Duisburg. . Einblicke in eine „Gefahrengemeinschaft“: Was 60 Kriminalbeamte aus ganz Deutschland nach Röttgersbach treibt.
Kriminalhauptkommissar Arndt Rother, Abteilung Tötungsdelikte, zieht noch einmal den Handschuh zurecht. Der Blick geht ins Weite, die Miene ist ernst. Neben ihm steht Siegfried Lantermann, Kriminaloberrat, Abteilung Organisierte Kriminalität. Er schaut in Richtung Bunker. Der Wind zerrt an der Jacke mit dem Polizeiemblem, die Gespräche verstummen. Die Kripo hat sich an Loch acht versammelt.
Es geht nicht um die Aufklärung eines Verbrechens, es geht um den „Ruhr-Pott“. Den Kochtopf mit dem Golfball auf dem Deckel wird sich am Ende des Tages einer der 60 Kriminalbeamten in die heimische Vitrine stellen können. Das humorvolle Konstrukt ist die Sieger-Trophäe beim Golfturnier, zu dem sich Kripo-Leute aus ganz Deutschland in Röttgersbach versammelt haben.
Beim Schnupperkurs die Kollegen angefixt
Golfende Ermittler oder puttende Polizisten? „Nicht ungewöhnlich“, winkt der Kriminaloberrat ab. „Schreiben Sie jetzt bloß nicht irgendwas über den ach so elitären Charakter dieses Sports“. Die Zahlen geben ihm Recht, Golf ist auf dem Weg zum Volkssport. Stetig klettert jedes Jahr die Zahl der registrierten Spieler, inzwischen sind es in NRW 129.000, mehr gibt es nur in Bayern. Und in Europa werden die 625.000 deutschen Golfer nur noch von den Briten getoppt. Unter den Sportarten liegt Golf bundesweit auf Platz zehn, knapp hinter den Sportfischern, den Reitern und den Handballern.
Arndt Rother greift zum dicken Holz, schwingt ein paar Mal durch. Vor vier Jahren hat er hier seine Kollegen mit einem Golf-Schnupperkurs angefixt. Viele sind geblieben, kurz darauf gründeten die Polizeigolfer eine Betriebssportgemeinschaft, das Jahr darauf gab’s das erste Turnier.
„Nach zwei Bällen ist alles weg“
Aber was macht den Sport für Kriminalbeamte so attraktiv? Es sei so etwas wie ein mentaler Ausgleich, sagt Lantermann. „Sobald du die ersten beiden Bälle geschlagen hast, ist alles weg, worüber du dir den ganzen Tag Gedanken gemacht hast. Die Konzentration über so lange Zeit aufrecht zu erhalten, das gibt’s bei keiner anderen Sportart“. Früher sei er Marathon gelaufen, der monotone Bewegungsablauf habe ganz anderen Platz zum Nachdenken gelassen. „Und man wird auch älter. Aber Golfen setzt auch körperliche Fitness voraus“. Schließlich sei man acht bis neun Kilometer pro Runde unterwegs, zudem sei der Golfschwung die anspruchsvollste sportliche Bewegung nach dem Stabhochsprung. Zum Beweis kramt der Kriminaloberrat sein Handy hervor, zeigt ein kleines Video von Tiger Woods. „Wenn Du beim Schwung auch nur an einer Stelle ein paar Millimeter abweichst, kann der Ball ganz woanders landen“.
Die Gespräche verstummen wieder, Golferetikette. Bevor jemand abschlägt, gebietet man ihm Ruhe zur Konzentration. KHK Rother zieht durch. Ein leises „Plöpp“ und der kleine weiße Ball verschwindet im wolkigen Himmel.
Für andere hat das Golfen aber auch ganz pragmatische Vorteile. „In meiner Tennis-Mannschaft hat man mir irgendwann gesagt, ich sei wegen meiner Arbeitszeiten zu unzuverlässig“, erzählt Wolfgang Wenger. Der Leiter der Münchener Polizeipressestelle ist am Vorabend angereist. „Wir haben uns völlig falsch vorbereitet“, sagt er schmunzelnd und dreht ein kleines Golfutensil mit dem FC Bayern-Wappen in der Hand. „Wir Münchner haben heute Oberwasser“, flachst Wenger, dessen Name beim Hinspiel die Sportberichterstattung des Boulevard begleitet hat. Da musste er erklären, was die Polizei alles unternimmt, um die Diebe zu finden, die den Real-Stars Ronaldo und Özil Schuhe und Trikots aus der Kabine im Olympiastadion gemopst hatten.
Polizeipräsidentin überreicht den Pott
Was bei dem Turnier in Röttgersbach auf dem Grün steht, ist zwar nicht die Champions League, aber bei weitem keine Anfängertruppe. Teilnehmer müssen mindestens ein Handicap von 36 haben, der Beste hat eins von 3, das ist nah am Profi-Bereich. „Hier steht aber natürlich der Spaß im Vordergrund. Bei einer Runde Golf geht es immer auch um Kommunikation“, sagt Wenger. Das Turnier dient auch dem guten Zweck, die Startgelder erhält der „Weißen Ring“ für den Opferschutz. Den Ruhrpott, die Trophäe, überreicht am Abend die Schirmherrin, Polizeipräsidentin Elke Bartels. Das Ganze stärkt zudem den Zusammenhalt der sogenannten „Gefahrengemeinschaft“ und wird vom BDK unterstützt.
Der Tatort und die Realität
Hinter dem Kürzel verbirgt sich weder der Bund Deutscher Karneval, noch der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden oder der Bundesverband deutscher Kosmetikerinnen, die es übrigens auch alle gibt, sondern der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Dessen oberster Vorsitzender empörte sich letzte Woche über den neuen TV-Kommissar und „Möchtegern-Ermittler“ Til Schweiger, der bereits vor seinem ersten Drehtag schon ‘mal den Tatort-Vorspann abschaffen will. Ein bisschen mehr Demut und weniger Überheblichkeit sei für Schweiger angebracht, hieß es vom BDK aus Berlin.
Tatort? Spiegelt die beliebteste deutsche Krimireihe denn eigentlich die Lebenswirklichkeit der Kriminalbeamten wieder? Die Runde lacht, bevor sie zum nächsten Loch weiterzieht. Im Vorbeigehen sagt einer: „Ich habe noch nie eine Mordkommission gesehen, die nur aus zwei Mann besteht“.