Duisburg. .
Gerade standen sie noch festlich geschmückt und den wohligen Duft von Tannengrün verströmend im Lichterschein des Wohnzimmers. Nun, nur ein paar Tage später, wurden sie ihres glitzernden Kleides beraubt und liegen nadelnd am Straßenrand. Dort, verbannt auf den Asphalt, werden die Weihnachtsbäume ihr tristes Dasein aber nur für ein paar Tage fristen müssen. Denn die Abholkolonnen der städtischen Wirtschaftsbetriebe sind bereits seit Wochenbeginn ausgerückt, um sie einzusammeln. Die WAZ ging in einem der acht Sperrgutwagen mit auf große Tour.
Treffpunkt Schlachthofstraße in Hamborn. Hier ist ein Fuhrpark der Wirtschaftsbetriebe untergebracht. Romano Gruber grüßt mit festem Handschlag. Der 52-Jährige ist der Mann am Steuer jenes Fahrzeugs, das für 14 Tage immer ab 6 Uhr morgens unterwegs ist und dessen dreiköpfige Besatzung nur eine Mission zu erfüllen hat: Tannenbäume einsammeln. „Wir kümmern uns hier aber nur um die nördlichen Stadtteile. Und heute ist meine Heimat an der Reihe“, sagt der in Neumühl wohnende Gruber. Das geht aus seinem Revierplan hervor – ein Zettel, der ihm bei Dienstbeginn ausgehändigt wird. Darauf sind jene Straßen verzeichnet, die er, Erkan Selvi und Andreas Heske heute abfahren müssen. Letzteres Duo steht hinten auf den stählernen Trittflächen und ist für das Einsammeln von Fichten und Nordmanntannen verantwortlich. Soll heißen: Sie sind es, die zupacken müssen.
Ein großer Haufen Bäume
„Wir fahren jede Ecke zweimal an. In der ersten Woche ist meistens noch nicht so viel zu tun. Die meisten werfen ihre Bäume erst nach dem Drei-Königs-Tag raus. Daher brummt es immer zum zweiten Abholtermin“, weiß Gruber aus Erfahrung. Er arbeitet nun seit acht Jahren bei den Wirtschaftsbetrieben. Und verfügt auch deshalb längst über eine gute Ortskenntnis – die bevorzugten Ablegestellen für Tannenbäume inklusive.
Ankunft an der Rügenstraße. Hier haben die Anwohner ihre Bäume auf einem großen Haufen entsorgt. Erkan Selvi (43) und Andreas Heske (29), beide in Hamborn lebend, fassen das ausrangierte Grün an der Spitze, schleifen es einige Meter bis zum Wagen und werfen es in den stählernen Schlund vor sich. Auf Knopfdruck kommt der „Knacker“. Diese Kralle greift sich die Bäume, presst sie dann tief und fest ins Innere des Wagens. Äste und Stämme knacken. Sie brechen unter dem immensen Druck. „20 Kubikmeter müssten jetzt ungefähr drin sein. Das entspricht einem Gewicht von sieben bis acht Tonnen“, sagt Gruber.
Vorbildlich gesäubert
Zeit für die erste Leerung: Über die A 59 geht’s nach Walsum. Genauer gesagt: zum Kerskensweg. Dort liegt die zentrale Abladestelle für alle Tannenbäume aus dem Norden Duisburgs. Gruber drückt einen Knopf neben dem Lenkrad – schon beginnt der Wagen, seine natürliche Ladung auszuspucken. Kaum zu glauben, wie groß der Berg ist, der sich da auftürmt. Einen Axtwurf von dort entfernt stehen mächtige Schreddermaschinen. „Hier werden die Bäume gehäckselt, in Container verladen und zum Kompostierer gebracht“, erklärt das komplett in Orange gekleidete Trio.
Zurück nach Neumühl. Heske und Selvi erklären, dass fast alle Anwohner ihre Bäume bereits vorbildlich gesäubert haben, ehe sie diese rauswerfen. „Hängen Kugeln oder Lametta dran, lassen wir sie am Straßenrand liegen“, sagt Fahrer Gruber. Diese Methode zeige sofort Wirkung. Bei der zweiten Runde in der Woche darauf seien diese „Mängelexemplare“ ganz plötzlich in einem vorbildlichen Zustand – und werden dann natürlich mitgenommen.
Tannenbäume auf der Straße
Plötzlich liegt ein Tannenbaum mitten auf der Straße. Der Wagen hält sofort an. Heske greift sich das vom Winde verwehte Einzelexemplar und entsorgt es hinten im Wagen. „Deswegen fahren wir immer zuerst die Hauptstraßen ab. Hier kann es durch Tannenbäume, die auf der Fahrbahn landen, schneller zu gefährlichen Situationen im Verkehr kommen“, erklärt Gruber.
Die heutige Tagestour neigt sich ihrem Ende entgegen. Zurück zum Fuhrpark. Ist dies denn nun eine besonders unangenehme Aufgabe? „Nein“, stellt Andreas Heske klar. „Ich finde das Einsammeln der Laubsäcke im Herbst schlimmer. Das dauert zum einen sechs Wochen. Und diese Säcke sind, gerade wenn nasses Laub drin ist, viel schwerer zu schleppen. Da nehme ich lieber Weihnachtsbäume.“