Duisburg. . In den 20er Jahren spielte einzig ein einsamer Pianist zu den Stummfilmen Charlie Chaplins auf. Heute ist das anders. Im Zuge der Veranstaltungsreihe “Sommerkino“ spielte das Orchester der Duisburger Philharmoniker auf und riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Ein besonderer Abend.

Ein Stummfilm, der sprachlos macht, der seine Zuschauer lachen und weinen lässt, der sie in ihrem tiefsten Inneren berührt und beglückt – auch 90 Jahre nach seiner Entstehung. Dazu ein Orchester, das den schwierigen akustischen Bedingungen in der Gießhalle trotzt und den über 1000 verzaubert lauschenden Gästen dank einer Glanzleistung diesen magischen Moment schenkt. Der Charlie-Chaplin-Klassiker „The Kid“ auf der Leinwand und die Duisburger Philharmoniker im Graben davor verschmolzen zu einem unvergesslichen Meister-Werk. Die Beifalls- und Begeisterungsstürme wollten kein Ende mehr nehmen. So verdiente sich die Riege der Profimusiker kurzerhand einen neuen Beinamen: die Filmharmoniker.

Es war nicht das erste Experiment dieser Art, das die Sommerkino-Macher wagten: Vor drei Jahren hatte das Vorzeige-Orchester an gleicher Stelle bereits für die musikalische Untermalung von „The Goldrush“ gesorgt. „Aufgrund unserer großen Überzeugung sind wir auch diesmal bei Chaplin geblieben. The Kid ist ohne Zweifel ein Meilenstein der Filmgeschichte“, sagte Filmforum-Geschäftsführer Kai Gottlob, der an der Seite des Philharmoniker-Intendanten Dr. Alfred Wendel einige einleitende Worte fand. So auch zum Vorfilm: „Duisburg – Die Hafen- und Industriestadt an Rhein und Ruhr“ stammt aus dem Jahr 1925 und stellt laut Gottlob „ein Zeitdokument von großem Wert dar“.

Unbekanntes Antlitz der Stadt

Vor allem machte er Staunen. Denn viele der Schwarz-Weiß-Bilder in dieser 16-minütigen Kurzfassung des Werkes zeigten vertraute Gebäude – etwa die Salvatorkirche mit damals noch intaktem Turm oder das benachbarte Rathaus. Nur die Straßenzüge und Innenstadtgebäude um diese Landmarken herum zeigen ein bislang völlig unbekanntes Antlitz der Stadt.

Im Publikum deuteten sofort viele Finger zur Leinwand. Zahlreiche Besucher entdeckten vertraute und doch fremd wirkende Ecken ihrer Heimat. „Guck mal: So sah das früher bei uns aus“, tuschelten sie in den Stuhlreihen. Musikalisch begleitet wurde auch dieser Stummfilm von den Philharmonikern. Cellist Friedmann Dreßler hatte eigens dafür ein Stück komponiert, das an diesem Donnerstagabend seine Uraufführung erlebte. Und sehr viel Beifall fand.

Nach 90 Jahren immernoch berührend

Dann kommt Charlie! In seiner unnachahmlichen Art tippelte der Filmemacher, Komponist und natürlich auch Hauptdarsteller in einer Person durch die Szenerien, die eines jener typischen Armenviertel der 20er Jahre zeigen. Es ist ein cineastisches Wunder, dass ein Film aus dem Jahr 1921 auch 2012 noch zu Tränen rühren und kurz darauf wunderbar überdreht, klamaukig und komisch sein kann.

Seine unfassbar große emotionale Wirkung entfaltet „The Kid“ aber dank der Musik, die die Philharmoniker (Leitung: Eckehard Stier) gefühlvoll, dramatisch und vehement wie eine persönliche Herzensangelegenheit präsentieren. Stehende Ovationen, stürmischer Jubel und ein Applaussturm nach 55 viel zu schnell verflogenen Minuten. Ein Abend zum Niederknien. Kinomomente fürs Gedächtnis.