Duisburg. In 5100 Metern Höhe entsteht in Chile derzeit die größte Radioteleskop-Anlage der Welt. Dafür werden 64 Teleskope zu einem Riesenteleskop zusammengeschaltet - für die Astronomie ein Meilenstein. 25 der Teleskope baut das Duisburger Unternehmen Vertex in Homberg.
In der Atacama-Wüste im Norden Chiles entsteht derzeit auf einem Hochplateau in rund 5100 Metern Höhe die größte Radioteleskop-Anlage der Welt. Diese soll schon bald nie gesehene und phänomenal kontrastreiche Bilder aus den unendlichen Weiten des Universums liefern und gilt in Astronomenkreisen als ein Meilenstein. Im Rahmen dieses so genannten „Alma“-Projektes werden 64 Teleskope mit einem Reflektordurchmesser von zwölf Metern per Computer zu einem einzigen Riesenteleskop zusammengeschaltet. 25 davon stammen aus Duisburg – von Vertex Antennentechnik in Homberg.
80 Mitarbeiter zählt das Unternehmen mit Sitz an der Baumstraße heute. 50 von ihnen sind Ingenieure. Und Karl-Heinz Stenvers ist der Geschäftsführer dieses High-Tech-Unternehmens. Wie viele seiner Mitstreiter zählte der 61-jährige Issumer einst zur Antennenbau-Abteilung von Krupp in Rheinhausen. Im Zuge der dortigen Standort-Schließung fanden die Kräfte, die in den 60er Jahren das legendäre 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg in der Eifel gebaut hatten, eine neue berufliche Heimat beim neu gegründeten Unternehmen Vertex Antennentechnik. Das war im Januar 1993.
„Sieben Jahre später haben wir dann mit der Entwicklung eines Prototyps unseres neuen Teleskops begonnen“, erinnert sich Stenvers. 2002 erfolgte dessen Fertigstellung. Und als im Jahr darauf dann auch die Inbetriebnahme dieses ersten Modells in der chilenischen Wüste glückte, folgte der verbindliche Auftrag der „Alma“-Finanziers (eine europäische und eine US-amerikanische Behörde) über den Bau von 25 Einheiten. Genauso viele sollte eine französische Firma beisteuern, 14 eine japanische. Macht zusammen die gewünschten 64. Geplante Inbetriebnahme: Herbst 2012.
"Es macht einen stolz"
Erst kürzlich hat Vertex sein Teleskop Numero 23 von den Hallen in Homberg aus auf große Reise geschickt. Es wurde in seine Einzelteile zerlegt, per Lkw zum Seehafen nach Antwerpen transportiert und von dort per Ozeanriesen nach Chile verschifft. „Von dort geht es weiter in die Wüste, wo in einer extra errichteten Halle die Montage stattfindet“, erzählt Stenvers. Das geschehe bereits auf einer Höhe von 2900 Metern. Das letzte, steile Stück des Weges zum Bestimmungsort in 5100 Metern Höhe wird per Spezial-Fahrzeug zurückgelegt. „Es macht einen schon stolz, wenn man die Teleskope, die wir gebaut haben, dort oben sieht“, sagt der Geschäftsführer.
Made in Duisburg
Wann war er zum letzten Mal selbst vor Ort? „Im Dezember 2011.“ Und wie sieht es in dieser Hochwüste aus? „Wie auf dem Mond. Es gibt keinen Baum, keinen Strauch, so gut wie keine Vegetation. Alles dort wirkt schroff und unwirtlich.“ Doch so menschenfeindlich dieser Ort im ersten Moment wirken mag, so optimal ist er bei genauerem Hinsehen für den späteren Zweck. „Die Luft dort ist extrem trocken. Es soll dort zum letzten Mal vor über 100 Jahren geregnet haben. Diese Faktoren sind wichtig: Denn bei Feuchtigkeit können die Teleskope entweder nur unpräzise und im schlimmsten Fall überhaupt nicht funktionieren“, erklärt Stenvers.
Astronomen wollen kalte Gaswolken sichtbar machen
Wegen der Bedingungen vor Ort muss das Material allerhöchsten Anforderungen genügen. Oder wie Stenvers es ausdrückt: „Es muss thermisch stabil sein.“ Auch deshalb ist die Oberfläche der Teleskope, die aus einem Reflektor und einem Drehapparat bestehen und aus Kohlefaser und Inva-Stahl gefertigt sind, mit einer weißen Spezialfarbe lackiert. Auch die insgesamt 264 Aluminium-Paneele, die auf dem Reflektor verschraubt werden, sitzen haargenau. Nur so lassen sich später Idealergebnisse erzielen.
Und was erhoffen sich die Astronomen, wenn die „Alma“-Anlage einmal wie geplant läuft? Kalte Gaswolken wollen sie sichtbar machen, genau wie bislang unsichtbare Planeten und uralte Strukturen des Weltalls. Oder wie Stenvers es sagt: „Mit Hilfe des Teleskops soll in Entfernungen von bis zu 13 Milliarden Lichtjahre geschaut werden. Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit unseres Universums.“ Eine Reise, die auch dank der Spitzentechnologie made in Duisburg überhaupt erst möglich wird.