Duisburg. .
Als Christian Brückner anfängt zu lesen, kann man eine Stecknadel fallen hören. Die rund 100 Gäste im Kleinkunsttheater „Die Säule“, die zur Lesung der Kurzgeschichte „Brokeback Mountain“ von Annie Proulx gekommen sind (2005 von Ang Lee verfilmt mit Heath Ledger und Jake Gyllenhaal), hängen schon bei der ersten Silbe an den Lippen des bekannten Synchronsprechers und Schauspielers.
Kein Wunder, denn Brückner, auch schlicht „The Voice“ („Die Stimme“) genannt, zieht die Zuhörer mit jedem Wort in seinen Bann: Kleinste Laute, Atempausen und Zwischentöne werden bei dem 68-Jährigen, der seit den 70er Jahren die feste Synchronstimme von Robert De Niro ist, zu großer Kunst.
Ins Wyoming des Jahres 1963 entführt
Und so gelingt es ihm, die Zuhörer schon mit den ersten Sätzen ins kalte Wyoming des Jahres 1963 zu entführen. Mit seiner Stimme lässt er die bergige Landschaft, die eisigen Winde ebenso Wirklichkeit werden wie die beiden Cowboys Jack und Ennis, die mit einer Herde Schafe ins Gebirge ziehen.
Die vorwiegend älteren Zuhörer lauschen Brückners Stimme auf ganz unterschiedliche Weise. Einige von ihnen haben die Augen geschlossen. Dabei kann man auf ihren Gesichtern die Geschichte ablesen. Hebt Brückner beispielsweise seine Stimme, ziehen sie ihre Augenbrauen hoch. Sie schmunzeln, wenn es lustig wird und runzeln die Stirn bei Dramatik. Andere Gäste lassen den Mann hinter dem Pult nicht aus den Augen. Sie wollen sehen, wie er die Geschichte um die beiden Cowboys, die sich bald nicht nur kameradschaftlich zueinander hingezogen fühlen, mit Mimik und Gestik begleitet, geradezu erlebt.
Versprecher gibt es nicht
Dass Brückner Profi ist, merkt man bei jeder Silbe. Versprecher gibt es nicht, er liest die Geschichte nicht nur vor, er erzählt sie, es ist, als hätte er sie selbst verfasst. So, als würden die Gefühle der Männer, die zunächst nicht wissen, wie sie mit ihrer Homosexualität umgehen sollen und sich diesem Tabu schließlich hemmungslos hingeben, kurz zu seinen eigenen.
Er leiht den Charakteren nicht einfach seine Stimme, er wird zu diesen und gibt so jedem einzelnen eine besondere Note. Der raue und erfahrene Jack hört sich viel selbstbewusster und in der Stimmlage tiefer an an als der jüngere, zerbrechliche Ennis. Das Publikum ist restlos begeistert und dankt „The Voice“ mit kräftigem Applaus.