Duisburg.
Muradiye Altun blinzelt gen Himmel. Zu ihren Füßen, etwa 50 Meter tiefer, schleppen ein paar Arbeiter ihr Werkzeug über unaufgeräumte Hochfelder Hinterhöfe. Der direkte Blick nach unten verspricht wenig idyllisches – doch auf den Wasserturm an der Paul-Esch-Straße kraxelt man ja wegen der Aussicht. 206 Stufen (oder 20 Sekunden mit dem Aufzug) dauert es, bis man den Ausblick genießen kann.
Drinnen hat Turm-Besitzer Mevlüt Akkurt den Himmel an die Decke gemalt. Der ist in diesem November an der frischen Luft natürlich noch viel schöner. „Eigentlich sind wir hier nur auf 47 Metern, aber wir sagen immer 50 – das hört sich besser an.“ Ende der 90er Jahre hat er den Turm gekauft und in der obersten der 21 Etagen ein Café eingerichtet. Türkisches Frühstück tischt seine Familie hier jeden Tag, außer dienstags, auf.
Wasser für die Loks
„Ich kannte den Turm gar nicht, bin zum ersten Mal da, aber es ist wirklich schön hier oben. Das ist ein Geheimtipp“, sagt Fatma Keser und schaut verträumt über den Rhein Richtung Rheinhausen. Bei Tee und Zigarette lassen sie und Muradiye Altun es sich gut gehen. Draußen am Turmgeländer sind Tische montiert. Wenn es wärmer wäre, könnte man sogar draußen essen. „Die Aussicht Richtung Flughafen finde ich besonders toll. Im Süden ist es so schön grün.“ Industrieromantiker schauen hingegen gen Westen, wo Sachtleben hinter dem Rhein auftaucht. Der 360-Grad-Panoramablick schweift weiter in die Innenstadt, Neudorf und Richtung Mülheim.
Türkischer Tee mit Fernblick
1917 wurde der Turm gebaut, der genau zwischen dem Güterbahnhof Hochfeld und dem Hauptbahnhof lag und die Dampflokomotiven mit frischem Wasser versorgen sollte. Der Behälter fasste 1000 Kubikmeter Wasser. Doch als die Bahn ihren Betrieb in den 60er Jahren von Dampf- auf E-Loks umstellte, war es vorbei mit der Funktionalität dieser Aussichtsplattform. Bis die Familie Akkurt ihn aus seinem Dornröschenschlaf weckte.
Die Wände waren damals aus Stahlbeton gezogen. „Das haben wir gemerkt, als wir die Fenster vergrößern wollten. Tagelang haben wir versucht, die Mauern zu bearbeiten“, erzählt Akkurt, der an diesem speziellen Bauobjekt gefallen fand. Mittlerweile wohnt die Familie sogar in dem Turm und einige Firmen sind in die runden Räume gezogen. Weitere Wohnungen sollen entstehen.
Während man draußen auf Duisburg schaut, wartet im Frühstückscafé übrigens ein ganz anderer Anblick: Ein Künstler hat eine türkische Eufratlandschaft gemalt. Bei schönem Wetter kann Duisburgs Panorama aber durchaus mithalten...