Duisburg. Ein 28-jähriger Duisburger leidet am Tourette-Syndrom, einer neuropsychiatrischen Erkrankung, die durch Tics charakterisiert ist. Das Krampfen kann er nicht kontrollieren. Das einzige wirkende Heilmittel ist Cannabis - als medizinischer Joint.
Die Arme und Hände zucken heftig hin und her, alle Muskeln im Körper verkrampfen, der Körper bewegt sich unkontrolliert in alle Richtungen als stünde er unter Strom, der Kopf schlägt gegen die Wand. Die alltäglichsten Dinge werden zu einer schier unlösbaren Aufgabe. Der Kaffee in der zitternden Hand schwappt aus der Tasse. Ohne einen Joint zu rauchen kann Billy W. den Tag nicht beginnen.
Der 28-jährige Duisburger leidet am Tourette-Syndrom, einer neuropsychiatrischen Erkrankung, die durch Tics charakterisiert ist. Das Krampfen kann er nicht kontrollieren. Das einzige wirkende Heilmittel ist Cannabis. Der darin erhaltene Wirkstoff THC ist wirksam, in Deutschland aber eigentlich verboten. Billy W. ist einer von etwa 60 Patienten bundesweit, die Medizinal-Cannabisblüten legal in einer deutschen Apotheke kaufen dürfen. Jedoch kommt die Krankenkasse nicht für das Medikament auf, ohne das W. „nicht wie ein normaler Mensch leben kann.“
Fünf Gramm Medizinal-Cannabis kosten 72 Euro
Etwa zehn Joints braucht er täglich um „lebens- und arbeitsfähig“ zu sein. Der Cannabis wirkt bei ihm nicht wie bei gesunden Menschen. Er verfällt nicht in einen Rausch, sondern wird Herr über seinen Körper. Fünf Gramm des Medizinal-Cannabis kosten 72 Euro. Hergestellt werden die Blüten unter strengen Kontrollen in einer legalen Plantage in den Niederlanden. Die Medizin des Duisburgers ist teuer und ohne die Kostenübernahme durch die Krankenkasse treibt sie Billy W. in den Ruin.
Doktor Hanf
Weitere Informationen und Kontaktadressen für Interessierte oder Patienten unter www.doktor-hanf.de. Auf der Internetseite wird auch beschrieben, bei welchen anderen Krankheiten außer dem Tourette-Syndrom Medizinal-Cannabis wirksam ist und zum Einsatz kommt.
Lars Scheimann kennt dieses Problem nur allzu gut. Der 38-jährige Duisburger leidet ebenfalls unter dem Tourette-Syndrom. Er ist einer der ersten Patienten, die legal Cannabis-Blüten aus der Apotheke bekommen haben. Dafür hat er lange gekämpft. Unzählige Anträge an den medizinischen Dienst seiner Krankenkasse und immer wiederkehrende Gutachten öffneten ihm die Augen über „Deutschlands Cannabispolitik im Bereich der medizinischen Verwendung“. 2004 gründete er mit seinem Freund, Jesko Grützner, das Café und den „Hanf and Head Shop Doktor Hanf“, das mittlerweile in der Innenstadt ansässig ist.
Tics werden immer schwächer
Es folgte die Tourette-Selbsthilfegruppe-NRW in der Scheimann anderen Tourette-Erkrankten durch seine eigenen Erfahrungswerte Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Scheimanns unermüdlicher Einsatz für die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken trug 2011 Früchte.
Mit der Verkündung der 25. Verordnung zur Änderung „betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften“ im Bundesgesetzblatt wurde Medizinales-Cannabis als „verkehrs- und verschreibungsfähig“ erklärt. „Ohne Cannabis haben mich meine Tics im Griff. Ich schlage mit dem Kopf gegen die Wand oder beiße Gläser kaputt.“ Mit Cannabis werden die Tics immer schwächer. „Wenn ich mal zehn Stunden keinen Joint rauche, geht es mir sofort wieder schlechter.“
Neben Scheimann und Billy W. lebt noch ein dritter Mann in Duisburg, der die Berechtigung hat, mit der Droge therapiert zu werden. Finanzielle Nöte sind allgegenwertig. Nicht selten kämen Cannabis-Patienten in Deutschland deshalb mit dem Gesetz in Konflikte. Die Selbsthilfegruppe versucht dann juristischen Beistand zu leisten und mit Spenden in dringenden Notfällen auch die Medizin zu bezahlen.