Duisburg.
Vor genau 125 Jahren meldete der Deutsch-Amerikaner Emil Berliner ein Patent an für einen scheibenförmigen Tonträger mit einer schneckenförmigen feinen Rille, die Töne analog abbildet. Berliner gab seiner Erfindung einen deutsche Namen: „Schallplatte“. Das Leben von Dieter de Bruyn prägt Berliners Erfindung seit Jahrzehnten – und unübersehbar.
13.000 Schallplatten hat der Rheinhauser gesammelt, genauer gesagt: rund 13.000: „Gezählt habe ich sie nicht, nur gemessen.“ Elvis kommt auf einen Regalmeter, die Beatles samt Solo-Platten brauchen noch mehr Raum. Ein ganzes Zimmer der Wohnung ist der Schallplatte gewidmet, sie füllen Regale an allen vier Wänden, vom Fußboden bis zur Decke, die Lücken werden immer weniger: „Man kauft immer wieder noch dazu“, beschreibt de Bruyn das Sammler-Leben. Nebenbei bemerkt: Mit Regalen für CDs ist de Bruyn schon in den Flur ausgewichen, rund 2000 Singles hat er im Keller der Tochter ausgelagert.
In den 60er Jahren begann die Leidenschaft
Begonnen hat die Leidenschaft des heute 63-Jährigen in den 60er Jahren, mit wenig Geld in der Tasche und viel Begeisterung für Musik, für Elvis, die Shadows, die Beatles, die Rolling Stones, die bei Radio Luxemburg und im Briten-Sender BFBS zu hören waren. Einmal im Monat maximal ging’s ab in den Plattenladen, die Single kostete vier Mark: „Eine Menge Geld.“
Von Duane Eddy, dem Rocker mit der „Twang-Gitarre“ war die erste eigene LP, kurz darauf stand die Musikwelt im Zeichen der Pilzköpfe aus Liverpool, gefolgt von West Coast-Musikern, psychedelischen Experimenten, schließlich Woodstock mit Heroen wie Ten Years After. „Das war die beste Phase“, meint de Bruyn.
Und eine kreative sowieso: Die Stones-LPs „Their Satanic Majesties Request“ mit dem Wackelbild-Cover und „Sticky Fingers“ mit dem von Andy Warhol entworfenen Hosenstallmotiv samt funktionsfähigen Reißverschluss künden davon in de Bruyns Sammlung.
Unappetitliche Finger in Dosen
Darin finden sich auch Varianten, Pressungen aus unterschiedlichen Ländern (besagte „Sticky Fingers“ fürs damals noch erz-katholische Spanien ohne Hosenstall, dafür mit leicht unappetitlichen Fingern in Dosen) oder mit vom Original abweichenden Song-Zusammenstellungen.
Ist so etwas wertvoll? Der ideelle Wert zähle für ihn, sagt de Bruyn, zu wissen, wo und mit wem er die Platte gekauft hat. Abgehobene Preise zu zahlen sei er noch nie bereit gewesen.
„Ich gehe nicht gezielt Platten einkaufen, ich stöbere, und ich finde“, beschreibt er seine Schatz-Suche. Plattenläden wie „33 1/3 “ in Duissern lohnten immer wieder einen Besuch. Gern fährt er auch nach Venlo, wo ein großer Plattenspezialist lockt: „Einmal im Monat darf man mich da gerne drei, vier Stunden absetzen.“
Trödelmärkte sind sein Revier
Und Trödelmärkte sind sein Revier, sagt de Bruyn: „Sie sind die beste Möglichkeit, an günstige Sachen zu kommen.“ Vor allem gebrauchte Klassik-Platten seien in aller Regel gut erhalten und meist der CD überlegen: „Platte klingt immer besser“, ist de Bruyn überzeugt.
Auch davon: „Es gibt kaum schlechte Musik.“ Beat und Rock füllt seine Regale, aber auch Filmmusik der letzten Jahrzehnte, Schlager der Vorkriegszeit von Comedian Harmonists bis Zarah Leander oder Ton-Dokumente, etwa vom „Faust“ in der Gründgens-Inszenierung oder vom Kennedy-Besuch in Deutschland 1963 („Isch bin ain Bölina“). Gekrönt wird alles von einer mehrere Regalmeter langen Aufreihung von Opern, jede aus mehreren LPs bestehend in einer schmucken Box.
Sein Plattenspieler leistet de Bruyn schon seit Jahrzehnten treue Dienste, eine superteure Edel-Anlage ist nicht sein Ding: „Ich investiere lieber in Schallplatten.“ Was er sich allerdings geleistet hat, sieht aus wie ein Schlicht-Plattenspieler, ist aber eine Platten-Waschmaschine. Sie sorgt dafür, dass auch ältere Scheiben noch jung klingen – Emil Berliner wäre stolz gewesen.