Essen. . Wissenschaftler beobachten erstmals, wie eine große Gaswolke von einem Schwerkraftmonster im Zentrum unserer Milchstraße geschluckt wird. Derzeit rast die Wolke, die vermutlich durch die Kollision zweier Sterne entstand, mit 2350 Kilometern pro Sekunde auf das Schwarze Loch zu.

Es ist ein gigantisches Schauspiel, das Astronomen erstmals vor unserer kosmischen Haustür direkt beobachten können. Das Schwarze Loch in der Mitte unserer Milchstraße zerreißt und verschluckt nach und nach eine große Gaswolke, die immer schneller auf das Schwerkraftmonster zurast.

Man könne bereits erkennen, wie die extreme Anziehungskraft von Sagittarius A – so die astronomische Bezeichnung des supermassiven Schwarzen Lochs – die Gaswolke in die Länge ziehe und spiralförmig ansauge, berichten die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) im Fachmagazin „Nature“.

Komplett verschluckt

In den nächsten zwei Jahren wird die Gaswolke komplett zerrissen und schließlich vom Schwarzen Loch geschluckt werden. Dabei wird sich die derzeit etwa 280 Grad warme Wolke, die auf einer stark exzentrischen Bahn um das Schwarze Loch kreist, auf einige Millionen Grad erhitzen und gewaltige Energiemengen als Röntgenstrahlung abgeben.

Die Astronomen sind begeistert von dieser einmaligen Gelegenheit, denn bisher habe sich das Schwarze Loch recht friedlich gezeigt. Es verschlang kaum Materie und schickte auch keine Strahlung ins All. Seit 1992 beobachten die MPE-Forscher Sangittarius A im Milchstraßenzentrum und berechnen die Bewegung der Sterne im Umfeld des Schwerkraftgiganten. „Nur zwei Sterne sind dem Schwarzen Loch seit Beginn unserer Beobachtungen so nahe gekommen“, erklärt Stefan Gillessen vom MPE. Doch diese hätten das Schwarze Loch unbeschadet passiert.

Wolke rast auf das Schwarze Loch zu

Die Gaswolke, die immerhin etwa dreimal mehr Masse besitzt als die Erde, zeige indes bereits Auflösungserscheinungen. Ihre Geschwindigkeit nimmt zu, je näher sie dem Gravitationskern kommt. Derzeit rast die Wolke, die vermutlich durch die Kollision zweier Sterne entstand und durch den Sonnenwind in Richtung des Lochs getrieben wurde, mit 2350 Kilometern pro Sekunde auf den Schlund des „hungrigen Biests“ zu.

„Das Bild von einem Astronauten, der einem Schwarzen Loch zu nahe kommt und zu Spaghetti gedehnt wird, kennt man vielleicht aus Science-Fiction-Filmen“, sagt Gillessen. „Aber jetzt können wir erstmals in der Realität beobachten, was mit dieser Wolke passiert.“ Klar ist: „Sie wird es nicht überleben.“ 2013 wird sie dem Loch mit einem Abstand von 40 Milliarden Kilometern am nächsten kommen, berechneten die Astronomen. Das entspricht zwar 250 Mal der Entfernung von der Erde zur Sonne, sei aber im astronomischen Maßstab „ein Katzensprung“.

Schwerkraftmonster wird immer größer

Auswirkungen auf die Erde hat dieser Himmelstanz keine. Warum also sind die Forscher so aus dem Häuschen? Durch die Entdeckung der Gaswolke können nun Prozesse beobachtet und studiert werden, die bislang nur in der Theorie erklärt wurden, nämlich wie ein Schwarzes Loch Gas, Staub und Sterne verschlingt und dadurch immer größer wird. Von der Erde ist es „nur“ 27 000 Lichtjahre entfernt und damit das einzige Schwarze Loch, das sich mit starken Teleskopen beobachten lässt.

„Das Zentrum unserer Galaxie ist ein einzigartiges Laboratorium, um fundamentale Prozesse zu studieren“, sagt MPE-Direktor Reinhard Genzel. „Wir werden sehr genaue Informationen über die physikalischen Bedingungen erhalten, die bei der Anziehung auf ein Schwarzes Loch eine Rolle spielen. Die nächsten zwei Jahre werden für uns extrem spannend.“

Wenig neues Futter

Eine solche Chance bekommen die Astronomen sobald nicht wieder, denn in der Nähe des Schwarzen Lochs schwirrt nur sehr wenig Materie herum. So wird die Gaswolke auf absehbare Zeit das einzige Futter für Sagittarius A bleiben.