Duisburg.

„Eine große humanitäre Tat“ ist für Lorenz Grimoni, den ehrenamtlichen Leiter des Museums Stadt Königsberg, die Übernahme der Patenschaft durch die Stadt Duisburg für Königsberg, der ehemaligen Provinzialhauptstadt Ostpreußens, vor genau 60 Jahren.

Das Jubiläum dieser lebendigen, erfolgreichen Städtepatenschaft feiern die Stadt Duisburg und die Stadtgemeinschaft Königsberg an diesem Wochenende.

Lorenz Grimoni, heute 73, hat die Erfolgsgeschichte dieser einzigartigen Patenschaft intensiv miterlebt und mitgestaltet. Der frühere Pastor der Duisburger Marienkirche zieht eine erfreuliche Bilanz: „Nach 60 Jahren können die Bürger Königsbergs und ihre Nachkommen nun mit großer Anerkennung und Dankbarkeit feststellen: Duisburg ist es in hervorragender Weise gelungen, den Königsbergern eine neue Stätte kultureller und geistiger Gemeinschaft zu geben.“

Folgen des Krieges: Flucht, Vertreibung und Tod

Der von Hitler und den Nationalsozialisten ausgelöste Zweite Weltkrieg hatte dramatische Folgen: Rund 62,5 Millionen Menschen starben, darunter etwa 6,3 Millionen Juden durch den Holocaust. Am Ende des Krieges flüchteten 1945 etwa 14 Millionen Deutsche aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße Richtung Westen oder wurden von den Siegermächten aus ihrer Heimat vertrieben.

Nach der Eroberung der Königsbergs durch die Rote Armee am 9. April 1945 lebten noch rund 100.000 der ehemals 372.000 Deutschen in der Stadt. Davon kamen bis 1948 weitere etwa 80.000 Menschen ums Leben. Alle etwa 20.000 überlebenden Deutschen wurden vertrieben. Schon 1946 benannten die Sowjets die Hafen- und Industriestadt in „Kaliningrad“ um.

Duisburg nahm fast 40.000 Flüchtlinge und Vertriebene aus den früheren deutschen Ostgebieten auf. Eine beeindruckende Leistung, denn die Stadt lag selbst in Trümmern. Flüchtlinge und Einheimische mussten sich nun die knappen Ressourcen teilen. In dieser schwierigen Situation übernahmen viele westdeutsche Städte für die früheren ostdeutschen Städte, Kreise und Länder jenseits von Oder und Neiße Patenschaften.

Patenschaftsfeier mit 25.000 Gästen

In Duisburg wurden neben Königsberg Stettin, die Hauptstadt Pommerns, und Königshütte in Oberschlesien für eine Patenschaft vorgeschlagen. Der Rat entschied sich für Königsberg und seine Bürger, übernahm die Patenschaft für die Königsberger am 26. Oktober 1951. Bereits am 7. September 1952 wurde die Patenschaft zwischen der Stadt und Vertretern der Königsberger feierlich besiegelt, ein Ereignis, an das an diesem Wochenende erinnert wird.

Rund 25.000 frühere Bürger Königsbergs zwischen Flensburg und Passau reisten damals nach Duisburg. An der Lotharstraße, auf dem heutigen Universitätsgelände, standen neben einem riesigen Festzelt große Nachbildungen des Königsberger Schlosses und der Speicher des Königsberger Hafens.

Aus der im Museum Stadt Königsberg aufbewahrten Patenschaftsurkunde geht hervor, dass Duisburg „den heimatvertriebenen Königsbergern eine neue Stätte kultureller und geistiger Gemeinschaft“ geben wollte. Der letzte Satz der Urkunde lautete: „In der Hoffnung, dass Duisburg ein lebendiger Sammelpunkt für die heimatvertriebenen Königsberger werde, wurde heute (7.September 1952) diese Urkunde ausgefertigt“. Diese Hoffnung erfüllte sich, so sieht es Lorenz Grimoni heute: „Denn in den 60 Jahren haben nicht nur in Königsberg Geborene, sondern auch Königsberger aus der ganzen Welt in Duisburg wie viele sagen eine neue Heimat gefunden.“

Dazu trugen in erster Linie unzählige Treffen der Bürger Königsbergs in Duisburg bei: 1955, als man eine Woche lang das 700jährige Bestehen der Gründung Königsbergs feierte, kamen zwischen 35.000 und 50.000 Königsberger in Duisburg zusammen. Das wichtigste Fest feierten die Königsberger im Stadion in Wedau. Es wurde mit dem Geläut der Silberglocke aus dem Königsberger Dom eingeläutet.

Zahlreiche Bürger der Stadt trafen sich bei diesem Fest in Duisburg nach mehr als zehn Jahren der Ungewissheit wieder, fielen sich erfreut in die Arme: Familienangehörige, Nachbarn aus der früheren Straße in Königsberg, Firmenmitglieder oder Schwestern aus den Krankenhäusern der Stadt. Alt-OB Josef Krings wies später einmal auf die wichtige soziale Komponente der Patenschaft hin.

300.000 Anschriften von Königsbergern gesammelt

Das 1952 von der Stadt Duisburg eingerichtete Patenschaftsbüro führte die Menschen zusammen. Dort wurden jahrelang akribisch mehr als 300.000 Anschriften Königsberger Bürger gesammelt. Auf Karteikarten gaben die Flüchtlinge ihre Adressen an, wo sie in Königsberg zu Hause waren und wo sie nach 1945 in der Bundesrepublik oder im Ausland eine neue Heimat gefunden hatten.

So entstand ein wichtiges soziales Netzwerk für alle Königsberger. Lorenz Grimoni: „Bis heute erhalten wir Anfragen aus aller Welt.“ Die früheren Einwohner Königsbergs trafen sich immer wieder in Duisburg, bei Feiern der Stadtgemeinschaft Königsberg oder bei Begegnungen mit „kleinen“ Patenschaften zwischen Duisburger und Königsberger Schulen und Sportvereinen.

Lorenz Grimoni: „Allen Duisburger Bürgern, in erster Linie ihren verständnisvollen und engagierten Oberbürgermeistern in den vergangenen 60 Jahren sind die Flüchtlinge und Vertriebenen aus Königsberg und Ostpreußen, für diese Patenschaft sehr dankbar. In bewundernswerter Weise und fast einmalig in der Bundesrepublik haben sie die Verantwortung für die Menschen wahrgenommen, die auch ein Opfer wurden von Hitlers Größenwahnsinn und der Untaten der Nationalsozialisten.“

Museum für Königsberg 

Sehr wichtig für die Königsberger Patenschaft wurde die Einrichtung eines Museums, um darin einen weiteren ständigen Treffpunkt für die Königsberger zu schaffen. Das erste Museum, das „Haus Königsberg“, wurde am 20. Oktober 1968 am Anfang der Mülheimer Straße eröffnet, in einem mehr als 100 Jahre alten Patrizierhaus neben dem Gebäude der „Sozietät“ am Goerdeler-Park.

Hierhin wurde auch das Patenschaftsbüro verlegt. Zeitweilig waren hier drei städtische Mitarbeiter tätig. Schon im Frühjahr 1971 konnte die 5000. Besucherin mit einem Rosenstrauß begrüßt werden.

Große Ausstellungen

Dem „Haus Königsberg“ schenkten Bürger immer mehr Exponate. Das Kulturzentrum bot ständig Ausstellungen, Vorträge, Dichterlesungen und musikalische Abende an. Seit 1992 besteht das Museum als „Museum Stadt Königsberg“ am Innenhafen, verbunden mit dem Kultur- und Stadthistorischen Museum.

Das „Museum Haus Königsberg“ wurde Schauplatz großer Ausstellungen, so 2004 über den Königsberger Philosophen Immanuel Kant oder 2010 - als Duisburg mit anderen Revierstädten Kulturhauptstadt Europas war - über „Kant, der Europäer“.

Seit 1991 bis heute besuchen viele russische Delegationen Museum und Rathaus. Duisburger Patenschulen, ursprünglich mit früheren Schulen Königsbergs verbunden, bezogen Schulen in Kaliningrad durch Schüleraustausche mit ein.

Das Festprogramm zur 60-Jahr-Feier 

Samstag, 22. September,

9 Uhr: Öffnung des Museums - Dauerausstellung „Königsberg - eine europäische Metropole“, Wechselausstellung „Bilder zur Geschichte der Patenschaft“, Bücher- und Postkartenverkauf.

11 Uhr im Rathaus Duisburg: Feierstunde zum 60jährigen Bestehen der Patenschaft Duisburg-Königsberg, 13 Uhr im Gemeindehaus der Karmelkirche:

Imbiss - Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung, Bücherverkauf

14 Uhr in der Karmelkirche: Lorenz Grimoni, Vortrag: Aus der Geschichte der 60jährigen Patenschaft, 15.30 Uhr im Gemeindehaus und im Museum: Kaffee und Kuchen - Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung - Bücherverkauf

17 Uhr in der Salvatorkirche: Konzert des Staatlichen Symphonie-Orchesters Kaliningrad, Dirigent: Arkadi Feldman, 19 Uhr: Ausklang im Museum Stadt Königsberg