigentlich hätte dort ein Supermarkt hingemusst, aber das war nicht gewollt. Der Bioladen am Stapeltor läuft gut, ist aber ein bisschen weit weg.

Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Innenstadt?

Damit bin ich nicht mehr zufrieden. Das geht alles zu langsam. Der Bereich am König-Heinrich-Platz und Karstadt sind ja ganz schön geworden. Aber die Königsgalerie ist zum Beispiel nur halb belegt. Und wenn in der Innenstadt das Weinfest stattfindet und die Leute durch die Stadt flanieren wollen, ist die Königsgalerie geschlossen. Das kann doch nicht sein.

Stichwort Neue Freiheit am Bahnhof. Glauben Sie, dass die Bebauung dort Einfluss auf die Innenstadt hat?

Ich denke schon. Wer braucht so viel Fläche? Gleiches gilt auch für das Factory-Outlet, das im Norden geplant ist. Unser Vorschlag war es, das Factory-Outlet-Center dort anzusiedeln, wo die großen Textilketten Sinn & Leffers, P&C und C&A an der Münzstraße ihren Sitz haben. Teilweise sind die Geschäfte ja schon geschlossen. Aber unsere Ideen fanden kein Gehör. Es ist ohnehin ein Trauerspiel. Früher war die Beekstraße belebt, jetzt ist dort gar nichts mehr los.

Vorsitzender sucht Nachfolger

Der Bürgerverein Mitte hat rund 100 Mitglieder, überwiegend Männer mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren. Er ist unter anderem Gründungsmitglied der Bürger- und Heimatvereine im Ruhrgebiet, Mitglied bei Pro Duisburg und der Offensive Sauberes Duisburg. Der Verein möchte einen Hundekotbeutelspender sponsern. Es fehlt aber noch ein Standort.

Wilhelm Decher steht seit mehr als 30 Jahren an der Spitze des Bürgervereins Mitte. Er ist gleichzeitig Geschäftsführer. Mit 77 Jahren ist Wilhelm Decher der Jüngste im Vorstand. Seine Ämter möchte Decher seit längerem abgeben. Doch die Suche nach einem Nachfolger gestaltet sich schwierig. Interessenten wenden sich schriftlich an: Wilhelm Decher, Stapeltor 6, 47051 Duisburg.

Immerhin soll sich etwas auf der gegenüberliegenden Seite tun. Wie sehen Sie die Pläne für das Mercator-Quartier?

Das ist eine große Verschwendung. Da werden funktionierende Gebäude abgerissen und durch unzeitgemäßige Wohnungen ersetzt. Wir haben damals dafür gekämpft, eine Berufsschule in der Innenstadt zu haben, wo unsere Lehrlinge hingehen können. Stattdessen müssen sie jetzt alle nach Neudorf, wo man kaum noch Parkplätze bekommt. Und zu den geplanten Häusern: Haben Sie sich die Pläne mal angesehen? Das ist viel zu eng bebaut, ähnlich wie am Innenhafen. Das gefällt mir gar nicht. Wer soll denn da einziehen?

Neuerdings beschweren sich Anwohner, weil tagsüber und abends dort verstärkt Menschen sitzen, die ihr Bier trinken oder Drogen konsumieren.

Die Polizei müsste dort eine Null-Toleranz-Strategie verfolgen, stärker durchgreifen und für Ordnung sorgen. Raimund Stecker will ja einen Zaun um das Grundstück ziehen, aber wer soll das bezahlen? Das könnte so ein schöner Park sein. Ich selbst gehe nur ins Museum, aber nicht in den Park.

Nennen Sie abschließend doch drei Gründe, warum es sich lohnt, in der Stadtmitte zu wohnen?

Erstens: kurze Wege. Zweitens: die Einkaufsmöglichkeiten. Drittens: eine gute Verkehrsanbindung.